Der Preis: „International Architecture Award“ für Landmark-Projekt in Algier
Seit 2004 organisiert das Chicago Athenaeum Museum of Architecture and Design gemeinsam mit dem European Center for Architecture Art Design and Urban Studies und Metropolitan Arts Press, Ltd. die „International Architecture Awards“, um die besten und bedeutendsten Neubauten, Landschaftsarchitektur- und Planungsprojekte zu würdigen, die von den weltweit führenden Stadt- und Landschaftsplaner*innen entworfen oder gebaut wurden. In diesem Jahr ist auch die aus der Feder von KSP Engel stammende Große Moschee Algier unter den Preisträgern.
Die „Djamaâ el-Djazaïr“, arabisch für Moschee von Algerien, wurde 2020 fertiggestellt und im Herbst letzten Jahres erstmals für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Als Freitagsmoschee ist sie für bis zu 120.000 Besucher*innen konzipiert und gilt als die drittgrößte Moschee der Welt. Neben der Architektur von KSP Engel wurden auch die Landschaftsplanung von Rainer Schmidt Landschaftsarchitekten und die Tragwerksplanung von KREBS+KIEFER International gewürdigt.
Die Moschee: Gemeinschaftswerk der Superlative aus drei Kulturkreisen
Nach den islamischen Pilgerstätten in Mekka und Medina ist sie die drittgrößte Moschee der Welt. Sie hat mit 265 Metern das weltweit höchste Minarett. Der Gebetssaal fasst an religiösen Feiertagen bis zu 36.000 Menschen. Der Gesamtkomplex bietet Platz für bis zu 120.000 Besucher und umfasst neben Gebetssaal und Minarett weitere Einrichtungen wie ein Museum mit Forschungszentrum für Islamische Kunst und Geschichte, ein Konferenzzentrum, eine Bibliothek, eine theologische Hochschule, Apartments und Infrastrukturgebäude.
Der Sakralbau in der Bucht von Algier ist ein Gemeinschaftswerk von Architekten, Ingenieuren und Bauleuten aus drei Kulturkreisen: Europa, Nordafrika und China. Die Gesamtanlage auf dem 26 Hektar großen Grundstück wurde im Auftrag der algerischen Regierung errichtet. Konzipiert wurde die Moschee von deutschen Planern, einer Arbeitsgemeinschaft von KSP Engel und der Ingenieurgesellschaft KREBS+KIEFER International. Nachdem der architektonische Entwurf von KSP Engel im Jahr 2008 im internationalen Wettbewerb gewann, erhielt die Arbeitsgemeinschaft auch den Auftrag für die Generalplanung des Großprojekts. Im Beisein der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und des damaligen algerischen Präsidenten fand im Juli 2008 die Vertragsunterzeichnung statt – der offizielle Auftakt für die Planungsarbeit. Mit der Realisierung des Großprojektes mit einer Bruttogrundfläche (BGF) von insgesamt rund 400.000 Quadratmetern wurde als Generalunternehmer die größte chinesische Baufirma CSCEC beauftragt. Anfang 2012 begannen die Bauarbeiten zur Djamaâ el-Djazaïr.
Algeriens Regierung will mit einer Reihe von Großprojekten die Modernisierung und die Erneuerung des Landes sichtbar machen. Neben Universitäten, Schulen, Infrastruktur- und Verkehrsbauten wie dem neuen Flughafen von Algier zählt auch die Große Moschee zu diesen Projekten.
„Bei der Betrachtung des Standortes war uns sofort klar, wie wichtig die Auseinandersetzung mit den lokalen Gegebenheiten ist: die Nähe des Meeres, die starke Sonneneinstrahlung, die Bergketten, die die Bucht von Algier vom Hinterland mit der Wüste trennen. Wir haben diese Großform gewählt, um dem Bau, der zwischen dem Meer und den Bergen liegt, eine starke Präsenz zu verleihen.“ reflektiert Jürgen Engel, Architekt, die Vorgehensweise zu Beginn des Entwurfs- und Planungsprozesses.
