Natura 2000: Genaue Analyse vermeidet Konflikte
Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben sich 1992 verpflichtet im Rahmen von „Natura 2000“ ein zusammenhängendes Netz von Schutzgebieten zu schaffen. Zur Umsetzung sind zwei Richtlinien wichtig: die EU-Vogelschutz-Richtlinie und die Fauna- Flora-Habitat-Richtlinie. „Natura 2000“ will natürliche Lebensräume für wild lebende Tier- und Pflanzenarten bewahren und wieder herstellen.
Um mögliche Konflikte zwischen landwirtschaftlichen Bauvorhaben und den Schutzzielen von Natura-2000-Gebieten zu vermeiden, muss jedes Projekt im Einzelfall genau analysiert und im Zusammenhang mit anderen Projekten betrachtet werden. Dies geschieht im Rahmen einer Verträglichkeitsprüfung, wobei besonders streng geschützte Arten berücksichtigt werden müssen. „Angestrebt wird stets die Realisierung eines Planvorhabens im Einklang mit dem benachbarten Schutzgebiet“, erklärte Dr. Gisela Nolte von öKon Angewandte Ökologie und Landschaftsplanung GmbH aus Münster. Anhand zweier Beispiele zum klassischen Konfliktfall „Ammoniakauswirkung und Vogelschutz“ verdeutlichte sie, wie Projekte trotz schwieriger Ausgangslage umgesetzt worden sind.
Nationaler Bewertungsrahmen schließt Lücken
Dr. Brigitte Eurich-Menden vom KTBL in Darmstadt stellte die Bedeutung des Nationalen Bewertungsrahmens Tierhaltungsverfahren für Genehmigungen vor. Insgesamt wurden darin 139 Haltungsverfahren für Rinder, Schweine, Geflügel und Pferde beispielhaft ausgewählt, systematisch beschrieben und bewertet. Gleichzeitig bietet es einen Überblick über die Vielfalt der in der Praxis eingesetzten Haltungsverfahren.
Für Genehmigungsbehörden, Landwirte und Berater kann der Nationale Bewertungsrahmen Tierhaltungsverfahren Argumentationshilfen liefern, mit denen die Vor- bzw. Nachteile der jeweiligen Haltungsverfahren hinsichtlich der Wirkungen auf Umwelt und Tiergerechtheit erläutert werden können. Die Ergebnisse des Bewertungsrahmens sind jedoch nicht rechtlich verbindlich und ersetzen auch keine rechtlichen Bestimmungen.
Gemäß der TA Luft sind die baulichen und betrieblichen Anforderungen mit den Erfordernissen einer artgerechten Tierhaltung abzuwägen, wenn das Haltungsverfahren zu höheren Emissionen führt. „Bisherige Erfahrungen zeigen, dass die Genehmigungsbehörden in laufenden Genehmigungsverfahren diesen Ermessensspielraum häufig nicht nutzen, weil ihnen die notwendigen Informationen zur artgerechten Tierhaltung fehlen“, erklärte Dr. Brigitte Eurich-Menden. Die Ergebnisse des Bewertungsrahmens könnten diese Lücke schließen und der Genehmigungsbehörde damit als Grundlage für die Abwägung zwischen Umwelt- und Tierschutzaspekten dienen.
Neue Regelungen für Tierhaltungsbetriebe mit Biogasanlagen zeigen Praxisbezug
Für Betriebe mit Tierhaltung und Biogasanlagen sind verschiedene Rechtsvorgaben in Kraft getreten oder befinden sich derzeit in Abstimmung. Susanne Klages vom KTBL in Darmstadt ging in ihrem Vortrag auf die Neufassung der Düngeverordnung, den Entwurf (E) der Neufassung der Düngemittelverordnung, die E- Bioabfallverordnung sowie die Tierische Nebenprodukte- Beseitungsverordnung ein. Es zeigt sich, dass nährstoffbezogene Vorgaben an Bedeutung gewinnen, während schadstoffbezogene Regelungen in den Hintergrund treten. Beispielsweise dürfen aus Wirtschaftsdüngern tierischer Herkunft maximal 170 kg Stickstoff (N) pro Hektar und Jahr ausgebracht werden. Mit der Neufassung der Düngeverordnung ist eine Erhöhung der Stickstoffzufuhr auf Grünland und Feldgras auf maximal 230 kg N pro Hektar und Jahr zulässig.
