Mit
Sammy Baloji
Nilla Banguna
Jackson Bukasa & Dan Kayeye & Justice Kasongo
Sybil Coovi Handemagnon
Fundi Mwamba Gustave & Antje Van Wichelen
Franck Moka
Hadassa Ngamba
Isaac Sahani Dato
Georges Senga
Julia Tröscher
Basierend auf einem Konzept von Lotte Arndt & Sammy Baloji, ko-kuratiert von Lotte Arndt, Yasmin Afschar und Marlène Harles, in Zusammenarbeit mit Picha, Lubumbashi, Framer Framed, Amsterdam und Reconnecting "Objects" (Technische Universität Berlin)
27/10/2023 – 11/02/2024
Presserundgang
Do 26/10
11 Uhr
Ausstellungseröffnung
Do 26/10
19 Uhr
In seiner künstlerischen Arbeit untersucht Sammy Baloji die Geschichte des Bergbaus in seiner Heimatstadt Lubumbashi im Südosten der Demokratischen Republik Kongo. Dabei setzt er den tiefgreifenden Zerstörungen der Umwelt und der sozialen Strukturen die Erinnerungen und Hoffnungen der Menschen in der Region Katanga entgegen. Die Zusammenarbeit mit Kunstschaffenden, Aktivist*innen und Akademiker*innen sowie die Zusammenführung vieler Formen von Wissen und Produktion sind wesentliche Bestandteile seiner künstlerischen Praxis. Seine Einladung an zwölf Künstler*innen, mit denen er in der Demokratischen Republik Kongo oder in Europa im Austausch steht, ist eine Fortsetzung dieser Entwicklung kollektiver Strukturen, die er als Strategie des Widerstands gegen den Extraktivismus, einer Wirtschaftsform, die Menschen und Umwelt ohne Rücksicht auf die Konsequenzen als bloße Ressourcen behandelt, versteht.
Gemeinsam entwickeln die vertretenen Künstler*innen immer neue Formen und Kooperationen, um sich den Auswirkungen des Extraktivismus zu widersetzen. Sie stellen unterbrochene Wissensketten wieder her, beleuchten die Konsequenzen des globalen Konsumverhaltens und der wirtschaftlichen Profitmaximierung, und rücken die Menschen in den Fokus. Die Vielstimmigkeit der Ausstellung führt die langjährige Arbeit der Künstler*innen und Kulturschaffenden im Umfeld von Sammy Baloji zur Entwicklung kollektiver Strukturen in Lubumbashi fort. In ihrem Zentrum steht Picha, eine unabhängige Plattform die von kongolesischen Künstler*innen getragen wird, und die unter anderem die Lubumbashi Biennale ausrichtet. Die in der Kunsthalle gezeigten Arbeiten wurden von den Künstler*innen im Rahmen dieser Strukturen, Picha und der Lubumbashi Biennale oder in Zusammenarbeit mit Framer Framed Amsterdam sowie dem Forschungsprojekt Reconnecting „Objects” entwickelt und werden erstmals in Deutschland gezeigt.
Sammy Baloji: Geboren 1978 in Lubumbashi (DRC), lebt und arbeitet in Brüssel (B) und Lubumbashi. Sammy Baloji forscht derzeit zu Erinnerung und Überlieferung in Luba-Gemeinschaften in verschiedenen Provinzen des Kongo. Dabei interessiert er sich für zeitgenössische Interpretationen traditioneller Formen und Objekte. So etwa das lukasa, ein dekoriertes Holzobjekt, das als eine taktile Gedächtnisstütze bei der Erzählung von Geschichten zum Einsatz kommt. Mit einer monumentalen Skulptur im öffentlichen Raum in Antwerpen bezieht sich Sammy Baloji auf diese Tradition. In anderen Arbeiten wird ein kasala performt, ein zeremonielles Gedicht mit genealogischen Elementen. Sammy Baloji‘s Arbeiten umfassen verschiedene Medien: von Fotografie und Collage, über Skulptur, Installation, und neue Medien bis zu gesprochenem Wort und Musik. Sein Werk verdichtet komplexe Fragen zu (post-)kolonialer Geschichte. Er nutzt das Archiv, das Museum und Film als Prismen, um diese Konstrukte zu analysieren und in sie einzugreifen. Dabei verschränkt er sie mit zeitgenössischen Diskussionen über Restitutionund Repräsentation.
