Historische Werke von Piranesi, Modernes von Meidner und Balla sowie zeitgenössische Arbeiten von Ingo Giezendanner, Philip Loersch und Graeme Todd werden ihr gegenübergestellt.
Die Mitglieder der Zürcher Kunstgesellschaft hatten durch ihre Bilderwahl entschieden, die Zeichnung "Void" (2004) von Mélanie Gugelmann (Jg. 1970) aus der Sammlung des Kunsthauses ins Zentrum einer Ausstellung zu rücken.
ZWISCHEN FIKTION UND REALITÄT
Die Bildwelt Gugelmanns bewegt sich zwischen Fiktion und Realität.Thematisch ist sie von der Grossstadt inspiriert, ihrer flirrenden Energie und ihrem Geflecht aus Strassen, Plätzen und Gebäuden.
In "Void" wird die Szenerie bestimmt durch Fragmente von Hochhäusern, spiegelnden Fassaden und Blätterwerk. Die architektonischen Strukturen sind teilweise bis zur Unkenntlichkeit auf formale Charakteristika reduziert und zu einem dynamischen Gitterwerk verzahnt. Die verschachtelten Perspektiven dynamisieren das Bild und akzentuieren den visionären Charakter der Stadtansicht.
Um einzelne dieser Stadt-Topoi näher zu beleuchten, stellt Gastkuratorin Nadine Franci der Zeichnung Gugelmanns historische Werke von Giovanni Battista Piranesi, Ludwig Meidner und Giacomo Balla sowie zeitgenössische Arbeiten von Ingo Giezendanner, Philip Loersch und Graeme Todd gegenüber.
Mit Animationen, Sound und Installationen entsteht ein verdichteter Raum, der in seiner Dynamik und formalen Heterogenität die Komplexität des städtischen Lebens auf den Besucher überträgt.
FRAGMENTIERT UND SURREAL
Mélanie Gugelmann will das strukturelle Gefüge urbaner Landschaften erfassen. Die individuelle Stadtansicht oder die formale Analyse einzelner Bauten interessiert sie nicht. Architekturen setzt sie als freie Ornamente ein und kreiert mit sich überlagernden Linien Tiefe. Gleichzeitig durchbricht sie die gewohnte räumliche Logik und verwebt konstruktive und ornamentale Elemente zu surrealen Gebilden. Diese erinnern, wie die Arbeit des schottischen Künstlers Graeme Todd, an Bildwelten fernöstlicher Kunst.
Parallelen gibt es auch zum Werk der portugiesischen Künstlerin Maria Elena Vieira da Silva. Wie bei Gugelmann sind ihre Welten fragmentiert; eine auf den ersten Blick städtische Landschaft mutiert zu einer schwer definierbaren Form.
SIMULTANE BEWEGUNGSABLÄUFE(SINNBILD DER ENTFREMDUNG)
Städte zeichnen sich durch rastlosen Betrieb und glatte Oberflächen aus.Riesigen Kinoleinwänden gleich, spiegelt sich in ihnen das pulsierenden Grossstadtleben. Diese ständige Bewegung deutet Gugelmann an, indem sie Strukturen übereinander schichtet oder mit dem Mittel filmischer Überblendung arbeitet. Damit greift sie auf eine Formensprache zurück, die bereits Futuristen wie Giacomo Balla zur Illustration von simultan ablaufenden Bewegungen einsetzten.
Mit ihrer farbenfrohen Stadtlandschaft formuliert sie aber auch Kritik.
"Void" präsentiert eine Metropole von geradezu spektakulärer Mittelmässigkeit: geschichts-, gesichts- und zusammenhangslos. Gugelmann schafft damit ein eindrückliches Sinnbild für Entfremdung, Anonymität und Leere.
Mit dieser Haltung unterscheidet sie sich von den Utopisten und Romantikern vergangener Epochen. Mit ihrer eigenständigen Bildsprache – die durchaus Assoziationen zur konstruktiven und konkreten Kunst zulässt – pflegt sie einen modernen Expressionismus.
PREMIEREN IM DICKICHT DER STÄDTE
Dicht und sinnlich komprimiert, verwickelt "Im Dickicht der Städte" den Betrachter in ein Netz der urbanen Extremitäten. Zwischen den eigens für die Ausstellung angefertigten dreidimensionalen Papierarbeiten von Philip Loersch und Animationen von Ingo Giezendanner, wohnt er einer Premiere bei, die neben der visuellen auch eine auditive Herausforderung darstellt. Die Strippen dahinter zieht Nadine Franci, die mit diesem Projekt als Gastkuratorin der grafischen Sammlung ihren Ausstand gibt.
BILDERWAHL
Die Reihe der Bilderwahl wird seit dem Jahr 2001 durchgeführt. Die 20'000 Mitglieder der Zürcher Kunstgesellschaft wählen aus vorab selektierten Werken aus der Sammlung des Kunsthaus Zürich ihren Favoriten. Er repräsentiert einen Ausschnitt aus dem Bestand an 4000 Gemälden und Skulpturen sowie 80'000 Arbeiten auf Papier. Im Jahr 2008 wird Sammlungskonservator Christian Klemm Plastiken und Skulpturen zur Wahl stellen.
Dank der Unterstützung der Dr. Georg und Josi Guggenheim-Stiftung.
BESUCHERINFORMATIONEN
Kunsthaus Zürich, Heimplatz 1, 8001 Zürich
Eintritt: CHF 12.-/8.- (reduziert)
Öffnungszeiten 2007:
Di–Do 10–21, Fr–So 10–17 Uhr. Montags geschlossen Feiertage: 25. Dezember geschlossen,
26. Dezember 10–17 Uhr
Neue Öffnungszeiten 2008:
Sa/So/Di 10–18, Mi–Fr 10–20 Uhr Montags geschlossen. Feiertage: 1. und 2. Januar 10–18 Uhr
Öffentliche Führung:
9. Dezember um 12 Uhr mit Gastkuratorin Nadine Franci Privatführungen unter +41 (0)44 253 84 12 (Mo–Fr 9–12 Uhr)
Weitere Informationen und Online-Agenda unter: www.kunsthaus.ch