Eine weitere wichtige Tendenz ist, dass Hygieneauflagen zunehmend in allen Rechtsbereichen anzutreffen sind, wobei Wirtschaftsdünger tierischer Herkunft nach wie vor einen Sonderstatus besitzen. Die Eigenverwertung der Gülle ist geringeren Auflagen ausgesetzt als das gewerbsmäßige Inverkehrbringen, d.h. wenn Wirtschaftsdünger verkauft wird.
Mit der Neufassung der Düngemittelverordnung (E-DüMV) sollen Nebenbestandteile von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln umfassender reglementiert werden. „Die in diesen Entwurf aufgezeigten Alternativen der direkten Einarbeitung von Düngemittel oder Bodenhilfsstoffen zeugen von Praxisnähe im Vergleich zur aufwendigen hygienisierenden Behandlung wie Pasteurisieren, Kompostieren oder Vergären“, erklärte Susanne Klages. Eine solche Aufarbeitung verursache zusätzliche Kosten. Betroffen sind in erster Linie Betriebe, die aufgrund knapper Flächen die Gülle nicht selbst verwerten könnten.
Hygenisierung ist zwingend erforderlich bei Bioabfall- Kofermentationsanlagen und bei Anlagen, die tierische Nebenprodukte verarbeiten.
Allgemein betrachtet dominiere die EU-Rechtssetzung nationale Regelungen, registriere aber in verstärktem Maße die Lage in den Mitgliedsländern, erläuterte die Referentin. So verlängert die Verordnung (EG) Nr. 185/2007 vom 07.02.2007 die Übergangsfrist für den Betrieb von Anlagen, die nicht den EU-Vorgaben entsprechen.
Dies sind alle in der Bundesrepublik mesophil oder thermophil betriebenen Vergärungsanlagen, denen keine Pasteurisierungseinheit vorgeschaltet ist.
Aktuelle Rechtsprechung
Der Justitiar der Landwirtschaftskammer NRW, Volkmar Nies, informierte anhand verschiedener Gerichtsurteile über neue Entwicklungen im Bau- und Immissionsschutzrecht. Er ging unter anderem auf die Neuregelung der Tierschutz- Nutztierhaltungsverordnung am Beispiel eines Urteils zur Legehennenhaltung und auf den Nachbarrechtsschutz im Bezug auf den Bau einer Biogasanlage ein. Die ausführlichen Urteile und Erläuterungen sind im Tagungsband nachzulesen.
Abluftreinigungsverfahren noch nicht Stand der Technik
In den letzten Jahren hat sich die Technik der Abluftreinigung zur Anwendung bei Tierhaltungsanlagen stark weiterentwickelt. Die Kosten für die Errichtung und den Betrieb derartig zertifizierter Abluftreinigungsanlagen nehmen nahezu unabhängig vom Verfahren von 18 bis 21 auf 13 bis 17 € pro Mastschweineplatz und Jahr ab, wenn Anlagen mit einer Kapazität im Bereich von 50.000 m3/h und 150.000 m3/h miteinander verglichen werden (Planungswerte Stallneubau, ohne Mehrwertsteuer). Der Anteil der Betriebskosten an den Gesamtkosten beträgt im Durchschnitt etwa 60 %. Die Hälfte der Betriebskosten machen die Stromkosten für den Betrieb von Pumpen und den Mehrverbrauch der Lüftungsanlage des Stalles aus.
„Unter diesen Bedingungen dürfte die Schweinemast in der Regel nur noch für die erfolgreichen und gut geführten Betriebe wirtschaftlich möglich sein“, resümierte Ewald Grimm vom KTBL in seinem Vortrag.