Nilla Banguna: Geboren 1990 in Lubumbashi (DRC), lebt und arbeitet in Lubumbashi. Nilla Banguna ist Schneiderin, Stylistin und Textildesignerin. Sie ist Initiatorin der Modemarke MusNilla, der MusNilla Tee Rezepte und des MusNilla Kataloges. 2016 nahm sie zum ersten Mal an der Lubumbashi Fashion Week teil und zeigte ihre Arbeit 2022 als Teil der 7. Lubumbashi Biennale. Im Rahmen ihrer Zusammenarbeit mit Picha arbeitet Banguna mit einer Gruppe von Frauen aus dem Dorf Makwacha (45 km von Lubumbashi). Die Frauen des Dorfs bemalen jedes Jahr die Außenwände ihrer Häuser mit Pigmenten, eine Praxis, die sie über Generationen weitergeben. Für die Ausstellung in Mainz hat Nilla Banguna in Zusammenarbeit mit Patrizia Banguna Kazadi, Josephine Kyungu Muloba, und Fernande Musha Sebelwa, Drucke auf Grundlage von Zeichnungen auf lange Stoffbahnen aufgebracht. Sie übertragen so die lokale Malerei von den Hüttenwänden auf Baumwollstoff, was den Motiven erlaubt zu reisen.
Jackson Bukasa & Dan Kayeye & Justice Kasongo: Jackson Bukasa, geboren 1985 in Kolwezi (DRC), lebt und arbeitet in Lubumbashi. Dan Kayeye, geboren 1991 in Kinshasa (DRC), lebt und arbeitet in Lubumbashi. Justice Kasongo, geboren 1976 in Lubumbashi (DRC). Jackson Bukasa und Dan Kayeye erarbeiten einen künstlerisch dokumentarischen Film zu Justice Kasongo‘s mobilen Installationen mit Marionetten. In den Installationen werden die Stadt und die Geschichte der Demokratischen Republik Kongo durch ein komplexes Zusammenspiel von Puppen, Bewegung und Musik erzählt.
Sybil Coovi Handemagnon: Geboren 1988 in Paris (F), lebt und arbeitet in Villentrois (F). Die Künstlerin entwickelt in einem über einjährigen Rechercheverfahren in enger Zusammenarbeit mit Lotte Arndt (Ko-Kuratorin des Projekts) im Rahmen des internationalen Forschungsprojekts Reconnecting "Objects" eine Installation zur Toxizität kolonialer Sammlungen. Der Begriff des Toxischen wird hier doppelt verstanden: es geht einerseits um die chemischen Rückstände von Insektiziden, mit denen die Objekte behandelt werden und wodurch sich die Verwendung der Objekte verändert. Andererseits umfasst er eine symbolische Dimension europäischer Kulturkonservierung, das Vergiften durch Bewahrung. Die Installation bringt Fotografien, Texte, Filmausschnitte zusammen, die Coovi Handemagnon bei Besuchen in den Sammlungen mehrerer ethnologischer und naturhistorischer Museen in Frankreich, Schweiz, Deutschland und Senegal angefertigt, gesammelt und zusammengestellt hat.
Fundi Mwamba Gustave & Antje Van Wichelen: Fundi Mwamba Gustave, geboren 1988 lebt und arbeitet in Lubumbashi (DRC). Er begann seine künstlerische Laufbahn als Schauspieler und Model. 2010 drehte er seinen ersten Kurzfilm Mampocha und zwei Jahre später gründete er mit Glodie Mubikay die Osimbi Oziki Studios, ein Forschungs- und Produktionslabor für audiovisuelle und darstellende Künste. Antje Van Wichelen lebt in Brüssel (B) und arbeitet seit Jahren mit experimentellen 16-mm-Filmtechniken, um koloniales, meist fotografisches Material zu erschließen und zu bearbeiten. In der Kunsthalle Mainz laden die Beiden in das Kabinett des Dr. Fundi, das fiktive Alter Ego des Filmemachers ein. Dr. Fundi ist die Hauptfigur des experimentellen Horrorfilms, an dem die Künstler*innen derzeit arbeiten. In dem Film geht es um "Monstrifizierung", ein fiktives Phänomen, das durch Umweltverschmutzung ausgelöst zu körperlichen Deformationen und monster-artigen Verhaltensweisen führt. In dieser phantastischen Geschichte zeigen die Künstler*innen die Unausweichlichkeit toxischer Lebensbedingungen auf, die sie beim Besuch hochgradig verschmutzter Zonen in der Stadt Lubumbashi erlebt haben.
Franck Moka: Geboren 1992 (DRC), lebt und arbeitet in Kisangani (DRC). Die von Franck Moka konzipierte und mit Picha entwickelte immersive Sound- und Videoinstallation Shimoko begann mit einer mehrmonatigen bibliographischen Recherche über die Umweltverschmutzung in Lubumbashi. Es besteht aus Tonaufnahmen in Minen und Reaktionen von den Menschen vor Ort auf die Verschmutzung.
