Mit einem Überblick aus rund 80 meist grossformatigen Gemälden, die zwischen 1950 und 1970 entstanden, zeigt das Kunsthaus Zürich, wie sich die europäische Pop Art definiert. Ihr Merkmal ist weniger ein gemeinsames Formenrepertoire, als vielmehr das ironische oder humorvolle, kritische, bisweilen subversive und selten naive Jonglieren mit Pop-Attitüden.
POP IST EIN PRODUKT DER INTERNATIONALISIERUNG
Die aktuelle europäische und die amerikanische Kunst erreichen in den späten fünfziger Jahren ein Niveau der Gemeinsamkeit, das vorher nicht denkbar war. Grund sind die historischen Ereignisse: Europa wird bestimmt von der Okkupation und der transatlantischen Abhängigkeit im Kalten Krieg. Damit geht eine offensive Propagierung massenkultureller und künstlerischer amerikanischer Ästhetik einher. Hollywoodfilme und Elvis Presley-Platten sind in Frankreich, Deutschland und allen anderen westeuropäischen Ländern bald ebenso geläufig wie die immer öfter in den Museen ausgestellten Gemälde von Barnett Newman, Mark Rothko oder Willem de Kooning. Ebenso hat sich die Lage in den USA verändert. Infolge des Kriegs waren zahllose avantgardistische Künstler, Kritiker, Händler und Sammler dorthin geflohen. Indem sie den Dadaismus und den Surrealismus in die neue Welt brachten, veränderten sie die provinzielle Kunstlandschaft radikal und schlossen New York an das internationale Zeitgeschehen an.
«EUROPOP» GIBT ES NICHT.
DIE HALTUNG ZÄHLT Mit dem Titel «Europop» macht das Kunsthaus Zürich darauf aufmerksam, wie sehr Westeuropa und die USA im Pop, der noch immer als amerikanische Erfindung gilt, miteinander verzahnt sind. Einen genuinen «Europop» gibt es nicht. Eine europäische Pop-Kunst lässt sich nicht durch Analyse der Formen oder der Inhalte von amerikanischer Pop Art unterscheiden. Die individuellen und die milieu- und lokalspezifischen Eigenheiten erschliessen sich aber, wenn man wie Ausstellungsmacher Tobia Bezzola nicht nach Formen sortiert, sondern die Einstellungen betrachtet, die darin zum Ausdruck kommen.
IRONISCH, HUMORVOLL, KRITISCH, SUBVERSIV, NAIV, BITTER UND ZYNISCH
Wie beim kunsthistorischen Urahn Dada geht es bei Pop nicht um Technik, Form und Stil, sondern primär um eine Haltung. Und die Haltungen der Pop-Künstler erkennt man aus ihren Einstellungen zum Kernthema der Pop-Kunst: der kommerziellen Massenbildwelt von Werbung, Illustrierten und Film. Da gibt es einmal die schlicht naive, bewundernd-nacheifernde Attitüde, dann einen ironisch-parodistischen Umgang mit den Bildwelten der Plakatwände und der Hochglanzillustrierten; daneben finden sich kritisch-subversive Kommentare, und ihnen gegenüber steht wiederum eine zynisch-ausbeutende Einstellung gegenüber den Ausdrucksformen kommerzieller Kunst. Aus der historischen Distanz sind gerade jene Werke am interessantesten, die sich diesbezüglich eines eindeutigen Urteils enthalten und in paradoxen Verknüpfungen ganz widersprüchliche Empfindungen und Stellungnahmen zum Ausdruck bringen.
KÜNSTLERLISTE UND PUBLIKATION
Aus dem Spektrum der europäischen Pop-Kunst wurden Arbeiten von Künstlerinnen und Künstlern aus über 12 Ländern ausgewählt: Thomas Bayrle, Peter Blake, Pauline Boty, KP Brehmer, Erró, Öyvind Fahlström, Franz Gertsch, Domenico Gnoli, Raymond Hains, Richard Hamilton, David Hockney, Alain Jacquet, Allen Jones, Jean-Jacques Lebel, Konrad Lueg, Eduardo Paolozzi, Peter Phillips, Michelangelo Pistoletto, Sigmar Polke, Martial Raysse, Gerhard Richter, Mimmo Rotella, Niki de St. Phalle, Peter Stämpfli, Wolf Vostell. Ihnen werden einzelne Spitzenwerke der Amerikaner Andy Warhol, Tom Wesselmann, Claes Oldenburg und Roy Lichtenstein gegenübergestellt.Zur Ausstellung erscheint ein Katalog (Dumont, 180 S., ca. 130 Abb.). Die Autoren dieser zweisprachigen Publikation (Tobia Bezzola, Walter Grasskamp, Catherine Grenier und John-Paul Stonard) gehen über die allgemeine Definition der europäischen Pop-Kunst hinaus. Sie vertiefen den Blick auf die deutsche und britische Pop Art, analysieren das Werk Richard Hamiltons und widmen sich der Kunst des Nouveau Realisme, die viele Stilmittel der Pop Art vorwegnimmt.
KUNSTVERMITTLUNG
Öffentliche Führungen für Erwachsene: Sonntags 11 Uhr, mittwochs 18.30 Uhr Privatführungen: Anmeldung unter +41(0)44 253 84 12 (Mo–Fr 9–12 Uhr)
Workshops für Kinder und Jugendliche:
«Poppige Welt» (ab 7 Jahre)
Mittwoch, 20. Februar, 10.30–15 Uhr. Da eine Büchse, dort eine Flasche, hier ein Muskelmann. Schneller als die Welt sich dreht, flitzen Fernseh- und Kinobilder vorbei. Wir halten sie fest und schauen genauer. Auf der Reise durch das geheimnisvolle Land «Europop» gestalten die Teilnehmer persönliche Reisetagebücher.
«Meeting Europop!» (ab 12 Jahre)
Samstag, 23. Februar und Mittwoch, 12. März, jeweils 10.30–15 Uhr Die europäische Pop Art ist eine Kunstrichtung, die sich mit dem Eindringen von Bildern, Film und Werbung in den Alltag beschäftigt. Dabei ist sie oft gesellschaftskritisch und politisch. Die Teilnehmer gestalten ihr eigenes Weltbild und werfen es an die Wand.
Anmeldung und weitere Infos zu Teilnehmerbeitrag und Material unter www.kunsthaus.ch oder Tel. 044 253 84 84.
BESUCHERINFORMATIONEN
Kunsthaus Zürich, Heimplatz 1, 8001 Zürich, www.kunsthaus.ch Neue Öffnungszeiten: Sa/So/Di 10–18 Uhr, Mi–Fr 10–20 Uhr Feiertage: Ostern 20.–24. März, Auffahrt 30. April/1. Mai, Pfingsten 10.-12. Mai 10–18 Uhr.
Eintritt: CHF 16.– / 10.– (reduziert) / 12.- (Gruppen ab 20 Personen).Vorverkauf Kombi-Ticket RailAway/SBB mit Ermässigung auf Bahnfahrt und Eintritt. Erhältlich am Bahnhof und beim Rail Service 0900 300 300 (CHF 1.19/Min.), Gruppentarife möglich. Magasins Fnac, Tel. +33 1 4157 3212, www.fnac.ch.