Einer breiteren Öffentlichkeit wurde die Künstlerin erst 1970 bekannt, als Jean-Christophe Ammann – damals Konservator des Kunstmuseums Luzern – ihre Arbeiten im Kontext wichtiger zeitgenössischer Positionen gezeigt hat. Dank diesem Bezug zum aktuellen Kunstschaffen wurden Josephine Trollers Gemälde und Zeichnungen fortan nicht mehr ausschliesslich als „naive Kunst“, sondern als Werke mit hohem Autonomiecharakter wahrgenommen und darüber hinaus als interessanter Beitrag zur Tendenz der sogenannten „Innerschweizer Innerlichkeit“ gewürdigt.
Die zahlreichen Arbeiten aus der zweiten Hälfte der 1940er Jahre, denen in dieser Werkschau ein besonderer Platz eingeräumt wird, beweisen, dass Josephine Troller bereits in ihren frühen, vornehmlich abstraktornamentalen Bleistift- und Gouachezeichnungen zu einem sehr eigenständigen bildhaften Ausdruck gefunden hat. In den ersten Zeichnungen und Malereien ist jedoch auch schon vieles skizziert, das später formal weiter ausgestaltet oder zu einer regelrechten Chiffre werden sollte. Verschiedene Bildtypen erweisen sich als prägend für das reichhaltige Werk der Künstlerin. Einige davon werden in der Ausstellung bedeutend vertreten sein. So zeigen Bleistiftskizzen und Gemälde ab Anfang der 1950er Jahre fein skizzierte Landschaften, teils Ausblicke auf einen See, aber insbesondere Ansichten von kleinen Dörfern. Die Tessiner Gegend, wo Josephine Troller zu dieser Zeit ihren Familienurlaub verbringt, bildet die reale Vorlage für zahlreiche Darstellungen von Aussenräumen. Eine weitere Werkgruppe präsentiert – gleichsam in Weiterentwicklung der Landschaften – künstlich angelegte Gartenparks, meist deutlich von der Umgebung isolierte und nicht selten von Tieren bevölkerte Anlagen, die an den kunsthistorischen Topos des Paradiesgartens erinnern. In einem dritten Bildtyp mutiert der klar begrenzte Aussenraum zu einem scheinbar streng zentralperspektivisch und symmetrisch angelegten „Bühnenraum“. Diese Bildordnung findet sich auch in vielen der kleinformatigen Kugelschreiberzeichnungen, die vornehmlich um 1973 und zu Beginn der 1980er Jahre entstehen.
Die Schau im Kunstmuseum will überdies nicht nur die bekannteren, bereits mehrmals ausgestellten ikonenhaften Selbst- und Fremdbildnisse des Spätwerks wieder präsentieren, sondern, im Sinne eines Überblicks über das Gesamtwerk, anhand früherer Arbeiten die Entwicklung der Figur und der Gattung des Porträts bei Josephine Troller sichtbar machen.
Die Präsentation ausgewählter Arbeiten aus dem umfangreichen Nachlass, der Sammlung des Kunstmuseums und von privaten Leihgebern ermöglicht nun erstmals einen umfassenden Blick auf das Schaffen dieser aussergewöhnlichen Luzerner Künstlerin. Dabei wird das zeichnerische und malerische Werk teils in thematisch, teils in chronologisch geordneten Gruppen gezeigt. Ergänzt werden die Werke, von denen manche erstmals öffentlich präsentiert werden, durch einige eigenwillige plastische Arbeiten der Künstlerin sowie einen speziell für die Ausstellung produzierten Film mit Archivmaterial. Schliesslich hat das Kunstmuseum Luzern in Zusammenarbeit mit dem Luzerner Verlag Edizioni Periferia eine sorgfältig produzierte, informative Publikation zum Leben und zum Werk von Josephine Troller vorbereitet. Sie enthält neben Texten von Isabel Fluri, Christoph Lichtin und Max Wechsler einen wissenschaftlichen Anhang und ist reich bebildert.