Britisches Wirtschaftswachstum gewinnt an Dynamik
Die britische Wirtschaft ist in Schwung gekommen. Im zweiten Quartal wuchs das Bruttoinlandsprodukt gegenüber der Vorperiode um 0,6 % und auch auf einer breiten Basis. Von der Industrie über den Einzelhandel bis hin zu den Häuserpreisen häufen sich die positiven Anzeichen. Stimmungsindikatoren wie die Einkaufsmanagerindizes signalisieren eine weitergehende Beschleunigung.
Die Bank of England (BoE) hingegen fokussiert sich unter ihrem neuen Notenbankchef Carney auf den noch schwerfälligen Arbeitsmarkt und bindet sich an ihre Niedrigzinspolitik zumindest solange, bis die Arbeitslosenquote unter die Schwelle von 7 % (derzeit 7,8 %) gefallen ist.
Gleichwohl hat sich die Notenbank Hintertürchen - eine höhere Inflationsprognose als 2,5 %, zu hohe Inflationserwartungen sowie die Bedrohung der Finanzstabilität - offen gelassen, um die Zinsbindung außer Kraft zu setzen. Sollte die britische Wirtschaft wieder richtig Tritt fassen, käme der Test für die BoE jedoch viel früher als erwartet.
Wochen-Quartals-Tangente
Die Hitze klingt ab. Ist damit auch die sommerliche Ruhe an den Finanzmärkten bald vorbei? In der abgelaufenen Woche war davon noch nicht viel zu spüren. An den Aktienmärkten gab es zwar gewisse Kursausschläge, per Saldo hielten sich jedoch die Marktbewegungen in Grenzen. Deutsche Renten verzeichneten marginale Verluste, bei den US-Treasuries wirkte der etwas enttäuschende Arbeitsmarktbericht der Vorwoche nach, die Renditen sanken. Neuerliche Diskussionen über das Herunterfahren des Fed-Wertpapierkaufprogramms schadeten den US-Staatsanleihen kaum, genauso wenig bessere Konjunkturindikatoren. Der US-Dollar erwies sich sogar als größter Verlierer am Devisenmarkt. Der Euro profitierte umgekehrt von positiven Wirtschaftsmeldungen aus der Währungsunion. Auch aus China kamen endlich wieder erfreuliche Konjunkturnachrichten.
Die positivere konjunkturelle Entwicklung vor allem in den Industrieländern dürfte in der Berichtswoche bestätigt werden. Das japanische Bruttoinlandsprodukt wuchs im zweiten Quartal wohl überdurchschnittlich. Aus der Eurozone stehen ebenfalls die Wachstumszahlen an. Spanien und Italien überraschten bereits mit nur noch geringen Minuszeichen. In Deutschland expandierte das Bruttoinlandsprodukt im zweiten Vierteljahr vermutlich kräftig - auch wegen wetterbedingten Nachholeffekten. Damit dürfte die gesamte Eurozone nach sechs rückläufigen Quartalen endlich wieder etwas wachsen (S. 5). In den USA steht ein großer Reigen von Konjunkturindikatoren an (S. 4). Ob sich dadurch wegweisende Erkenntnisse hinsichtlich der Debatte über die Notenbankkäufe ergeben, bleibt abzuwarten.
An den Finanzmärkten müssen die positiveren Wirtschaftsdaten nicht unbedingt einen großen Einfluss ausüben. Schließlich haben insbesondere die Aktienmärkte den Aufschwung bereits im Vorfeld abgefeiert. Nach den deutlichen Renditeanstiegen im Mai/Juni hat der Rentenmarkt eine gewisse Krisenentspannung in der Eurozone schon eskomptiert. Hier drohen kurzfristig keine größeren Kursverluste, zumal die führenden Notenbanken - nun auch die Bank of England - ihre Niedrigzinsen für längere Zeit fortschreiben möchten. Der Euro, der Spitzenreiter am Devisenmarkt 2013, hat die Erholung der Eurozone ohnehin schon eingepreist. Sollten in den nächsten Wochen - was kaum zu vermeiden ist - auch einmal wieder schlechtere Nachrichten kommen, könnte die sommerliche Ruhe an den Finanzmärkten ein Ende finden.
Im Fokus
USA: Keine Urlaubszeit an der Datenfront
In der Berichtswoche steht in den USA die Datenflut zur Monatsmitte auf dem Programm. Das Highlight sind wohl die Einzelhandelsumsätze. Da sich die Fed in ihrem letzten Kommuniqué über eine zu niedrige Teuerung beklagt hat, wird zudem interessant sein, ob die Erwartungen des FOMC einer wieder anziehenden Inflationsrate bereits im Juli eingetroffen sind. Wir gehen davon aus. Die Baubeginne haben zuletzt an Schwung verloren, wobei die Schwäche vor allem Wohnanlagen betraf. Allerdings hat sich der Aufwärtstrend auch bei den Einfamilienhäusern abgeflacht. Die Industrieproduktion dürfte im Juni einen merklichen Zuwachs verzeichnet haben.
Der private Konsum hat in den vergangenen Jahren seit 2010 inflationsbereinigt mit einer vergleichsweise stabilen Jahresrate von gut 2 % zugelegt. Über den gleichen Zeitraum haben sich im Schnitt der Preisanstieg, gemessen am Deflator für die Konsumausgaben, und der Lohnanstieg in etwa die Waage gehalten. Die Haushaltseinkommen und damit auch die Konsumausgaben profitieren aber auch vom Stellenaufbau in der Privatwirtschaft, der nun schon längere Zeit bei rund 2 % gegenüber Vorjahr liegt. Die höheren Steuern und Abgaben zum Jahresbeginn 2013 haben die Verbraucher weitgehend über eine niedrigere Sparquote abgefangen. Sie lag im Q1 mit 4 % der verfügbaren Einkommen deutlich unter dem Durchschnitt für 2012 von rund 5,5 %. Für den Juli stehen die Zeichen auf einen leichten Anstieg der Einzelhandelsumsätze. Die Zahl der verkauften Pkws war aber niedriger als im Vormonat und die Tankstellenumsätze sollten von den Benzinpreisen keinen nennenswerten Schub erhalten haben. Ein Zuwachs der Umsätze um 0,2 % gegenüber Juni würde wohl preisbereinigt Stagnation bedeuten. Eine merkliche Beschleunigung der Konsumausgaben zeichnet sich damit für Q3 nicht ab.
Im Verarbeitenden Gewerbe der USA läuft es angesichts der verhaltenen internationalen Wachstumsdynamik recht rund. Die Vorjahresrate der Produktion liegt mit gut 2 % ein ganzes Stück höher als die Wachstumsrate der US-Wirtschaft insgesamt (Q2: 1,4 % gegenüber Vorjahr). Verglichen mit Japan und der Eurozone ist das Bild in Amerika zudem über den gesamten aktuellen Zyklus hinweg betrachtet freundlicher. Obwohl auch hier der Gipfel von vor der Krise noch nicht wieder erreicht worden ist, ist in den USA die Produktion viel näher an diesem Hoch als in den anderen beiden Industriestandorten. Entsprechend liegt die US-Kapazitätsauslastung nur wenig unterhalb ihres langfristigen Durchschnitts, der "Normalauslastung". Die Hersteller langlebiger Güter verzeichnen dabei eine relativ bessere Auslastung als die "non-durable" Sektoren. Für den Juli ist die Datenlage zur Produktion widersprüchlich. Zwar ist der ISM-Index für die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe auf 65 gestiegen, den höchsten Wert seit 2004. Allerdings hat sich die Zahl der in der Industrie geleisteten Arbeitsstunden gegenüber dem Juni kaum verändert. Wir rechnen mit einem Plus von 0,4 % gegenüber Vormonat, in ähnlicher Größenordnung wie für die Industrieproduktion insgesamt (d.h. einschließlich Bergbau- und Versorger-Output).
Eurozone: Endlich wieder Wachstum!
Erstmals seit sechs Quartalen dürfte die Eurozone im zweiten Quartal wieder gewachsen sein. Aufgrund seines hohen Gewichts trägt Deutschland mit voraussichtlich 0,6 % hierzu maßgeblich bei. Aber auch für Frankreich ist erstmals seit einem halben Jahr wieder mit einem moderaten Plus zu rechnen. Die Rezession in Spanien und Italien wird erst im zweiten Halbjahr auslaufen.
Nach dem Einbruch Ende 2012 und der nur sehr zögerlichen Erholung zu Jahresbeginn dürfte das zweite Quartal in Deutschland mit einem Wirtschaftswachstum von 0,6 % gegenüber den drei Monaten zuvor wieder lebhafter aufgefallen sein. Darin spiegelt sich allerdings nur teilweise eine stärkere konjunkturelle Dynamik; auch Nachholeffekte nach dem langen Winter spielen eine Rolle.
So ist die Bauproduktion im zweiten Vierteljahr um 12 % gestiegen nach zwei deutlichen Quartalsrückgängen.
Insgesamt legte die Industrieproduktion beachtliche 2,8 % zu. Impulse gingen zudem vom Kfz-Handel aus. Auch hier dürfte die vorherige Zurückhaltung zum Teil wetterbedingt gewesen sein. Der Einzelhandel ohne Kfz hingegen lieferte keinen nennenswerten Wachstumsbeitrag.
Die privaten Konsumausgaben dürften trotzdem gewachsen sein. Der Einzelhandel hat mit 28 % einen verhältnismäßig geringen Anteil an den Verbrauchsausgaben. Wichtiger sind die Dienstleistungskomponenten des Konsums, die von steigenden Einkommen und Beschäftigung profitieren.
Ein deutlicher Schub sollte von den Bauinvestitionen ausgegangen sein, während die Inlandsaufträge der Investitionsgüterhersteller noch keine grundlegende Besserung für die Ausrüstungen signalisieren. Der Außenhandel wartet ebenfalls noch auf Impulse. Die Krise bei wichtigen europäischen Abnehmern deutscher Produkte belastet die Ausfuhren und die Dynamik in den Schwellenländern hat zuletzt abgenommen, so dass die Nettoexporte in Q2 gebremst haben dürften.