Das Ziel: die selbstbewusste Symbiose aus maghrebinischer Bautradition und europäischer Moderne
Der Entwurf überzeugte nicht nur im internationalen Architekten- und Generalplaner-Wettbewerb, sondern lieferte auch eine Antwort auf die Frage, wie eine Moschee heute gebaut werden sollte. Das Büro hat den Bautypus der Pfeilerhallen-Moschee neu interpretiert, der im Maghreb weit verbreitet ist. Als Freitagsmoschee ist die Große Moschee nicht nur Mittelpunkt in religiösen Angelegenheiten, sondern auch Zentrum des sozialen und gesellschaftlichen Lebens. Innerhalb des Komplexes befinden sich – ähnlich einem Stadtzentrum – auch weltliche, öffentliche Nutzungen wie Geschäfte, Teestuben und eine Cinemathek mit vier Vorführungssälen. Diese Orte, an denen Menschen zusammenkommen und sich aufhalten können, beleben das Moscheebauwerk. Ein weitläufiger Park verbindet den 600 Meter langen Hauptkomplex mit dem benachbarten Kongresszentrum, der Bibliothek und der theologischen Hochschule. Für die Konzeption der Großen Moschee war der Garten von Beginn an wesentlicher Teil der Planung. Der Entwurf dazu stammt aus Deutschland, von dem in München ansässigen, international tätigen Büro Rainer Schmidt Landschaftsarchitekten und Stadtplaner.
Basierend auf einer klaren Struktur gliedert sich der Hauptkomplex mit Gebetssaal in vier aneinander gereihte Quadrate mit je einer Grundfläche von rund 145 x 145 Metern. Sie bilden eine hierarchisierte Raumfolge: In linearer Anordnung in Richtung Mekka folgen auf den offenen Platz mit Eingangskollonaden (Loggia) und Blick in Richtung Meer der Vorplatz (Esplanade), der zu den sakralen Nutzungen überleitet wie Vorhof (Cour) und Gebetssaal (Salle de Prière). Der gemeinsame Sockel beherbergt eine Tiefgararge mit ca. 4.000 Stellplätzen und schafft als erhöhte Plattform eine klare Trennung zur parallel verlaufenden, mehrspurigen Schnellstraße.
Die Inspiration: Die Flora des Kontinents und die Kultur des Landes
Gestalterisches Leitmotiv des Ensembles ist eine schlanke Säule mit weitauskragendem Kapitell. Sie findet sich in allen Bereichen wieder. Ihre Form und Proportion sind inspiriert von der in Afrika heimischen Calla-Pflanze (Zantedeschia). Diese floralen Säulen – insgesamt sind es 618 Stück – sind je nach Funktion und Anforderungen in unterschiedlichen Höhen und Ausführungen verbaut. Sie dienen als zentrales Verbindungselement aller Bereiche des Ensembles. Auch der große Gebetssaal mit zentraler Kuppel wird im Inneren durch Säulenreihen gegliedert, die hier eine Höhe von bis zu 45 Metern erreichen. Die Säulen dienen auch technischen Anforderungen wie der Belüftung, Entwässerung der Dachflächen und Verbesserung der Raumakustik durch ihre großen Kapitellflächen. Als historische Referenz diente die Mezquita-Catedral von Córdoba. Deren enge Stützenreihen untergliedern den Gebetssaal und machen dennoch den Raum in seiner Größe erfahrbar. Die Gestaltung des Komplexes basiert auf der Auseinandersetzung der Architekten mit den lokalen Gegebenheiten.
„Die Farbe und Materialität der Wüste drückt sich im sandfarbenen Naturstein aus (Travertin). Die üppige Vegetation in Algerien haben wir mit der floralen Stütze interpretiert, die mit ihren kelchförmigen ‚Calla‘-Kapitellen als verbindendes Element den gesamten Komplex prägt.“ erläutert Jürgen Engel seine Wahl der Materialien und Formen.
