Nguyen-Hatsushiba gehört zu jenen, die man im Land als Viet Kieu bezeichnet, Menschen mit vietnamesischen Wurzeln, die in ein Land zurückgekehrt sind, das sie als Kinder nach 1975 verlassen mussten und mit dem sie in der Regel keine eigenen Erinnerungen verbinden. Viet Kieu haben das Land ihrer Väter auf eigentlich touristische Art und Weise kennen gelernt, zuerst durch kleinere, dann durch grosse Reisen, bis sie sich entschieden haben, ganz zu bleiben. Ihre Sicht auf die rasant ändernden Verhältnisse des Landes sind es, die Ho-Chi-Minh-Stadt seit der wirtschaftlichen Öffnung und der Loslösung von sozialistisch geprägten Traditionen Mitte der 1990er Jahre neben Hanoi zu einem der viel versprechendsten Kunstzentren dieses Teils der Welt machen.
Seit Ende der 1990er Jahre ist Jun Nguyen-Hatsushiba an Ausstellungen auf allen Kontinenten dieser Erde vertreten. Nach Einzelausstellungen im MACRO, Museo d’Arte Contemporanea, in Rom (2003), im Mori Art Museum in Tokyo (2004) und in der Malmö Konsthall in Schweden (2005) richtet der Künstler nun im Kunstmuseum Luzern eine umfassende Retrospektive ein, an der auch vier neue Arbeiten zu sehen sein werden.
Die Ausstellung vereint vorerst die seit 2001 produzierten Unterwasserfilme, die die jüngere Geschichte seiner Heimatländer Vietnam und Japan wiederbeleben. Im Zentrum des Interesses steht jeweils das Schicksal unterschiedlicher Völker und Gemeinschaften, so die „Boat People“ und die in den 1970er Jahren zurückgebliebenen Vietnamesen in Memorial Project Nha Trang, Vietnam: Towards the Complex – For the Courageous, the Curious, and the Cowards (2001), die Bevölkerung und Soldaten in Saigon zur Zeit der kriegsbestimmenden Tet-Offensive 1968 in Happy New Year: Memorial Project Vietnam II (2003), die Bewohner der seit den 1950er Jahren quecksilberverseuchten Küstenregion um Minamata in Memorial Project Minamata: Neither Either nor Neither – A Love Story (2002/03), während Ho! Ho! Ho! Merry Christmas: Battle of Easel Point – Memorial Project Okinawa (2003/04) an die in Nordvietnam an den Weihnachtstagen des Jahres 1972 stattgefundenen Bombardements der amerikanischen Armee und an die amerikanische Besatzung auf Okinawa von 1945 – 1972 erinnert.
Daneben wird Jun Nguyen-Hatsushiba vier neue Arbeiten präsentieren: Mit The Landern Piece from the film „The Ground, the Root, and the Air: The Passing of the Bodhi Tree“ (2007) einen – in einer Projektion auf Lampions – filmischen Entwurf über Globalisierung, Modernisierung, Tradition und spirituelle Suche. Dann geben eine Serie von Fotografien Einblick in sein letztjähriges Performance-Projekt, Memorial Project Waterfield: The Story of the Stars. Schliesslich nimmt sich Nguyen-Hatsushiba mit einem auf sechs Jahre angelegten Marathon-Laufprojekt, Breathing is Free 23 756.3, nochmals des Themas des Lebenskampfes und der Situation der Flüchtlinge weltweit an. Dieses Langzeitprojekt beginnt im Mai 2007 in Genf und wird sich in Luzern wie auch weiteren Orten fortsetzen (in der Ausstellung durch eine Videodokumentation und dem Internetprojekt www.breathingisfree.net vertreten).
Das umfassendste und speziell für die Luzerner Ausstellung entwickelte Werk ist die Grossinstallation The Globe Project: The Garden of Globes, in der das historische Phänomen der Flucht und das Schicksal politischer Flüchtlinge einer Welt des Geistes und der Hoffnung gegenübergestellt sind. Hunderte Opfergaben aus Papier und Bambus, die der Kommunikation mit den Vorfahren dienen, begrenzen den als metaphorisches Meer in Blau getünchten Kunsthalle-Saal des Museums. Darin befinden sich mehrere Globen, deren Inneres eine, wie der Künstler sagt, jeweils andere Sicht auf eine „Geschichtssammlung politischer Flüchtlinge“ birgt und Orte wie Phnom Penh, Havana, Santiago de Chile oder Monrovia zeigt.
Mit dieser Ausstellung schliesst das Kunstmuseum Luzern an seine Tradition an, engagierte aussereuropäische Positionen der Gegenwartskunst in einem musealen Rahmen vorzustellen und mit einem Katalog zu dokumentieren. Auf Ana Mendieta (2002), Minnette Vári (2004) oder die im Rahmen von Gruppenausstellungen gezeigten Chiharu Shiota, Mona Hatoum, Bernie Searle und Zhang Huan, um nur einige zu nennen, folgt nun mit Jun Nguyen-Hatsushiba ein ausgesprochen kosmopolitischer Künstler. Er verfügt über ein dezidiertes Bewusstsein für eine neue Weltsicht im Zeichen der Globalisierung, gepaart mit einer ebenso ausgeprägten Fülle von visuellen und nicht selten metaphorischen Ausdrucksmitteln.
Die Ausstellung wird vom 23.2.–1.6.2008 an der Manchester Art Gallery, Manchester, England, zu sehen sein.
Veranstaltungen
Freitag / Friday, 1. 6. 2007. 18.30 h
Öffentliche Eröffnung
Sonntag / Sunday, 3. 6. 2007, 11 h
Ausstellungsrundgang mit Susanne Neubauer, Kuratorin
Samstag / Saturday, 16. 6. 2007, 14 h
Susanne Neubauer im Gespräch mit Jun Nguyen-Hatsushiba (Englisch)