„Grundsätzlich begrüße ich, dass die Politik Vorschläge macht, wie angehende Ärztinnen und Ärzte für die Arbeit auf dem Land oder in städtischen Gebieten mit problematischer Sozialstruktur gewonnen werden können. Auch die Entwicklung von spezifischen Curricula und Praktika-Angebote für die Fächer Allgemeinmedizin, Kinder- und Jugendmedizin und Öffentliches Gesundheitswesen, die auf die Tätigkeit auf dem Land vorbereiten, halte ich für richtig“, so Pinkowski. „ Eine auf die Zukunft ausgerichtete Verpflichtung, wie sie
der Gesetzentwurf vorsieht, darf jedoch nicht daraus werden. Diese schränkt die Freiheit des Einzelnen ein und lässt sich nicht mit der Lebenswirklichkeit in Einklang bringen“; erklärt der hessische Ärztekammerpräsident. „Außerdem fehlen durch die vorgesehenen Maßnahmen die grundversorgenden Fachärztinnen und Fachärzte auf dem Land. Damit kannibalisieren wir unseren Nachwuchs selbst.“
Bei ca. 12 Jahren Aus- und Weiterbildungszeit in der Medizin sei es für Medizinstudierende und angehende Ärztinnen und Ärzte schwierig, sich zu einem frühen Zeitpunkt für die spätere Berufslaufbahn zu entscheiden. „Nun sollen sich bereits Abiturienten, die durch die „Landarztquote“ die Aussicht auf einen Medizinstudienplatz haben, darauf festlegen können, nach Studium und Weiterbildung zehn Jahre in unterversorgten Gebieten zu arbeiten. Doch wer weiß mit zwanzig, wie die eigene private und berufliche Planung – und die einer Partnerin oder eines Partners – in 15 und 20 Jahren aussieht? Eine derartige Festlegung ist realitätsfern“, betont Pinkowski.
Auch zahlenmäßig reiche der Spielraum von 7,8 Prozent für die „Landarztquote“ (1,3 % für das Öffentliche Gesundheitswesen und 6,5 % für Hausärzte und Kinder- und Jugendärzte) nicht aus, um die Versorgung der Bevölkerung in den aktuell unterversorgten Gebieten perspektivisch leisten zu können. Aus diesem Grund erneuert die Landesärztekammer Hessen ihre Forderung nach einer deutlichen Erhöhung der Medizinstudienplätze. „Nur wenn wir genügend junge Menschen für den Arztberuf ausbilden, hat die ärztliche Versorgung in der Stadt und auf dem Land eine realistische Zukunft“, betont Pinkowski .
Keine gute Idee sei es, bei der Lösung des Ärztemangels in Hessen zusätzlich auf Kolleginnen und Kollegen aus Drittstaaten zu setzen. Abgesehen von den sprachlichen und oft auch fachlichen Schwierigkeiten, entziehe man den Herkunftsländern, in denen diese Ärztinnen und Ärzte ausgebildet wurden, dort dringend benötigte Fachkräfte im Gesundheitswesen. „Es ist bedauerlich, dass die hessische Landesregierung bei den Überlegungen zu dem Gesetzentwurf nicht die fachliche Expertise der Ärztekammer eingeholt hat“, so der hessische Ärztekammerpräsident weiter. „Beispielsweise könnte man, da Hessen anteilig überdurchschnittlich viele Medizinstudienplätze für Studierende aus andere Bundesländern zur Verfügung stellt, einen Teil der zusätzlich zu schaffenden Studienplätze bevorzugt an Hessen vergeben, die sich nach der Ausbildung verpflichten, ihre Weiterbildung in Hessen zu machen bzw. für eine Zeitraum danach in Hessen tätig zu sein.“