Hadassa Ngamba: Geboren 1993 in Kizu (DRC), lebt in Lubumbashi and arbeitet zwischen Katanga and Kongo-Central (DRC) sowie Belgien. In der Ausstellung zeigt sie Cerveau 2 (Gehirn 2), eine mit Kaffee gefärbte Leinwand, auf der Mineralien - Malachit, Kassiterit aus Katanga, Teer, Kohle - aufgebracht sind. Bei der Arbeit handelt es sich um eine abstrakte mentale Karte: Sie hat keine Legende, keinen geografischen Bezug. Die fünf Farben - rot, gelb, grün, schwarz und blau – auf dieser rechteckigen Leinwand, verweisen auf die verschiedenen Erze und Ressourcen, die im Boden der DR-Kongo vorhanden sind, darunter Kupfer und Kobalt. Ngamba verwebt ihre Erinnerungen und Empfindungen mit kollektiven Traumata und räumlichen Darstellungen auf der Grundlage von Materialien aus kongolesischen Böden. Dabei hinterfragt sie die Verflechtungen zwischen Extraktivismus, globaler kapitalistischer Wirtschaft und deren historische Kontinuitäten
Isaac Sahani Dato: Geboren 1992 in Kinshasa (DRC), lebt und arbeitet in Kinshasa. Er schloss 2012 sein Studium der Bildhauerei am Institut des Beaux-Arts de Kinshasa ab und setzte seine Ausbildung am Institut National des Arts (I.N.A.) in Kinshasa fort. Seiner Multi-Media-Installation Topos geht eine lange Recherche zu kolonialen Landkarten voraus, die er im National Museum in Lubumbashi gefunden hat. Die Karten sind zum größten Teil durch einen Brand zerstört worden und existieren nur noch als Schnipsel. Für Mainz hat er die Details der Karten - Flüsse, Straßen, Grenzen, einschließlich der verbrannten Ränder - in Holz einlasern lassen. Dieser Arbeitsprozess erinnert an den zerstörten Zustand der Karten und an den gewaltsamen Prozess, durch den erst der Kolonialstaat, dann der Nationalstaat und internationale Unternehmen Land enteignen und neue Grenzen und Namen in die Landschaft einschreiben. Sahani Dato geht es um die Bezeichnungen von Orten, ihre Umbenennung und Aneignung durch Machthabende, sowie ihre oft vielschichtigen Bedeutungen.
Georges Senga: Geboren 1983 in Lubumbashi (DRC), lebt und arbeitet zwischen Lubumbashi und Maastricht (NL). Der kongolesische Fotograf konzentriert sich bei seinen Recherchen auf die Geschichte und die Geschichten, die sich aus Erinnerung, Identität und Tradition ergeben, und beleuchtet von dort aus Handlungen in der Gegenwart. In der Fotoserie Tshanga Tshanga resultiert dieses Interesse vorwiegend in Luftaufnahmen und Nahaufnahmen aus der Vogelperspektive, welche die landschaftlichen und sozialen Folgen des ökologischen Extraktivismus in der Demokratischen Republik Kongo thematisieren.
Julia Tröscher: Geboren 1997 in Österreich, lebt und arbeitet in Antwerpen (B). Die Künstlerin Julia Tröscher greift Sammy Balojis Auseinandersetzung mit dem kasala auf und entwirft anhand der Figur eines Fisch-Menschen eine Genealogie des Universums, die sich mit ihrer eigenen überlappt. Der Fisch-Mensch, der an die ersten Landtiere und den Übergang vom Wasser zu Land erinnert, steht gleichzeitig am Anfang und am Ende der Geschichte des Universums. Eine mit Symbolen verzierte Bank bildet die physische Verbindung zu einem vielstimmigen Gedicht, das anlehnend an das Kasala unsere Verortung in der Welt, zwischen der individuellen und kollektiven Existenz befragt.
Die Ausstellung in der Kunsthalle Mainz wird gefördert durch den Kultursommer Rheinland-Pfalz, das Bureaux des Arts Plastiques des Institut français, sowie weitere öffentliche und private Geldgeber.
