KVpro.de hat die derzeit vorliegenden, veröffentlichten Geschäftsberichte, in Bezug auf die Nettoverzinsung untersucht: Stand heute liegen von 17 Gesellschaften die öffentlich zugänglichen Geschäftsberichte 2012 vor. 16 von 17 Gesellschaften erreichen einen Nettozins von über 3,5 %. Der 3,5 % übersteigende Teil (Überzins) steht zu 90 % auch dem Verbraucher zu und wird der Alterungsrückstellung zusätzlich zugeschrieben.
Fischen im Trüben
So wie die vergangenen Jahre auch, werden die vollständigen Ergebnisse der Branche für das abgelaufene Geschäftsjahr 2012 erst zu einem späteren Zeitpunkt vorliegen. Jetzt bereits öffentlich und medial Thesen zu verbreiten wie z. B., dass der garantierte Nettozins für Bisex-Kunden nicht zu erreichen sei oder die Beiträge der Bestandskunden ab 2014 massiv steigen würden, ist daher vorsichtig ausgedrückt sehr mutig und trägt keineswegs zu einer objektiven, sachlichen Aufklärung des Verbrauchers bei.
Wichtig wäre es in diesem Zusammenhang, auch deutlich darauf hinzuweisen, dass es zur Beitragsstabilisierung bei jedem Versicherer auch den RfB-Topf gibt, mit dem Beitragsanpassungen für Bestandskunden vermieden oder abgefedert werden können, sofern der Rechnungszins von 3,5 % wirklich nicht erreicht werden sollte.
Ursachen nicht hausgemacht
Das derzeitige niedrige Zinsniveau wurde nicht von der Versicherungsbranche verursacht. Wie viele andere Branchen auch, steht sie natürlich - vor allem im Bereich der Kapitalanlage - vor entsprechenden Herausforderungen und auch im öffentlichen Fokus. Die derzeitige Zinsentwicklung trifft derzeit alle Sparer und Verbraucher: Egal, ob Sparbuch, Lebensversicherung, betriebliche Altersvorsorge, auch die Krankenversicherung.
Der Sparer muss, solange diese Phase anhält, mehr eigenes Geld einsetzen, um die Sparzinsverluste auszugleichen. Das kann, je nach persönlichen Vermögensverhältnissen des Verbrauchers u.U. auch Verzicht bedeuten, um so die für den Ausgleich erforderlichen höheren Sparraten - oder im Fall der PKV - die möglicherweise höheren Beiträge so lange zu finanzieren, bis der Sparzins wieder steigt.
Folgen für die Branche
Richtig ist, dass die Gesellschaften alle auslaufenden Kapitalanlagen neu anlegen müssen. Das gestaltet sich vor dem derzeitigen Zinsniveau mehr als schwierig. Die Auswirkungen sind dabei je nach Gesellschaft aufgrund der individuellen Anlagestruktur sehr unterschiedlich.
Sollte das Niedrigzins-Szenario anhalten, ist auf Dauer klar, dass der Rechnungszins von 3,5 % nur schwer zu halten sein wird. Erreicht eine Gesellschaft den Rechnungszins für die Bisex-Bestandskunden von 3,5 % nicht und muss daher eine Beitragsanpassung vornehmen, so ist für den Verbraucher pro Zehntel Zinsabsenkung mit ca. 0,8 % Beitragssteigerung auf den KV-Beitrag (ambulant / stationär / Zahn) zu rechnen.
Ein Beispiel: Wird der Rechnungszins um ein halbes Prozent unterschritten (3,0 % anstatt 3,5 %), dann bedeutet dies 5 x 0,8% = 4,0 % Beitragssteigerung auf den KV-Beitrag. Wichtig: Dies gilt jedoch nur für die von einer BAP betroffenen Tarife und insofern die Beitragsanpassung nicht z.B. aus dem RfB-Topf gemindert wird. Bei einem KV-Beitrag (ambulant / stationär / Zahn) von 400 € wäre dies eine Erhöhung von 16 € monatlich.
Sachliche, objektive Berichterstattung wünschenswert
Ein sorgfältiger, sachlicher und auf Fakten basierender Umgang mit dieser Situation, wäre für alle Beteiligten, vor allem aber für die Versicherten, wünschenswert. "Wahlkampf"- Polemik führt an dieser Stelle nur zu einer stetig wachsenden Verunsicherung und möglicherweise zu panischen Reaktionen der Versicherten, die sich für diese auf Dauer nachteilig auswirken können.
Eine richtige mediale Aufklärung wäre gefragt und könnte Verbraucher in diesem Umfeld vor solchen Handlungen bewahren und schützen: Vor allem vor den in solchen Fällen stets massiv werbenden gewerbsmäßigen "Umdeckern" für Versicherer- und Tarifwechsel.
Denn durch einen nicht durchdachten, falschen Wechsel des Versicherers oder des Tarifs, verlieren die Verbraucher evtl. mehr an verbrieften und angedienten Rechten. Die Versicherungsnehmer müssen je nach Fall durch ein höheres (Wieder-/Neu-) Eintrittsalter, den Verlust von Altersrückstellungen (und entsprechend weniger Zeit zum Aufbau von neuen), erst recht mit höheren Beiträgen rechnen, als dies durch die derzeitige Niedrigzinsphase theoretisch der Fall sein könnte.