Seit der Novellierung des Versicherungsvertragsgesetzes im Jahre 2008 wurde der für Verbraucher in diesem Zusammenhang so wichtige § 204 VVG (vormals der 178f) neu gefasst. Zusammen mit dem § 6.2 der VVG-InfoV (Versicherungsvertragsgesetz-Informationspflichtenverordnung) können die beiden Paragraphen für den PKV-Kunden von Nutzen sein. Egal ob ein Tarifwechsel innerhalb einer Gesellschaft, oder der Wechsel zu einem anderen Versicherer – beides ist für Versicherte möglich und beides kann Geld sparen. Eine gute Idee, die praktische Umsetzung ist jedoch nicht immer ganz einfach!
Rechtslage
Sollte eine Beitragsanpassung notwendig sein, muss das Versicherungsunternehmen den Versicherten mindestens einen Monat im Voraus darüber informieren. Dabei muss es darauf hinweisen, dass der Versicherte das Recht auf einen Tarifwechsel nach dem Versicherungs-Vertragsgesetz (§ 204, VVG) hat. Gibt es für über 60-jährige Versicherte ein günstigeres Tarifangebot, muss das Unternehmen dem Versicherten hierfür in einem Schreiben den Beitrag mitteilen. Im Falle eines Tarifwechsels ist eine erneute Gesundheitsprüfung dafür nur dann erforderlich, wenn der neue Tarif Mehrleistungen gegenüber dem alten Tarif bietet. Dadurch eventuell notwendige Risikozuschläge kann der Versicherte jedoch vermeiden, indem er die Mehrleistungen aus dem Versicherungsschutz ausschließen lässt. Der Versicherer muss dem Kunden neben dem Standard- oder Basistarif also mindestens einen wirklichen Alternativvorschlag unterbreiten. Nach § 6, Abs. 2 VVG-InfoV, können es sogar bis zu zehn sein.
Handlungsempfehlung
Eine direkte – vor allem pauschale – Anfrage an den Versicherer garantiert nicht, dass man den jeweils auf Basis des derzeitigen Schutzes günstigsten Tarif erhält. Der Versicherer verliert schließlich bares Geld bzw. einen Beitragszahler aus dem alten Tarif.
Hintergrund: Je weniger Personen Beiträge einbezahlen, je kleiner das Kollektiv wird, desto mehr muss u.U. der Einzelne an Beitrag tragen. Die PKV-Kunden bringen im Vergleich zur GKV die Mittel für Ihre versicherten Leistungen zu 100% selbst auf. Wenn die Krankheitskosten, durch die Inanspruchnahme von Leistungen (auch Konsum) durch den Verbraucher oder durch den Leistungserbringer z.B.: Arzt, Zahnarzt, Apotheker etc. über die Tarifkalkulation hinaus überdurchschnittlich hoch werden, muss neu kalkuliert werden. Insoweit möchte der Versicherer seine „Schäfchen“ im Tarif zusammenhalten, um eine durch Abwanderung möglicherweise entstehende BAP zu minimieren. Die GKV hat das Problem, dass zu wenig Beitragszahler mit zu geringen Beitragsleistungen einer größer werdenden Gruppe von Leistungsempfängern gegenüber steht. Zusätzlich muss sie noch mit einem Festbetrag aus dem Gesundheitsfond pro Versichertem auskommen.
Es gilt also, für eine tragfähige Entscheidungsgrundlage vor der eigentlichen Tarifanfrage, gezielt beim Versicherer folgendes nachzufragen:
1.) Wie hoch ist die derzeitige Alterungsrückstellung im aktuell bestehenden Tarif
2.) Alternativ: Wie hoch ist der derzeitige Anrechnungsbetrag
3.) Wie hoch ist der derzeitige Übertragungswert gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 5 VAG. (Ab Januar 2013 ist der Wert vom Versicherer jährlich
4.) Ist der aktuell bestehende Tarif für Neukunden noch verkaufsoffen?
Diese Informationen zeigen dem Verbraucher dann den „wirtschaftlichen“ Stand seiner Police als eine erste Entscheidungsgrundlage für einen möglichen Tarif- oder Stallwechsel.
Wie findet man den passenden Wechseltarif nach § 204 VVG?
In der Regel hat jeder Verbraucher zwei Optionen um den jeweils für sich passenden Tarif zu finden:
1.) Den Versicherer selbst direkt anschreiben und erfragen, in welche Tarife ein Wechsel möglich ist, welche Mehr- bzw. Minderleistungen damit verbunden sind und wie hoch der neue Tarifbeitrag unter 100prozentiger Anrechnung der Alterungsrückstellung ist
oder
2.) mit einem Makler oder Versicherungsberater gezielt die möglichen neuen Zieltarife beim jetzigen Versicherer auf Basis von aktuellen, individuellen Wünschen und Bedürfnissen herausfiltern und dann für diesen herausgefilterten Tarif gezielt beim Versicherer ein Umstellungsangebot einholen.