Wir danken unseren Partner*innen Picha, Lubumbashi (besonders Jean-Sylvain Tshilumba Mukendi und Lucrezia Cippitelli), Framer Framed, Amsterdam, Twenty Nine studio, Brüssel und Reconnecting "Objects" (Technische Universität Berlin). Das Projekt Reconnecting "Objects” der TU Berlin wird gefördert durch die Volkswagen Stiftung. Weitere Informationen: https://www.atelierpicha.org/ https://framerframed.nl/ https://reconnecting.art
Gerne machen wir Sie auf das Veranstaltungsprogramm zur Ausstellung aufmerksam:
Kuratorinnenrundgang
Sammy Baloji und Sybil Coovi Handemagnon mit Lotte Arndt (Ko-Kuratorin der Ausstellung). In Englisch. Fr 27/10, 18 Uhr
Kosten: im Eintritt enthalten
Mainz – Postkolonial: Rundgänge für und durch die Mainzer Neustadt
Die Rundgänge Mainz – Postkolonial wollen den Menschen in Mainz einen neuen, anderen Zugang zu (ihrer) Stadt ermöglichen. Ziel ist es zu zeigen, dass Mainz in den Kolonialismus verwickelt war, seine Spuren sichtbar zu machen und für deren Fortwirken zu sensibilisieren. Der Begriff „postkolonial“ verweist darauf, dass Kolonialismus nicht lediglich eine vergangene Epoche der Eroberung ist. Es handelt sich um ein System von Macht, Unterdrückung und Ausbeutung, dessen Strukturen Einfluss auf unser gegenwärtiges Leben ausüben. In der Mainzer Neustadt gibt es von Straßen- und Ortsnamen wie dem Sömmeringplatz und dem Adenauer-Ufer bis um Mainzer Zollhafen zahlreiche Beispiele, die wir gemeinsam kritisch erkunden wollen.
Rundgänge in deutscher Sprache: 28/10, 02/11, 12/11, 09/12 14/01, 18/02 - Jeweils um 15 Uhr
Rundgang mit Gebärdensprachendolmetscher*in: 25/11, 14 Uhr
Rundgang in französischer und englischer Sprache: 26/01, 15.30 Uhr
Die Teilnahme am Rundgang ist kostenlos. Treffpunkt: Kunsthalle Mainz, Max. Teilnehmer*innenzahl: 25
Wir bitten um Anmeldung bis drei Tage vor dem Rundgang unter mail@kunsthalle-mainz.de.
Reflexionen
Feministischer Rundgang mit Sakhile Matlhare (Sakhile&Me, Frankfurt) und Marlène Harles (Kuratorin Kunsthalle Mainz). In Englisch.
Mi 13/12, 19 Uhr
Kosten: im Eintritt enthalten
Kuratorinnenrundgang
Mit Yasmin Afschar und Dr. Boniface Mabanza Bambu
Mi 10/01, 19 Uhr
Kosten: im Eintritt enthalten
Bénédicte Savoy & Sammy Baloji
Vorträge und Diskussion mit der Kunsthistorikerin und Mit-Verfasserin des Restitutionsberichts an die französische Regierung (2017) Bénédicte Savoy (TU Berlin) und Sammy Baloji, an der Hochschule für Bildende Künste – Städelschule in Frankfurt.
Do 25/01, 19 Uhr
Kosten: Eintritt frei / Ort: Städelschule
Transmission Through Transformation
Am 26. und 27. Januar 2024 laden die Kunsthalle Mainz und ihre Kooperationspartner* innen zu zwei Tagen mit öffentlichen Vorträgen, Künstler*innenrundgängen, Werkstattgesprächen, Musik und Performances ein. Im Austausch mit den beteiligten Kunstschaffenden, Partner*innen und Besuchenden diskutieren und erproben wir Überlieferung als lebendige Praxis und als Strategie zur Wiederherstellung unterbrochener Wissensketten.
Fr 26/01, 15.30 Uhr Mainz – Postkolonial: Rundgang für und durch die Mainzer Neustadt in französischer und englischer Sprache mit anschließender Möglichkeit zum Ausstellungsbesuch in der Kunsthalle Mainz
Sa 27/01
11 Uhr Öffentliches Programm für Klein und Groß in der Kunsthalle Mainz
Künstler*innenrundgänge, Panels, Werkstattgespräche, Performances und Musik: Mit Sammy Baloji, Nilla Banguna, Sybil Coovi Handemagnon, Fundi Mwamba Gustave & Antje Van Wichelen, Franck Moka, Hadassa Ngamba, Isaac Sahani Dato, Georges Senga und Julia Tröscher. Sowie zahlreichen Partner*innen: Atelier Picha, Lubumbashi / Framer Framed, Amsterdam / Reconnecting „Objects“ (TU Berlin) / Kunsthochschule Mainz / Hochschule für Bildende Künste–Städelschule, Frankfurt / Institut für Ethnologie und Afrikastudien, JGU Mainz / Hochschule für Gestaltung, Offenbach am Main
Das ausführliche Programm wird zeitnah auf unserer Homepage bekanntgegeben.Die Teilnahme am Programm ist kostenlos. Diese Veranstaltung wird u. a. unterstützt von der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz.