Seit Jahresmitte haben sich die europäischen Börsenbarometer zunehmend von den USLeitindizes abgekoppelt. Während DAX und EURO STOXX 50 wie von uns erwartet den Rückwärtsgang einlegten, setzte der S&P 500 seinen Aufwärtstrend fort. Was waren die Gründe für diese divergierende Entwicklung? Ist die Abkoppelung nachhaltig und wenn nicht, wie wird sich die entstandene Lücke wieder schließen?
Allein am unterschiedlichen Expansionsgrad der Geldpolitik kann es nicht gelegen haben. Schließlich entwickeln sich die Bilanzsummen von Fed und EZB schon seit dem Jahreswechsel 2012/13 in entgegengesetzte Richtung. Während das QE3-Programm der Fed zu einem deutlichen Anstieg der Bilanzsumme auf rund 4,5 Bio. USD führte, sank die EZB-Bilanzsumme auf rund 2 Bio. EUR. Wichtiger scheint da schon das Auseinanderlaufen der konjunkturellen Frühindikatoren zu sein. Seit dem Hoch im April dieses Jahres ist der ifo-Geschäftsklimaindex kontinuierlich gesunken. Der ISM-Index konnte seit dem Zwischentief im Januar dagegen deutlich zulegen. Ungewöhnlich ist allerdings, dass der DAX zunächst die Abkühlung der Konjunkturstimmung hierzulande ignorierte.
Unterschiede zeigen sich auch im Verlauf der Unternehmensgewinne. Während die Nettoergebnisse der DAX-Unternehmen seit dem Sommer stagnierten, stiegen die der S&P 500-Unternehmen weiter an. Insgesamt haben die Gewinne dies- und jenseits des Atlantiks allerdings annähernd im gleichen Ausmaß zugelegt. Die Outperformance des S&P 500 ist also auf eine Bewertungsexpansion des US-Börsenbarometers zurückzuführen. Damit bewegt sich das KGV des S&P 500 auf Basis der Schätzungen für die kommenden 12 Monate mit derzeit 16 klar oberhalb des Bandes der vergangenen zehn Jahre (10 bis 15). Dies wäre nur dann gerechtfertigt, wenn sich die Gewinnperspektiven besser entwickeln würden, als ohnehin unterstellt. Das Übergewicht an negativen Gewinnrevisionen auch für die S&P 500-Unternehmen spricht allerdings für das Gegenteil. Aus fundamentaler Sicht besteht somit gerade für die US-Indizes Korrekturbedarf.
Auch marktpsychologische Faktoren sprechen gegen eine Fortschreibung des gegenwärtigen Trends. So hat sich hierzulande die zwischenzeitliche Stimmungsüberhitzung abgebaut, während in den USA nach einer "Schrecksekunde" im Oktober schnell wieder Sorglosigkeit eingekehrt ist. Nimmt man die implizite Aktienvolatilität als Gradmesser, zeigt sich, dass die Stimmungsunterschiede inzwischen extrem ausgeprägt sind. Im Sinne der Kontraindikation spricht dies gegen eine Fortsetzung der Outperformance von US-Aktien. Sowohl fundamentale als auch marktpsychologische Faktoren legen vielmehr eine Korrektur insbesondere bei den US-Leitindizes nahe. Das von uns unterstellte Tempo könnte sich allerdings als zu ambitioniert erweisen.