Warum braucht es überhaupt eine Sportentwicklungsplanung?
Die Zeiten, in denen jedes Dorf seine eigene Fußballmannschaft hatte, sind längst vorbei. Heute fehlt es vielen Vereinen an Aktiven, an ehrenamtlichen Mitgliedern, die Aufgaben im Verein übernehmen, und an Übungsleitern. Das Schlüsselwort der Zukunft wird „Kooperation“ sein, machte Landrat Manfred Görig schon vor einigen Monaten bei einem ersten Treffen von Gemeinde- und Vereinsvertretern im Lauterbacher Landratsamt deutlich. Kreis, Gemeinden und Vereine müssen gemeinsam an einem Strang ziehen, denn einer alleine wird die Aufgaben nicht lösen können“, hatte der Landrat bei diesem Treffen betont.
Seit wann läuft der Prozess der Sportentwicklung im Vogelsbergkreis?
„Der Vogelsbergkreis nimmt eine Vorreiterrolle ein, wir diskutieren schon seit rund zwei Jahren, wie die Bedingungen für Sport und Bewegung im Landkreis verbessert werden können“, sagt Renate Stiebing, beim Kreis für Finanzen und Sportförderung zuständig. Finanziell gefördert wird der Prozess vom Land Hessen. Minister Peter Beuth hatte im September vergangenen Jahres einen entsprechenden Förderbescheid übergeben. „Das ist ein Pilotprojekt in Hessen, viele Kreise werden uns folgen, sie schauen jetzt auf uns, wie wir das handhaben“, zeigt sich Sportkreisvorsitzender Werner Eifert überzeugt.
Was konkret ist bislang geschehen?
Der Vogelsbergkreis und der Sportkreis werden unterstützt vom Institut für Kooperative Planung und Sportentwicklung. Das hat zunächst einmal den Ist-Zustand ermittelt. Drei Umfragen wurden durchgeführt: unter den Sportvereinen, in Schulen und Kindergärten sowie unter 8000 zufällig ausgewählten Bürgern. Die Ergebnisse wurden Ende vergangenen Jahres vorgestellt. Darauf aufbauend formulierten Vertreter des Sportkreises und der Sportförderung Leitziele der künftigen Arbeit.
Was haben diese Umfragen ergeben?
Heraus kamen im Grunde genommen keine großen Überraschungen. Im Vogelsberg gibt es zahlreiche Klein- und Kleinstvereine im Sportbereich. Sie, aber auch die größeren Vereine haben Probleme, neue Mitglieder und Ehrenamtliche zu gewinnen, sie an den Verein zu binden, sie müssen sich gegenüber konkurrierenden Vereinen oder aber gewerblichen Anbietern behaupten. Was die Sportstätten angeht, gibt es ganz unterschiedliche Bewertungen – und zwar abhängig von der Jahreszeit. Die Anzahl der Sportanlagen wird im Sommer überwiegend positiv bewertet. Im Winter hingegen bewertet rund die Hälfte der Vereine die Anzahl der Sportstätten nur noch mit ausreichend/mangelhaft.
Die meisten Schulen sind mit den Sportanlagen mehr als zufrieden: Fast drei Viertel bezeichnen die Situation als gut oder sehr gut. Die Schulhöfe kommen nicht ganz so gut weg, hier besteht offenbar Nachholbedarf hin zu einem bewegungsfreundlichen Angebot.
Die Bürgerbefragung ergab: Der Vogelsberger bewegt sich gerne, die Studie spricht von einem „hohen Grad an sportlicher Aktivität“. Hoch im Kurs stehen Gymnastik und Fitnesstraining, Laufsport und Radsport. Die meisten sportlichen Aktivitäten werden im privaten Rahmen organisiert, bei den Institutionen ist der Sportverein (noch) die Nummer eins. Heraus kam auch, dass die Oberhessen flexibel sind: Laut Studie gibt es eine „große Bereitschaft, Sportanlagen in Nachbargemeinden“ zu nutzen. Wenn sich die Freizeitsportler etwas wünschen könnten, dann stehen Bäder, Freiflächen, Rad- und Laufwege ganz oben auf der Liste.
Wie geht es - basierend auf diesen Erkenntnissen – nun also weiter?
Vertreter von Sportkreis und Sportförderung haben Vorarbeit geleistet. Sie haben sogenannte Leitziele formuliert. So soll es in jeder Gemeinde mindestens eine offen zugängliche Freizeitsportmöglichkeit sowie eine „bedarfsorientierte Endversorgung mit Sportanlagen“ geben. Besondere Sportanlagen wie wettkampftaugliche Hallen oder Kunstrasenplätze sollen interkommunal finanziert und genutzt werden, die Rolle des Sportkreises als Unterstützer und Berater der Vereine sollte ausgebaut werden.
Jetzt beginnt der Diskussionsprozess mit den Vertretern von Vereinen und Institutionen. Das heißt: Er hat bereits begonnen – bei einem ersten Workshop in Alsfeld in der Geschwister-Scholl-Schule. Insgesamt vier solcher ganztägiger Treffen gibt es in den unterschiedlichen Regionen des Kreises. Da können sich alle einbringen, die an Sport und Bewegung interessiert sind. Fast 50 Vertreter von Vereinen, Schulen, Verwaltung und Sportkreis waren beim Auftakt in Alsfeld dabei und diskutierten über die Sportentwicklung in den nächsten zehn bis 15 Jahren.
Und was wünschen sich die Vereinsvertreter?
Wünsche gibt es viele – von der Skateranlage über eine Turnhalle in Grebenau bis hin zu einer Calisthenics-Anlage reichten die Vorschläge. Bedarf wurde zudem gesehen für eine zusätzliche 3-Feld-Sporthalle in Alsfeld, die interkommunal genutzt werden soll. Mit den Kunstrasenplätzen in Alsfeld und Brauerschwend ist der Raum gut versorgt, aber durchaus sahen die Teilnehmer des Workshops die Notwendigkeit, in anderen Regionen des Kreises nachzusteuern. Der Bau eines weiteren Hallenbades wurde als wünschenswert eingestuft, alternativ zumindest zusätzliche Nutzungszeiten für Schulen und Vereine im vorhandenen Bad gefordert.
Aber auch Unterstützung in Rechtsfragen, Steuerangelegenheiten und bei der Organisation der Vereinsarbeit stehen auf der Wunschliste. Dies könnte auch in Form eines vom Sportkreis organisierten regelmäßigen Austausches (runder Tisch) in der Region geschehen, bei dem Wissen und Erfahrungen untereinander geteilt und Barrieren, die einer Zusammenarbeit im Weg stehen, abgebaut werden.
Werden diese Wünsche nun auch tatsächlich umgesetzt?
Bei diesem ersten Treffen der Region Nord rund um Alsfeld ging es erst einmal darum, Ideen und Vorschläge von denen abzufragen, die sich im Sport engagieren. Die nächsten Termine in Lauterbach, Grebenhain und Homberg im Mai werden zeigen, ob die Ergebnisse der Region Nord auf die anderen Regionen des Kreises übertragen werden können. Danach wird die Arbeitsgruppe aus allen Kommunen und dem Sportkreis die Ideen zusammentragen. „Welche Projekte tatsächlich realisiert werden, das hängt natürlich auch von den Finanzen der Städte, Gemeinden und des Kreises ab. Und weil die finanziellen Spielräume begrenzt sind, „werden wir alle um mehr Zusammenarbeit – interkommunal wie vereinsübergreifend – in Zukunft wohl nicht herumkommen“, zeigt sich Landrat Manfred Görig überzeugt.