Das hohe Wachstum in Deutschland trägt maßgeblich dazu bei, dass auch die Eurozone mit 0,2 % erstmals nach sechs Quartalen wieder wächst, zumal auch Frankreich einen leichten BIP-Anstieg in dieser Höhe aufweisen dürfte: Die Verbraucher haben ihre Ausgaben gesteigert und die französische Industrie hat in Q2 wieder mehr produziert. Deutschland und Frankreich zusammen erwirtschaften fast 50 % der Leistung der Eurozone. Italien (-0,2 % gg. Vq.) und Spanien (-0,1 % gg. Vq.) mussten zwar nochmals einen Rückgang ihrer gesamtwirtschaftlichen Leistung hinnehmen.
Trotzdem läuft die Rezession in beiden Ländern im zweiten Halbjahr 2013 aus. So haben sich die Einkaufsmanagerindizes der Industrie sowohl in Italien als auch in Spanien auf rund 50 Punkte verbessert. Insbesondere Spanien profitiert über seine erhöhte Wettbewerbsfähigkeit von deutlich steigenden Exporten. Die Arbeitslosigkeit ist aufgrund einer günstigen Tourismussaison im Juli zum fünften Mal in Folge gesunken. In saisonbereinigter Lesart hat sie sich zumindest auf dem erreichten hohen Niveau stabilisiert. Auch für Italien sind erste zögerliche Besserungstendenzen auszumachen. So ist das Konsumklima in den letzten Monaten deutlich angestiegen und die Einzelhandelsumsätze haben sich stabilisiert. Zuletzt hat zudem die italienische Industrie von steigenden Auftragseingängen profitiert. Beide Länder dürften im zweiten Halbjahr wieder leicht wachsen.
Helaba Kapitalmarktszenarien
Hauptszenario: With a Little Help from My Friends
In unserem Kapitalmarktausblick 2013 haben wir unsere Szenarien mit Beatles Songs unterlegt. Im Hauptszenario "With a Little Help from My Friends" (Eintrittswahrscheinlichkeit: 75 %) gelingt die von der Geld- und Finanzpolitik angelegte konjunkturelle Wende der Weltwirtschaft. Das Wachstum bleibt jedoch insgesamt verhalten. In den Industrieländern haben die Notenbanken mit ihren unkonventionellen Maßnahmen - allen voran den Anleihekäufen - zu einer Stabilisierung der Finanzmärkte und zu einer Rückkehr des Vertrauens beigetragen. Das Auseinanderbrechen des Eurosystems bzw. ein Kollaps des globalen Finanzsystems ist unwahrscheinlicher geworden.
Die Notenbanken stützen mit ihrer expansiven Politik und verzerren damit die Rentenmärkte, selbst wenn die Federal Reserve im zweiten Halbjahr 2013 ihr Kaufprogramm herunterfahren dürfte. Dies sorgt zusammen mit einer allmählichen Belebung der Weltwirtschaft für nachlassende Risikoprämien. Insgesamt zeichnet sich im Jahresverlauf 2013 eine konjunkturelle Erholung ab. Das globale BIP-Wachstum dürfte aber im Jahresdurchschnitt unter 3 % bleiben. Der Risikoappetit der Anleger nimmt 2013 zu. Aktien erweisen sich als attraktivste Anlageklasse, während Bundesanleihen die Gunst der Anleger verlieren. Der US-Dollar wird aufgrund der weniger expansiven US-Geldpolitik gegenüber dem Euro etwas zulegen können.
Alternativszenario: Yesterday
In unserem negativen Szenario "Yesterday" (15 %) springt der Wachstumsmotor nicht an. Zu sehr sind Unternehmen über die hohe Staatsverschuldung verunsichert und scheuen sich, Risiken einzugehen. Die Notenbanken scheitern in ihren Bemühungen, die Risikoprämien nachhaltig zu drücken. Die Fehler der Vergangenheit lassen sich doch nicht einfach ganz wegmonetisieren. Folglich kommt die Weltwirtschaft nicht in Schwung. Die Industrieländer geraten in ein deflationäres Umfeld. Geopolitische Risiken könnten die Konjunktur zusätzlich belasten. Anleger suchen Sicherheit, wovon der US-Dollar und Anleihen mit höchster Bonität profitieren, während die Aktienmärkte unter Druck geraten.
Alternativszenario: Here Comes the Sun
In unserem positiven Szenario "Here Comes the Sun" (10 %) schießen die Notenbanken übers Ziel hinaus: Der von der Geldpolitik weit geöffnete Kreditkanal sorgt dafür, dass der globale Investitionszyklus rasch an Breite und Tiefe gewinnt. Die üppige Liquiditätsausstattung befeuert nicht nur die Kapitalmärkte, sondern treibt sukzessive auch die Teuerung in der Realwirtschaft. Im Euroraum wird die Krise damit schneller als erwartet überwunden, zumal weitere Konsolidierungsschritte in die Zukunft verschoben werden. Aktien und auch der Euro strahlen heller denn je, während deutsche Renten im Dunkeln bleiben.