Verlängerung: Pieces und Flux4Art bis 19/02
Die aktuell laufenden Ausstellungen Pieces von Hana Miletić und FLUX4ART werden noch bis 19. Februar gezeigt.
What is it Like to be a Bat?
Laufzeit: 16. März 2023— 04. Juni 2023
Ist Objektivität möglich, oder ist unsere persönliche Perspektive unausweichlich? Die Ausstellung What is it Like to be a Bat? bringt Werke von vier Künstler*innen(kollektiven) zusammen, die sich damit befassen, wie Realität produziert wird, und dabei unseren Blick auf Dinge in Welt und Wissenschaft lenken, die wir nicht wissen und fassen (können). Ihre Mittel sind Kunst, Design und Forschung. Nicht wissenschaftliche Fakten stehen im Fokus, sondern unsere Emotionen darin.
Ist Objektivität möglich, oder ist unsere persönliche Perspektive unausweichlich? Diese Frage stellte der Philosoph Thomas Nagel in seinem Text von 1974 "What is it Like to be a Bat?". Nagel verwendet Fledermäuse als Metapher, um die Unterschiede zwischen subjektivem und objektivem Bewusstsein zu verdeutlichen. Er argumentiert, dass wir Menschen, auch wenn wir alles Erdenkliche über das Funktionieren von Fledermäusen erforscht und experimentell bewiesen haben, uns immer nur vorstellen können, wie es wäre, sich wie eine Fledermaus zu verhalten, dass es aber unmöglich ist, zu begreifen, wie es ist eine Fledermaus zu sein, sie also auf einer bewusstseinsbezogenen Ebene vollständig zu verstehen. Mit anderen Worten: Es gibt keine Wahrheit, nur das, was für einen selbst wahr ist. Nagel glaubt an die Existenz von Tatsachen, die wir nicht in der Lage sind zu begreifen.
Dort, wo die Wissenschaft an die Grenzen des Greifbaren rückt, vermitteln und spekulieren diese künstlerischen Ansätze und forschen weiter. Die Werke in der Ausstellung bringen die Ebene von Emotionen und Erleben in die Diskussion. Sie lassen über die Grenzen des menschlichen Apparatus und mehr-als-menschliches Bewusstsein nachdenken oder auch über die Differenz, die zwischen Verstehen und Verkörpern liegt. Sie fragen, wie sich Realität konstituiert, wie alternative Wissenssysteme und Natur Quellen von Erkenntnis sind. Aus gegenwärtiger Perspektive lassen sich Nagels Überlegungen als Aufforderung lesen, uns gegenüber anderem Leben und anderen Bewusstseinsformen respektvoller und bescheidener zu verhalten.
Mit Arbeiten von Metahaven (Vinca Kruk & Daniel van der Velden, leben und arbeiten in Amsterdam), Zheng Mahler (Daisy Bisenieks & Royce Ng, leben und arbeiten auf Lantau, Hongkong), u.w.
Olga Fröbe-Kapteyn – Anderes Wissen
Laufzeit: 29. Juni 2023—17.September 2023
Wir leben in einer Zeit, in der sich viele Weichen neu stellen. Über Generationen hat sich das westliche Denken im Zeichen von Expansion, Rationalität und Ausbeutung seine Vormachtstellung gesichert. Doch angesichts der Umwelt am Rand des Zerfalls und sozialer Ungerechtigkeiten nie dagewesenen Ausmaßes zeigen sich Maximen, die lange als unantastbar galten, als überholt. Der Ruf nach Alternativen ist laut und notwendig. Denker*innen, Aktivist*innen, Kunstschaffende und Forscher*innen fragen, wie eine lebenswerte und gerechtere Zukunft aussehen könnte. Die Suche führt nicht selten in die Vergangenheit und da wiederum zu jenen Kapiteln der Geschichtsschreibung, die lange als unwichtig erachtet oder gar ausgelöscht wurden: alternative Wissenssysteme, indigene Lebensweisen, ganzheitliche Kosmologien, usw. Auch in der Kunst gelangen Positionen an die Oberfläche, die aufgrund ihrer sozio-kulturellen Kontexts, ihres Geschlechts oder ihrer Ethnie ausgegrenzt wurden. Als Außenseiter*innenkunst, Kunsthandwerk, rituelle Artefakte oder Forschungspraxis fanden sie keinen Platz im allgemeinen Kunstdiskurs.