Daher gehörten Abluftreinigungsverfahren trotz der verfahrenstechnischen Weiterentwicklungen nach wie vor nicht zum Stand der Technik der emissionsarmen Tierhaltung, wie er in der TA Luft und den BVT-Merkblättern der Europäischen Union für die Intensivtierhaltung definiert sei. Sie könnten als weitergehende Maßnahme zur Emissionsminderung im Einzelfall eingesetzt werden, wenn die Anforderungen des Bundes-Immissionsschutzgesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen nicht auf andere Art und Weise erfüllt werden könnten. Der aktuelle Entwicklungsstand der Verfahren ist in der KTBL-Schrift 451 „Abluftreinigung für Tierhaltungsanlagen ¯ Verfahren, Leistungen, Kosten“ ausführlich beschrieben.
Ausbreitungsrechnung muss realen Verhältnissen entsprechen
Die Ausbreitung von Gerüchen kann mit verschiedenen Methoden und Modellen berechnet werden. Andreas Sowa von der Meodor Immissionsschutz GmbH in Ahlen zeigte anhand von Beispielrechnungen, welche höchst unterschiedlichen Ergebnisse dabei heraus kommen können. Diese Berechnungen beeinflussen entscheidend Stallbaugenehmigungen. Daher sei es wichtig, mit den verschiedenen Methoden handwerklich „richtig“ umzugehen, um realitätsnahe Ergebnisse zu erhalten, forderte der Referent. Denn „eine richtige Methode“ gäbe es bisher noch nicht, dafür seien die Spielräume bei den Berechnungen zu groß.
Biogas-Branche hat die „Schmuddelecke“ verlassen
Biogasanlagen erzeugen Gerüche. Besonders in den Anfangsjahren der technischen Entwicklung habe man diese Problematik gerne verdrängt, schilderte Prof. Dr. Jörg Oldenburg in seinem Vortrag zur Beurteilung von Geruchsstoffen bei Biogasanlagen. Doch diese Situation habe sich deutlich verbessert. Besonders Anlagen, die nachwachsende Rohstoffe (NawaRo) verwerten, aber auch Reststoffverwertungsanlagen seien sich aufgrund des Leistungswachstums durchgängig professionell betrieben und hätten eine entsprechendes Umweltmanagement entwickelt. „Die Branche hat bis auf wenige Ausnahmen die ´Schmuddelecke´ nun fast vollständig verlassen“, erklärte Prof. Oldenburg vom Ingenieurbüro Oldenburg aus Oederquart. Dies sei auch auf einen professionelleren Umgang mit der Geruchsproblematik zurückzuführen.
Anlagen, die nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ausschließlich NawaRo vergären, seien in der Regel im Bezug auf Geruchsemmissionen eher unproblematisch. Bei Kofermentations- und Reststoffverwertungsanlagen sei je nach Standort ein entsprechender technischer Aufwand zur Geruchsvermeidung zu betreiben. „Es wäre wünschenswert, wenn Verbände und Anlagenhersteller einen höheren Einsatz als bislang in die Erfassung umweltrelevanter Daten zeigen würden“, forderte der Referent.
Weiterführende Literatur:
Tagungsband „Rechtliche Rahmenbedingungen für die Tierhaltung“ , 10 €, Best.-Nr. 1253/07
Nationaler Bewertungsrahmen Tierhaltungsverfahren - Methode zur Bewertung von Tierhaltungsanlagen hinsichtlich Umweltwirkungen und Tiergerechtheit, 2006, 778 S., 48 €, ISBN: 978-3-939371-13-7, Best.-Nr. 11446
Abluftreinigung für Tierhaltungsanlagen. Verfahren - Leistungen ¯ Kosten, 2006, 86 S., 20 €, ISBN 978-3-939371-15-1, Best.-Nr. 11451
Die neue Düngeverordnung, 2007, 64 S.,9,50 €, ISBN 978-3-939371- 33-5, Best.-Nr. 40064
Bestellservice:
Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.V. (KTBL), Bartningstr. 49, 64289 Darmstadt Tel 06151 / 70 01 189, Fax 06151/ 70 01 123