Achtung vor unseriösen Beratern
Viele Verbraucher wollen oder können sich jedoch aus Desinteresse oder auch aus Zeitnot nicht selbst damit beschäftigen und verlassen sich fast blind auf ihren Versicherungs-Vertreter bzw. -makler. Doch dabei ist Vorsicht geboten: Beratung ist nicht gleich Beratung!
Nach Aussage des PKV-Experten Gerd Güssler, Geschäftsführer des Freiburger Informations-Dienstleisters KVpro.de, „nutzen viele unseriöse Berater diese Situation zu ihren Gunsten schamlos aus“. Denn was passiert in der Praxis? Der Abschlussfremde Berater bekommt vom Versicherer für seine Beratungsleistung bei einem Tarifwechsel innerhalb des Hauses kein Geld, seine Arbeit wird nicht entlohnt. Deshalb wird oft zum Neuabschluss, also zum Stallwechsel gegriffen – nur dafür bekommt der neue Berater eine Provision.
Jedes Jahr werden so unzählige Versicherte getreu dem Motto „Ihre Kasse erhöht schon wieder die Beiträge, nichts wie weg“ regelrecht zum Kassenwechsel getrieben, oftmals mit der Folge, dass das bis zu diesem Zeitpunkt einbezahlte Geld und wertvolle Rechte verloren sind.
Zwar sei die Problematik der systematischen „Umdeckungen“ nach Einführung der Provisions-begrenzungen und der verlängerten Stornohaftung laut Güssler „deutlich zurückgegangen“, nun gelte es aber noch, „auch die von einigen Vermittlern vor allem im Internet aggressiv betriebene, neu entdeckte „Umtarifierung“ nach § 204 VVG Tarifwechselrecht einzudämmen“. „Panikmache und Verunsicherung führten oftmals dazu, dass Versicherte durch nicht ausreichend qualifizierte Berater oft nachteilig beraten würden, nur um eine möglichst hohe Beitragseinsparung zu erzielen (Das Geschäftsmodell dahinter: Vermittler verlangt ein Vielfaches der ersparten Beitrags-Summe als Provision direkt vom Verbraucher, was beim Ursprungsvermittler meist billiger zu haben ist).
Und das vor dem Hintergrund, dass der Tarifwechsel im Rahmen der ursprünglichen Abschlusscourtage und laufenden Bestandspflege mit abgedeckt sei und der Verbraucher hierfür nicht extra ein Honorar zu bezahlen habe, wenn er dies nicht will. „Mit solchen „Umdeckungs-Maschinen“, die Geschäfte zu Ungunsten der Versicherten machen, wird der eigentlich verbraucherschützende Gedanke des § 204 VVG komplett ad absurdum geführt. Gesunde Bestände der Versicherer könnten so nachhaltig geschädigt werden, dass die im Tarif verbleibenden Versicherten zukünftig höhere Beiträge zu entrichten hätten“, erklärt der Marktkenner weiter.
Vorsicht bei Internetportalen
Vergleichsportale im Internet werden bei der Suche nach günstigen Tarifen immer beliebter. Doch auch hier heißt es „Augen auf“! Kunden die auf Werbeslogans wie z. B. „Ist Ihre Krankenversicherung auch zu teuer?“ reagieren, werden so häufig Opfer von unseriösen – vermeintlich objektiven – „Beratern“ mit ihren zum Teil dubiosen Vertriebsmethoden. „Gerade im Internet wird oft mit billigen Angeboten geworben, die nur ein Ziel haben, Adressen und persönliche Daten zu generieren um diese wiederum an Produktvermittler zu verkaufen“, weiß Güssler. „Verbraucher wissen i. d. R. nämlich nicht, ob die hinterlegten Gesellschaften und Tarife den vollständigen Markt abbilden, ob eine gezielte Produktförderung für bestimmte Versicherer betrieben wird oder ob das Portal nur als Adressquelle dient, um die Anfrage, sprich die in die Abfragemasken eingegebenen Daten, als sogenannte Leads an „Vermittler weiterverkaufen zu können“.
Wer billig kauft, zahlt (meistens) drauf!
