Rund 2,2 bis 2,6 Millionen Verkehrsunfälle werden jedes Jahr in Deutschland von der Polizei aufgenommen – manche mit Sachschaden, andere auch mit Personenschaden. Bei den erfassten Unfallbeteiligten, die zur Kategorie „Personenschaden“ gezählt werden, unterscheiden die Unfallstatistiken nochmals zwischen Verletzten und Verkehrstoten. Was jedoch weitgehend unberücksichtigt bleibt, sind die unsichtbaren Verletzungen: belastende Folgen für die Psyche, bis hin zu Depressionen und posttraumatischen Belastungsstörungen. „Die psychischen Beschwerden und Auswirkungen müssen dringend stärker mit berücksichtigt werden, wenn es um Unfallforschung geht. Auch findet generell zu wenig Aufklärung in der Bevölkerung zum Thema statt. Zudem müssen für Betroffene Hilfsangebote bereitstehen, um akuten Problemen wie auch Langzeitfolgen adäquat begegnen zu können“, fordern die Experten des KRAFTFAHRER-SCHUTZ e.V. (KS).
Jedes vierte Unfallopfer leidet
Eine der wenigen Erhebungen zu dem Thema bislang stammt von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt). Befragt wurden Verkehrsunfallopfer, die nach dem Unfall in stationärer Behandlung waren, zu Beginn des Klinikaufenthalts, bei Entlassung aus dem Krankenhaus sowie sechs bis zwölf Monate nach dem Unfall. Demnach litten etwa ein Drittel der Befragten zu allen Befragungszeitpunkten an Angstsymptomen und rund ein Viertel an depressiven Symptomen – bei jeweils rund 50 Prozent der Betroffenen müsse sogar von einer ernstzunehmenden Störung ausgegangen werden. Zusätzlich wurden bei einem hohen Anteil von ihnen sowohl Angst- als auch depressive Symptome ausgemacht, so die Studienverfasser. Posttraumatische Belastungsstörungen stiegen im Verlauf der Zeit noch an: von etwa einem Drittel auf 44 Prozent der Befragten bei der dritten Befragung. Insgesamt, so die BASt, könne davon ausgegangen werden, dass etwa jedes vierte Unfallopfer unter ernstzunehmenden psychischen Beschwerden leide.
Doch nicht nur Verunfallte selbst können mit belastenden psychischen Folgen nach einem Unfall zu kämpfen haben. Laut Deutschem Verkehrssicherheitsrat (DVR) können auch beispielsweise Ersthelfer, Zeugen oder Angehörige betroffen sein. Verstirbt ein Mensch bei einem Verkehrsunfall, sind beispielsweise durchschnittlich ganze 113 Personen unmittelbar betroffen; dazu zählen Angehörige, Freunde, Bekannte wie auch Einsatzkräfte vor Ort. Meist zeigten sich psychische Folgen zunächst in einer akuten Belastungsreaktion, die der Großteil der Betroffenen selbstständig bewältigen könne. Jedoch gelinge dies nicht allen, so der DVR.
Frühzeitige, unbürokratische Hilfe
Doch seit 2019 gibt es auch eine konkrete Anlaufstelle für Unfallbeteiligte, die sich mit den psychischen Auswirkungen von Verkehrsunfällen beschäftigt und schnelle, konkrete Hilfe bietet: www.hilfefinder.de. Das Hilfsportal
für Verkehrsunfallopfer mit psychischen Folgen wurde von der Bundesanstalt für Straßenwesen zusammen mit dem DVR, bei dem der KS Gründungsmitglied ist, sowie der Verkehrsunfall-Opferhilfe Deutschland e.V. entwickelt. Auf dem Portal finden sich neben umfassenden Informationen zu psychischen Unfallfolgen auch Kontaktadressen zu Institutionen in der Nähe, die schnelle Hilfe bieten können. Darüber hinaus gibt es Unterstützung bei der Therapeutensuche, Wissenswertes zu Kostenträgern und Therapieformen und vielem mehr.