Während am US-Aktienmarkt offensichtlich das Zeitfenster bis zum Beginn der Zinswende ausgereizt wird und sich Dow Jones Industrials und S&P 500 seit Monaten in der Nähe ihres Kursgipfels bewegen, hat sich die Korrektur bei Euro-Titeln fortgesetzt. Seit ihrem Hoch im April haben DAX und EURO STOXX 50 zeitweilig mehr als zehn Prozent verloren. Dabei ist die implizite Aktienvolatilität - ein Barometer für die Nervosität der Marktteilnehmer - zuletzt angestiegen. Auf den ersten Blick scheint die Unsicherheit hinsichtlich der Entwicklung Griechenlands hierfür verantwortlich zu sein. Das insbesondere in den letzten Wochen immer stärker diskutierte Thema "Grexit" wirkt u.E. aber lediglich als Katalysator einer aus fundamentalen Gründen ohnehin notwendigen Korrektur.Schließlich hatten sich Dividendentitel - angefacht durch das QE-Programm der EZB - zeitweilig deutlich von den fundamentalen Gegebenheiten entfernt. Dabei wurden die Bewertungen weit über die Spitzenniveaus früherer Zyklen ausgedehnt.
Einen Teil der Kursübertreibungen haben Aktien inzwischen schon abgebaut. So hat der DAX mit einem KGV auf Basis der Konsens-Gewinnschätzungen für die kommenden zwölf Monate von 13 zuletzt wieder den oberen Rand des historischen Bewertungsbandes erreicht. Dies liegt auch daran, dass die Schätzungen für die Nettoergebnisse der DAX-Unternehmen in den vergangenen Monaten deutlich angehoben wurden und sich damit das Bewertungsband nach oben verschoben hat. Mit einem erwarteten Gewinnplus von rund 12 % liegt die Messlatte nun aber recht hoch. Schließlich beträgt der langfristige Durchschnitt nur rund 7 %. Ähnlich wie die Konjunkturdaten aus dem Euroraum, wo das positive Überraschungsmomentum zuletzt sichtbar nachgelassen hat und einige Frühindikatoren sogar rückläufig waren, dürften auch die Unternehmensdaten eher hinter den Erwartungen zurückbleiben.
Eine abermalige Bewertungsexpansion ist im aktuellen fundamentalen Umfeld nicht zu erwarten. Vielmehr sprechen die jüngsten Rückgänge bei konjunkturellen Stimmungsindikatoren (z.B. sentix, ZEW-Index) dafür, dass im derzeitigen Zyklusstadium niedrigere KGVs angezeigt wären. Auch die nachlassende Disinflation in der Eurozone schränkt den Bewertungsspielraum ein. Schließlich besteht ein negativer Zusammenhang zwischen Inflationsentwicklung und KGVs. Somit ist aus fundamentaler Sicht weiterer Korrekturbedarf gegeben.
Auch marktpsychologische Indikatoren sprechen dafür, dass die Schwächephase bei Aktien noch nicht ausgestanden ist. Zwar hat sich die Stimmung unter Aktienanlegern im Vergleich zu den Spitzenwerten, die im April erreicht wurden, merklich abgekühlt. Sie bewegt sich aber lediglich im neutralen Bereich. Von übertriebenem Pessimismus, der im Sinne einer Kontraindikation für ein Ende der Korrektur spräche, kann derzeit also noch keine Rede sein. Auch saisonal ist der Zeitraum von Mai bis Oktober im langfristigen historischen Durchschnitt die mit Abstand schwächste Phase am Aktienmarkt. Das Chance-Risiko-Verhältnis ist insgesamt noch nicht hinreichend attraktiv, um bei Aktien schon wieder offensiver zu werden.