Wie kann ein Verbraucher reagieren wenn er einmal in die Billigfalle getappt oder sich bewusst für eine Billiglösung entschieden hat? Dann ist eine Tarifreparatur nach § 204 VVG empfehlenswert, auch wenn der monatliche Beitrag ggf. vor Steuern (vor Anrechnung des BEG = Bürgerentlastungsgesetzes) höher ausfällt. Auch wenn ggf. ein Honorar zu investieren ist. Auf lange Sicht rächt sich diese kurzfristige Momentbetrachtung einer monetären Billigentscheidung knüppelhart – je nach Fall sogar bis zum finanziellen Ruin.
Fakt ist: Ein Billig-Beitrag ist nur möglich, wenn an den Leistungen gespart wird oder anders gesagt: Je billiger der Beitrag, desto weniger an Leistung ist im Tarif enthalten und der Verbraucher muss im Leistungsfall aus eigener Tasche selbst zuzahlen. Werbetechnisch heißt es gerne: 100 Prozent Arzneimittel! Und im Kleingedruckten, verteilt auf mehrere Papiere und Seiten, steht dann z. B. nur für Generika, wenn vom Hausarzt verordnet, in der von uns benannten Apotheke bezogen, mit einem SB von 10 Euro je Arzneimittel, ansonsten 60%. Der Schock für die Versicherten ist vorprogrammiert. Verkäufer, die so beraten bzw. Tarife wie 100 Prozent PKV, 100 Prozent Leistung, 100 Prozent Privatpatient für nur 59.- Euro pro-aktiv empfehlen, gehören zu den schwarzen oder grauen Schafen der Zunft, sind aber leider keine Seltenheit. Meistens fehlt hier neben dem für Berater und Verbraucher wichtigem Beratungsprotokoll, die Einhaltung der Beratungspflichten gemäß der VVG-InfoV.
Ein Rat kann dann nur lauten: Von einem qualifizierten Makler oder Versicherungsberater eine Prüfung vornehmen zu lassen. Lieber eine eventuell kostenpflichtige Makler-Zweitmeinung einholen. Diese finanzielle Investition steht oft in keinem Verhältnis zum langfristigen finanziellen Schaden einer Fehlentscheidung. Denn: Es ist immer das Geld des Verbrauchers, das zur Disposition steht. Ein „Tarif-Schnäppchen“ ist letztlich nur dann eines, wenn es im Leistungsfall den jeweiligen tatsächlichen Bedarf des Verbrauchers auch wirklich abdeckt und die Versprechungen erfüllt!
Checkliste für Verbraucher
Seien Sie hellhörig, wenn der Berater, Makler, Vermittler oder Vertreter:
- Ihnen ein Wechselangebot übermittelt, ohne vorher nach Ihrem aktuellen Versicherungstarif, Versicherungsdauer und Zahlbeitrag zu fragen,
- Sie nach Ihrem aktuellen Versicherungstarif fragt und Ihnen sofort aufzählt, welche Leistungen Sie alle nicht versichert haben – ohne vorher überhaupt Ihren Bedarf aufzunehmen und zu prüfen, oder Gesundheitsfragen abklärt,
- sofort oder sehr schnell einen Wechsel von Ihrem aktuellen Versicherer zu einem neuen Versicherer – also den „Stallwechsel“ – empfiehlt,
- erklärt, dass Sie doch „dumm“ seien, wenn Sie sein grandioses Angebot, bei dem Sie monatlich viel weniger als heute bezahlen, nicht annehmen,
- nicht ausführlich über die Chancen UND Risiken eines Tarif- und insbesondere Versicherer-Wechsels aufklärt, sondern mit pauschalen Argumenten arbeitet („Das ist für Sie viel billiger“ / „Da sind Sie viel besser versichert als heute“),
- Ihren aktuellen Versicherungsschutz gar nicht beachtet, sondern sofort Alternativangebote auf den Tisch legt,
- Ihren Rückfragen mit pauschalen Argumenten entgegentritt („So etwas würde ich doch nie empfehlen“ / „Natürlich haben Sie dadurch keine Nachteile“ / Mit meinem Angebot haben Sie genau das, was Sie brauchen – und es ist sogar noch billiger“ / „Warum wollen Sie so viel bezahlen, wenn es doch billiger geht?“ / „Diese Leistung brauchen Sie nicht, das trifft sowieso nicht ein“)
- so auftritt, als sei in einem Versicherungsschutz für 59 €, 100 € oder 150 € „alles Notwendige“ versichert. (Wenn er Sie hier nicht darüber aufklärt, dass Sie damit rechnen müssen, einen großen Teil der Krankheitskosten selbst zu tragen, ist garantiert etwas faul)
- Sie zur Unterzeichnung einer Zustimmungserklärung zum Verzicht auf Unterlagen und Dokumentation auffordert. (Hiermit verzichten Sie auf wertvolle Rechte!)