Zum Hintergrund: Viele Hausärzte – vor allem im ländlichen Raum – finden heutzutage keinen Nachfolger mehr, wenn sie aus Altersgründen ihre Praxis aufgeben wollen. „Um die medizinische Versorgung der Bevölkerung trotzdem sicherstellen zu können, hat der Vogelsbergkreis schon früh in Zusammenarbeit mit den Gemeinden die Initiative ergriffen und im Rahmen seiner Gesundheitsplanung die Idee eines gemeinsamen kommunalen MVZs verfolgt“, erklärt Erster Kreisbeigeordneter Dr. Jens Mischak. „Die Vorteile – gerade für junge Ärzte - liegen auf der Hand: Sie müssen zu Beginn ihrer beruflichen Tätigkeit nicht in das Risiko einer Selbstständigkeit gehen, sondern arbeiten als angestellte Mediziner im MVZ“, betont Mischak. Die angestellten Ärzte haben im MVZ geregelte Arbeitszeiten, zudem besteht die Möglichkeit, Stunden zu reduzieren. „In der Zeit der Familienplanung ist das für viele Mediziner ein interessantes Arbeitszeitmodell.“
Ein weiterer Vorteil: Angestellte Ärzte „können nur Arzt sein“, so Mischak, mit der gesamten Praxisorganisation haben sie nichts zu tun. Diese umfangreiche Arbeit übernimmt eine Praxismanagerin. „Der Schwerpunkt im MVZ liegt ganz klar auf der ärztlichen Tätigkeit, nicht auf umfangreichen Dokumentations- oder Abrechnungsarbeiten“, beschreibt Dr. Mischak. Von daher kann ein solches Modell auch für ältere Mediziner durchaus interessant sein, die sich in ihren letzten Berufsjahren noch einmal voll und ganz auf ihre eigentliche Arbeit am Patienten konzentrieren wollen.
„Ein MVZ bietet also die Chance, Ärzte in die Region zu locken“, sagt Dr. Mischak, „deshalb haben wir das Modell auch den Bürgermeistern unserer 19 Städte und Gemeinden vorgestellt.“ Abgefragt wurde in diesem Kreis zudem, ob Interesse an einer solchen Einrichtung besteht, „denn der Vogelsbergkreis kann es nicht alleine machen, das war von Anfang an klar“, so Mischak. „Außerdem machen das nur, wenn sich keine anderen Lösungen vor Ort wie beispielsweise eine selbstständige Übernahme einer Praxis ergeben.“
Ein klares Ja kam aus den Gemeinden Freiensteinau und Grebenhain. Nachdem auch Ärzte aus den beiden Gemeinden in dieser Woche erklärt haben, sich zu beteiligen, „ist der Startschuss für das erste kommunale MVZ gefallen“. Zunächst werden der Vogelsbergkreis und die beiden Gemeinden eine entsprechende GmbH gründen, was aber laut Mischak nicht heißen muss, dass die anderen Gemeinden außen vor sind. „Wenn Interesse besteht, können auch noch andere Gemeinden beitreten.“ Auch dort könnten dann nach und nach, soweit die Rahmenbedingungen stimmen, Zweigpraxen eröffnet werden. Starten wird das MVZ mit einer Hauptbetriebsstätte und zunächst einer Zweigpraxis, so dass sich für die Patienten in Grebenhain und Freiensteinau nichts ändern wird: In beiden Gemeinden stehen Hausärzte zur Verfügung, lediglich die Organisation im Hintergrund wird eine andere sein.
Bis die tatsächlich geändert ist, müssen indes noch einige Hürden genommen werden. So muss beispielsweise ein Gesellschaftervertrag abgeschlossen werden, politische Beschlüsse müssen gefasst werden, auch mit der KV müssen noch weitere Abstimmungsgespräche geführt werden.
Wenn alles gut läuft, dann könnte das kommunale MVZ zum 1. Januar nächstes Jahres an den Start gehen. Zu diesem Zeitpunkt könnten übrigens bereits die ersten zusätzlichen Mediziner eingestellt werden.