Olga Fröbe-Kapteyn (geb. 1881, London, Großbritannien; gest. 1962, Ascona, Schweiz) ist eine solche Position. Ihr Leben als Frau, Forscherin, Spiritualistin und Künstlerin ist faszinierend. In den kulturell und politisch widrigen Jahren vor dem zweiten Weltkrieg vermittelte Fröbe-Kapteyn zwischen westlichen und östlichen Ansätzen der Wissensproduktion, setzte sich mit Theosophie und ostasiatischer Philosophie auseinander, legte ein riesiges Bildarchiv an und förderte den Austausch zwischen verschiedenen Disziplinen, viele Jahrzehnte bevor Transdisziplinarität in aller Munde war. Ihr bildnerisches Werk, die geometrisch-kraftvollen „Meditationstafeln“ und die später auf Papier festgehaltenen malerischen Visionen, sind Teil dieser Praxis und bringen die Eigenart und Unabhängigkeit von Fröbe-Kapteyns Schaffen zum Ausdruck. Sie sind, wie auch die Gründung der internationalen Eranos-Konferenzen in Ascona, Ausdruck von Fröbe-Kapteyns Streben, esoterisches, humanistisches und wissenschaftliches Wissen zu vereinen.
Die Ausstellung in der Kunsthalle Mainz zeigt Olga Fröbe-Kapteyns Wirken aus der Perspektive der Gegenwart. Zeitgenössische Kunstschaffende präsentieren an ihrer Seite neueste Arbeiten und schlagen eine Brücke ins Heute. Sie zeigen, wie sich anhand Fröbe-Kapteyns Fragestellungen alternative Modelle der Wissensproduktion erkunden lassen, und zwar über die Grenzen von Kulturen und Disziplinen hinweg. Viele Künstler*innen denken über die Funktionen und Wirkungen nach, die von Bildern ausgehen können. Für solche Beschäftigungen stellen Fröbe-Kapteyns Arbeiten, mit denen sie spirituelle und wissenschaftliche Ideen erforschte, eine Inspirationsquelle dar.
SAMMY BALOJI – Kasala: The Slaughterhouse of Dreams or the First Human, Bende's Error in Boycotting the Creation
Laufzeit: 12. Oktober 2023—21. Januar 2024
Seit 2005 beschäftigt sich Sammy Baloji (*1978 in Lubumbashi, lebt und arbeitet in Brüssel) mit der Erinnerung und Geschichte der Demokratischen Republik Kongo, die in engem Bezug zu Vergangenheit und Gegenwart Belgiens steht. Seine Arbeit ist eine fortlaufende Untersuchung des kulturellen, architektonischen und industriellen Erbes der Region Katanga und hinterfragt die Auswirkungen der belgischen Kolonisierung. Durch die Verwendung von Fotoarchiven manipuliert er Zeit und Raum und vergleicht koloniale Erzählungen mit dem heutigen Wirtschaftsimperialismus. Seine Videoarbeiten, Installationen und Fotoserien zeigen, wie Identitäten geformt, verändert, pervertiert und neu erfunden werden. Sein kritischer Blick auf die zeitgenössischen Gesellschaften ist eine Warnung davor, wie kulturelle Klischees fortwährend das kollektive Gedächtnis prägen und somit soziale und politische Machtspiele weiterhin das menschliche Verhalten diktieren können. Wie er kürzlich in einem Interview erklärte: „Ich interessiere mich nicht für den Kolonialismus als Nostalgie oder als eine Sache der Vergangenheit, sondern dafür, wie dieses System fortgeführt wird.“
Das Ausstellungsprojekt in der Kunsthalle Mainz ist zugleich Ergebnis und Fortsetzung einer Reihe von Arbeiten, die aus Sammy Balojis kontinuierlicher Forschung zu Wahrsagerei, Erinnerung und mündliche Überlieferung innerhalb der Luba-Gemeinschaften, einem Überbegriff für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen, die Sprachen und kulturelle Merkmale teilen, hervorgegangen sind. Zu der Ausstellung sind u.a. in Zusammenarbeit mit lokalen Partnerinstitutionen Postkoloniale Rundgänge geplant, die den Stadtraum Mainz in Bezug auf die Themen der Ausstellung befragen.
Laufend aktualisierte Informationen zu den Ausstellungen und dem Begleitprogramm finden Sie auf unserer Webseite www.kunsthalle-mainz.de