2007 war für den deutschen Einzelhandel ein Jahr, das die Unternehmen sicherlich möglichst rasch vergessen möchten. Der Umsatz sank real um 2,2 %, einschließlich der Automobile sogar um 3,9 %. Die gesamten privaten Konsumausgaben sanken zwar auch, mit 0,4 % allerdings weniger stark als der Umsatz im Einzelhandel. Zu einer besonders schmerzhaften Bürde hat sich die dreiprozentige Mehrwertsteuererhöhung entwickelt. Zusammen mit den starken Preiserhöhungen für Nahrungsmittel und Energie hat diese dem Verbraucher die Kauflust verdorben. 2008 sieht es etwas günstiger aus, wenngleich nicht mit einem Konsumschub zu rechnen ist. Eine Indikation für die erwartete Besserung ist das ifo-Geschäftsklima für den Einzelhandel, das im Februar 2008 um nahezu 19 Saldopunkte angestiegen ist und erstmals seit 1997 positives Terrain erreichte, bei dem die Optimisten überwiegen.
Einkommen nehmen 2008 stärker zu
Positiv sollte sich auswirken, dass die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte 2008 mit rund 3 % fast doppelt so schnell steigen wie im Vorjahr. Hierzu trägt der anhaltende Beschäftigungsaufbau bei. Auch 2008 wird das Wirtschaftswachstum mit etwa 1 3/4 % hoch genug ausfallen, damit neue Beschäftigungsverhältnisse entstehen. Die günstige Arbeitsmarktentwicklung hat sich bereits lohnsteigernd ausgewirkt. So wurden die Tariflöhne für die Gesamtwirtschaft 2007 auf Stundenbasis um 2,4 % erhöht. Für 2008 kann mit einem Zuwachs von 3 % gerechnet werden. Die Nettolöhne und -gehälter steigen wegen der Arbeitsmarkteffekte sogar noch stärker an. Zudem werden die Sozialversicherungsbeiträge in der Summe leicht gesenkt (Arbeitslosenversicherung seit Januar: minus 0,9 Prozentpunkte; Rentenversicherung ab Juli: plus 0,25 Prozentpunkte). Auch die Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen dürften 2008 weiter zulegen, wenngleich aufgrund des fortgeschrittenen Gewinnzyklus mit etwas geringerer Dynamik als in den Vorjahren. Der Konsum wird 2008 zusätzlich durch einen leichten Rückgang der Sparquote stimuliert. Dies resultiert aus den Verzerrungen durch die Mehrwertsteuererhöhung des Jahres 2007, die zu dem Anstieg der Sparquote um 0,4 Prozentpunkte auf 10,9 % beigetragen hatten. Obwohl sich die zugrundeliegenden Sparmotive wie die Notwendigkeit stärkerer privater Altersvorsorge nicht ändern werden, dürfte es zu einer entsprechenden Gegenbewegung kommen, so dass die privaten Konsumausgaben um etwa 1 % zulegen sollten.
Die Einzelhandelsumsätze dürften allerdings real nur um 0,5 % ansteigen. So ist durch den starken Rückgang in den vergangenen Monaten ein hoher negativer Überhang entstanden. Damit unterzeichnet die genannte niedrige Jahresrate den damit einhergehenden Umsatzanstieg im Jahresverlauf. Die Preissteigerungen im Einzelhandel sind aufgrund der Warenstruktur und des Wettbewerbsdrucks in der Branche seit Jahren niedriger als der Anstieg der Lebenshaltungskosten: 2007 wurden die Einzelhandelspreise um 1,6 % erhöht, während die Inflationsrate bei 2,3 % lag. Unterstellt man für 2008 einen ähnlich starken Anstieg der Einzelhandelspreise von 1,7 %, dann dürften die deutschen Einzelhändler etwa 2 1/4 % mehr einnehmen.
Körperpflege und Unterhaltungselektronik mit hoher Wertschätzung
Die wichtigste Branchensparte ist der Lebensmittelhandel, dessen Anteil am gesamten nominalen Einzelhandelsumsatz sich seit 2000 von 35 % auf aktuell gut 39 % erhöht hat. Neben den zuletzt stark gestiegenen Lebensmittelpreisen hat auch das Wachstum bei Non-Food-Produkten vor allem bei den Discountern hierzu beigetragen. In der amtlichen Statistik werden die Unternehmen nach dem Schwerpunktprinzip zugeordnet. 2007 sanken die Lebensmittelumsätze in realer Rechnung mit knapp 3 % allerdings überdurchschnittlich stark. Die starken Preissteigerungen dürften hierzu beigetragen haben: Obwohl ein Großteil der in dieser Sparte verkauften Produkte gar nicht von der höheren Mehrwertsteuer betroffen war, erhöhten sich die Lebensmittelpreise im Handel um 2,5 %. Für den Einzelhandel bedeutete dies, dass der wertmäßige Umsatz 2007 nur geringfügig sank.
Der deutsche Lebensmittelmarkt ist stark von den Discountern geprägt: Mit knapp 42 % wird über diese Vertriebsschiene der meiste Umsatz erwirtschaftet. Zwar ist das stürmische Wachstum der Discounter einer moderateren Entwicklung gewichen. Bis zuletzt konnten sie ihren Umsatzanteil allerdings weiter erhöhen. Dabei gelingt es den Unternehmen, den sich wandelnden Verbraucherwünschen nachzukommen. So geht es nicht mehr nur darum, Standardlebensmittel möglichst billig anzubieten. Zunehmend werden auch höherwertige Waren wie Bioprodukte allerdings möglichst preisgünstig angeboten. Daneben hat die moderatere Entwicklung im Discountbereich bereits zu einer forcierten Konsolidierung geführt. So erwarb zuletzt Edeka die Tengelmann-Discounttochter Plus. Zu den Verlierern in dieser Sparte gehört der Facheinzelhandel mit Lebensmitteln, dessen Anteil am gesamten Lebensmitteleinzelhandel in den letzten Jahren kontinuierlich auf heute unter 10 % gesunken ist. 1991 betrug der Anteil noch gut 13 %.
Der Attraktivitätsverlust der Waren- und Kaufhäuser hat auch 2007 angehalten. Die Häuser mussten einen realen Umsatzeinbruch von 5 % hinnehmen. In den letzten zwanzig Jahren hat sich der Anteil dieser Sparte am gesamten Einzelhandelsumsatz auf weniger als 5 1/2 % fast halbiert. Diese Entwicklung und die unbefriedigende Ertragslage wird in den nächsten Jahren zu weiteren Hausschließungen führen. Auch über eine Fusion der beiden großen Warenhausketten Karstadt und Kaufhof wird spekuliert.
Die Apotheken profitieren zwar seit langem von der Alterung der Bevölkerung und dem zunehmenden Einsatz innovativer Arzneimittel. Seit 2006 hat die Umsatzdynamik allerdings nachgelassen: Nach den amtlichen Zahlen konnten die Apotheken 2007 nur einen kleinen Umsatzzuwachs von real 0,2 % erwirtschaften. Vor allem aufgrund der höheren Mehrwertsteuer stiegen die wertmäßigen Umsätze um 1,8 %. Auch der Einzelhandel mit kosmetischen Artikeln und Körperpflege profitiert seit Jahren von der zunehmenden Alterung der Gesellschaft sowie dem höheren Stellenwert dieser Produkte auch in den jüngeren Altersgruppen. Der reale Umsatz dieser Handelssparte erhöhte sich 2007 um 2,8 %.
Der Einzelhandel mit Kosmetika dürften auch 2008 zu den Gewinnerbranchen im Einzelhandel gehören. Auch bei den Apotheken ist mit weiteren moderaten Zuwächsen zu rechnen. Darüber hinaus besteht berechtigte Hoffnung, dass der sonstige Facheinzelhandel eine Umsatzerhöhung erzielt. Das gilt insbesondere für den Handel mit elektronischen Konsumgütern, der von der großen Zahl an innovativen Produkten wie Flachbildschirmen profitiert. Von den besseren Rahmenbedingungen könnte 2008 auch ein klassischer Bereich wie der Handel mit Bekleidung erneut profitieren. Bereits im Vorjahr konnte diese Sparte eine moderate reale Steigerung realisieren. Im Lebensmitteleinzelhandel ist hingegen bislang noch keine Trendwende festzustellen. Die Belastung durch steigende Lebensmittelpreise dürfte auch 2008 anhalten, so dass in dieser Sparte bestenfalls mit stagnierenden Realumsätzen zu rechnen ist.
