Doch zunächst ist es „offiziell“. Begrüßung durch Dr. Peter Mattheis, er ist alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer, im Bürobereich im ersten Stock. „Das ist ja der Hugo“, freut sich der Landrat, „der war früher auch schon da.“ In der Tat: Hugo Schmidt ist zwar längst in Rente, kommt aber immer noch jeden Tag in die Firma. Im Frühjahr konnte er sein 60-jähriges (!) Arbeitsjubiläum begehen. Er war dabei, als Manfred Görig an seinem allerersten Arbeitstag Gummifüßchen in Gehäuse drehen musste. „Es war ein Freitag damals, war nur ein halber Tag, war nicht so schlimm“, lacht Görig.
In den nächsten zweieinhalb Stunden werden noch eine Reihe dieser Geschichten erzählt, gibt es das ein oder andere Déjà-vu. Unten in der Werkshalle. Oder im Frühstücksraum im Keller. „Hier habe ich immer gesessen“, sagt Görig und geht zielgerichtet auf seinen alten Platz zu. Eine Viertelstunde hatte er Zeit, sein Brot zu essen, dann ertönte die Klingel und es ging wieder hoch in die Fertigungsräume. Und in der Mittagspause musste der Lehrling los, Essen holen für die Gesellen. Der Chef durfte natürlich nichts mitbekommen. „Da habe ich mich immer rausgeschlichen“, deutet Manfred Görig auf eine Tür, ein wenig verborgen in einer Nische. Dann zeigt er auf die Tränke, in die die Trafos, die bei Gass gewickelt werden, auch heute noch getaucht werden, um sie zu versiegeln. Einer der schweren Transformatoren war dem jungen Lehrling damals ins Becken gerutscht, zum Glück verletzte er sich nicht ernsthaft. Der Blaumann war allerdings hin. „Es war eine schwere Arbeit“, sagt Manfred Görig rückblickend und wird ernst. „Die großen Trafos mussten wir immer wieder hochheben.“ Auch sonst blieb für die Lehrlinge die Arbeit, die keiner so gerne machte: den großen Ofen sauber machen oder das Lager unten im Keller.
„Es war eine andere Zeit“, pflichten ihm die „Alten“ in der Runde bei. Neben Hugo Schmidt sind alle, die an diesem Nachmittag mit dem Landrat durch die Hallen gehen, schon seit Jahrzehnten bei Gass. „Wir setzen bewusst auf die Erfahrung der älteren Mitarbeiter“, sagt Geschäftsführer Dr. Mattheis. „Mit jedem Jahrzehnt werden sie schlauer“, schmunzelt er und schiebt nach: „Gerade unsere älteren Mitarbeiter sind sehr gut, sie arbeiten sehr präzise, sie sind die Besten.“ Die jüngeren Mitarbeiter können sich so viel von ihnen abgucken, vom Knowhow der älteren Generation nur profitieren.
Knapp 40 Mitarbeiter sind es insgesamt bei Gass. Seit 1946 gibt es die Firma in Alsfeld. „Wir haben uns stabil gehalten“, sagt der Geschäftsführer, auf die Stärken konzentriert. „Diese Spezialisierung hat sich bewährt.“ Heute werden in der Firma vorwiegend Transformatoren, Drosseln und Filter hergestellt. Die Kunden kommen aus ganz Deutschland, aus dem europäischen Ausland, aus den Staaten oder aus Asien. In wenigen Monaten wird die Firma übrigens die alte Betriebsstätte in der Hersfelder Straße verlassen und ein neues Gebäude im Alsfelder Industriegebiet Elpersweide beziehen.
Mit dabei sind dann auch schon die zwei neuen Azubis, die im Sommer anfangen. Dann werden bei Gass insgesamt neun Lehrlinge ausgebildet. „Das hat sich bewährt“, sagt Dr. Mattheis, so kann dem Fachkräftemangel begegnet werden, die Leute können an die Firma gebunden werden.
Ein positives Fazit zieht Landrat Manfred Görig am Ende seines Besuches. Dank Spezialisierung und vor allem aber auch dank der Flexibilisierung ist es der Firma gelungen, eine Nische zu besetzen und sich am Markt zu behaupten, sagt er. Kunden schätzten, dass ihre Wünsche und Bestellungen bei Gass schnell umgesetzt werden. „Das macht unseren Mittelstand im Vogelsberg insgesamt aus, wir sind breit aufgestellt, wir sind flexibel und wir machen gute Arbeit“, lobt der Landrat und wünscht der Firma eine weiterhin gute Entwicklung am neuen Standort in der Elpersweide.