Das Minarett: ein modernes Hybridhochhaus mit Aussichtsplattform
Weithin sichtbare Landmarke des Komplexes ist neben der Kuppel, die an ihrer Basis einen Durchmesser von 50 Metern misst und an ihrem Scheitelpunkt eine Höhe von 70 Metern erreicht, das 265 Meter hohe Minarett. Es ist nicht nur das derzeit höchste Hochhaus Afrikas, sondern auch das höchste Minarett der Welt. Der schlanke Turm folgt einerseits der Bautradition des Maghreb: asymmetrisch aus der Achse gerückt fußt er auf einer quadratischen Grundfläche. Andererseits nimmt er als erstes Minarett der Welt unterschiedliche Funktionen auf und gleicht damit einem modernen Hybridhochhaus. Neben einer Aussichtsplattform in der verglasten Turmspitze (Sommah) befinden sich im Turm auch ein Museum inklusive Forschungszentrum, Bürobereiche und Skylobbies. Sie dienen ebenfalls als Aussichtspunkte und gliedern den Turm optisch in fünf Segmente analog den fünf Säulen des Islam.
Die besondere Herausforderung: Erdbebenschutz in dieser Größe einmalig
Das 265 Meter hohe Minarett liegt in einem Gebiet mit hoher seismischer Aktivität. Um die Standsicherheit des sehr schlanken Turms mit seiner geringen Grundfläche von 28 auf 28 Meter zu gewährleisten, ist dieser ca. 50 Meter tief im Boden auf einem Raster von 1,20 Meter starken Betonwänden verankert. Die Tragstruktur des Hochhauses ist eine Verbundkonstruktion aus Stahl und Beton, die den Belastungen aus Erdbeben optimal standhält.
Die Erdbebensicherheit des Gebetssaals wird durch seine Lagerung auf seismischen Isolatoren erzielt. Sie sorgen dafür, dass das Bauwerk sich im Erdbebenfall in alle Richtungen bewegen kann und so weitestgehend von den Erdstößen abgekoppelt wird. Die außergewöhnlichen Dimensionen der Bauwerke, die Belastungen aus Klima und Erdbeben, sowie die lokalen Grenzen der Bautechnik und der Baumaterialien waren die größten Herausforderungen, die es für die Architekt*innen und Ingenieur*innen zu bewältigen galt.
Short Story
1. Die Große Moschee Algier von KSP Engel erhält den "International Architecture Award 2021".
2. Der Bau der Superlative ist eine selbstbewusste Symbiose aus maghrebinischer Bautradition und europäischer Moderne.
3. Die Freitagsmoschee ist sowohl Mittelpunkt in religiösen Angelegenheiten, als auch urbanes Zentrum des sozialen und gesellschaftlichen Lebens.
4. Der Sakralbau ist als ein Gemeinschaftswerk von Architekten, Ingenieuren und Bauleuten aus drei Kulturkreisen entstanden: Europa, Nordafrika und China.
5. Die Erbebensicherheit des Gesamtkomplexes mit dem Minarett als höchstes Gebäude Afrikas ist in dieser Größenordnung einmalig.
Projektdaten
Auftraggeber: ANARGEMA: Agence Nationale de Réalisation de Gestion de la Mosqueé d'Algérie
Architekt: Jürgen Engel, KSP ENGEL
Generalplaner: Arbeitsgemeinschaft KSP ENGEL mit KREBS+KIEFER International
BGF (Gesamtfläche): ca. 400.000 m²
Höhe Minarett: 265 m
Wettbewerb: 01/2008, 1. Preis
Grundsteinlegung: 31.10.2011
Baubeginn: Anfang 2012
Fertigstellung: 2020
Öffnung Gebetssaal: 28.10.2020 (Feiertag Mawlid an-Nabi, Geburt des islamischen Propheten Mohammed) 6.11.2020, anlässlich des Freitagsgebets ist der Gebetssaal zum ersten Mal für die Öffentlichkeit zugänglich