Mittelfristig wenig Wachstumspotenzial für den Einzelhandel
In den letzten zehn Jahren ist der deutsche Einzelhandel um durchschnittlich real nur 1/4 % gestiegen, der nominale Zuwachs lag bei 3/4 %. Auch zukünftig dürfte die Branche auf mittlere Sicht kaum mehr Wachstum aufweisen. Maßgeblich für diese Entwicklung ist die Sättigungstendenz bei den Gütern des Grundbedarfs wie Lebensmittel oder Textilien, die vorwiegend im Einzelhandel verkauft werden. Die Ausgaben für diese Güter steigen bestenfalls unterdurchschnittlich. Damit verschiebt sich die Konsumstruktur weiter zu Lasten der Güter im Einzelhandel und zu Gunsten von einzelnen Dienstleistungssparten, beispielsweise im Tourismus oder der privaten Gesundheitsvorsorge. Seit 1991 hat sich der Anteil des Einzelhandels an den gesamten privaten Konsumausgaben bereits von gut einem Drittel auf aktuell ein Viertel verringert.
Ein zweiter Belastungsfaktor, der sich in den nächsten Jahren noch stärker bemerkbar machen wird, ist die demografische Entwicklung. Die deutsche Bevölkerung sinkt bereits minimal seit 2004, weil der seit einigen Jahren sinkende Wanderungssaldo das Geburtendefizit nicht mehr ausgleichen kann. Aufgrund des weiter steigenden Geburtendefizits wird sich nach Prognosen des Statistischen Bundesamtes dieser Trend fortsetzen und sich langfristig sogar verschärfen.
Anhaltender Ertragsdruck
Die Verkaufsfläche des deutschen Einzelhandel ist seit 1995 um gut 23 % auf 117 Mio. qm gestiegen. Die Umsätze stiegen in dieser Zeit noch nicht einmal um 7 %, was zu einer entsprechenden Senkung der Flächenproduktivität von gut 3.500 € auf 3.000 € je qm geführt hat. Dies hat die chronisch schwache Ertragslage im Einzelhandel weiter belastet. Legt man die Umsatzrendite vor Steuern (EBT) zugrunde, dann ist diese Kennziffer seit dem Jahr 2002 negativ. Im Gegensatz zur Jahrtausendwende konnte der Einzelhandel auch nicht von der zeitweise günstigeren Umsatzentwicklung profitieren. Auf mittlere Sicht wird der Ertragsdruck anhalten: Die Branche leidet unter dem scharfen Preiswettbewerb hierzulande. Auch wird sich an der niedrige Flächenproduktivität nichts Wesentliches ändern: So erwartet der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) bis 2010 eine nochmalige Zunahme der Verkaufsfläche um gut 4 % auf dann 122 Mio. qm. Die nominalen Umsätze dürften in diesem Zeitraum kaum stärker zulegen. Zu einer zusätzlichen Belastung wird die Unternehmensteuerreform 2008. Bei der Gewerbesteuer werden nun dem Gewinn aus Gewerbebetrieb Miet- und Pachtzinsen zu dreizehn Zwanzigstel hinzugerechnet. Dies dürfte gerade Unternehmen in Innenstadtlagen mit hohen Mietzahlungen treffen.
Die Leistungskennziffern und damit die Ertragslage variiert in den einzelnen Sparten des Einzelhandels deutlich. So ist die Flächenproduktivität im Lebensmitteleinzelhandel mit knapp 4.000 € je qm um fast 1.000 € höher als in der Gesamtbranche. Bei den Discountern werden sogar gut 5.000 € pro qm umgesetzt. Dementsprechend differiert auch die Mitarbeiterproduktivität. Während im gesamten Einzelhandel ein Mitarbeiter einen Umsatz von 139 Tsd. € erwirtschaftet, sind es im Lebensmitteleinzelhandel rund 215 Tsd. € und bei den Discountern sogar 418 Tsd. €. Damit liegt auch die Ertragslage der Discounter deutlich über dem Branchendurchschnitt.