- Laut FOMC-Kommuniqué erwartet das Gremium mehrheitlich, dass die Leitzinsen aus heutiger Sicht "mindestens bis Ende 2014" auf sehr niedrigem Niveau bleiben werden.
- Die Fed gibt sich zudem ein "Mission Statement", was aber mehr eine formelle als eine inhaltliche Innovation darstellt.
- Hinter diesen Maßnahmen steht letztlich der Versuch der Fed, der Wirtschaft ohne neue Kaufprogramme Impulse zu geben.
Die gestern erstmalig veröffentlichten Leitzins-Projektionen der FOMC-Mitglieder waren nicht überraschend. Die Mehrheit erwartet, dass der richtige Zeitpunkt für eine Zinswende erst 2014 (fünf Teilnehmer) oder 2015 (vier) kommen wird. Drei der Teilnehmer rechnen damit noch im Jahr 2012, drei im Jahr 2013. Zwei Sitzungsteilnehmer setzen den Termin derzeit erst für 2016 an. Die Verlängerung des angekündigten Zeitraums einer sehr expansiven Geldpolitik von "bis Mitte 2013" auf "bis Ende 2014" im Kommuniqué haben aber alle stimmberechtigten FOMC-Mitglieder mit Ausnahme von Jeffrey Lacker mitgetragen.
Dies ist wohl vor dem Hintergrund zu sehen, dass die gestrigen Beschlüsse mehr als Ersatz für - im Wahljahr politisch heikle - zusätzliche Kaufprogramme zu sehen sind, denn als ernst gemeinte Prognose. Wie die vergangenen Jahre gezeigt haben, ist die Fähigkeit der Ökonomen, die wirtschaftliche Entwicklung auch nur in den kommenden zwölf Monaten vorherzusehen, sagen wir, eingeschränkt. Die Erfahrung zeigt, dass dies in gleichem Maße für die Fed gilt - trotz ihres Informationsvorsprungs und ihres großen Research-Apparats. Das FOMC hat die Rezession von 2007 bis 2009 so wenig kommen sehen wie die meisten Beobachter in der Privatwirtschaft und ihre Schwere lange Zeit unterschätzt. In den Jahren 2010 und 2011 waren die Geldpolitiker dann zu optimistisch, was die Stärke des Aufschwungs anging. Hier haben sogar viele "außenstehende" Ökonomen besser gelegen. Vor diesem Hintergrund ist eine solche konditionierte Projektion für einen Zeitraum von zwei oder mehr Jahren mit erheblichem Vorbehalt zu konsumieren.
Aus heutiger Sicht erscheint die zentrale Aussage der Fed sicher nicht besonders kontrovers. Die Märkte hatten eine auf absehbare Zeit sehr expansive Fed schon vorher eingepreist. Unsere Prognose von eher moderatem Wachstum in den kommenden Quartalen und die Erwartung der (überfälligen) Konsolidierung der Bundesfinanzen nach den Wahlen im November 2012 hatten uns mit einer Zinswende sowieso nicht vor 2014 rechnen lassen. Im Jahr 2013 dürfte die gesamtwirtschaftliche Nachfrage durch eine restriktivere Fiskalpolitik des Bundes spürbar gedämpft werden - kaum ein Umfeld, in dem auch noch die Geldpolitik gestrafft werden muss. Allerdings kann auf Sicht von zwei bis vier Jahren viel passieren. Sollten sich dann die jetzt veröffentlichten Projektionen als eklatante Fehlprognosen herausstellen, könnte die zusätzliche Transparenz eine erfolgreiche Geldpolitik mehr behindern als fördern.
Ob die Fed ihr Ziel, der Konjunktur zusätzlichen Schub zu geben, mit diesen Maßnahmen erreicht, ist fraglich. So ist insbesondere unklar, ob niedrigere langfristige Zinsen derzeit eine große Wirkung hätten. Zudem besteht das Risiko, dass die Fed den Verfechtern der These "USA gleich Japan", also dass eine langjährige Malaise bevorsteht, mit ihrer Nullzinspolitik Auftrieb verleiht. Pessimismus über den wirtschaftlichen Ausblick wird aber kaum die erhofften konjunkturellen Impulse liefern, eher im Gegenteil.
Unspektakuläre langfristige Ziele
Das "Mission Statement" der Fed zu ihren längerfristigen Zielen scheint zwar auf den ersten Blick erstmals ein offizielles Inflationsziel zu enthalten. Die Festlegung auf einen Anstieg des Preisindex für Konsumausgaben von 2 % p.a. ist jedoch nur als förmliche Ausformulierung einer Praxis zu sehen, die bereits mit der Veröffentlichung der "langfristigen Projektionen" der FOMC-Mitglieder Anfang 2009 begann[1]. Die Fed betont zudem die Unsicherheit, was Schätzungen der langfristig tragfähigen Arbeitslosenquote angeht. Damit gewinnt sie eine gewisse Freiheit für den Fall von Zielkonflikten zwischen Inflation und Beschäftigung. Hinzu kommt, dass die amerikanische Notenbank ihre Ziele nicht frei bestimmen kann, sondern sich im Rahmen des entsprechenden Gesetzes bewegen muss. Dessen "duales Mandat" setzt dem Spielraum der Notenbanker in dieser Frage recht enge Grenzen - und könnte jederzeit durch einen Beschluss des Kongresses verändert/konkretisiert werden.
Fazit: Bis 2014 wird noch viel passieren
Dem berühmten Ökonomen John Maynard Keynes wird die Aussage zugeschrieben: "When the facts change, I change my mind." Auf die jetzt veröffentlichten Projektionen der Fed bezogen, heißt das: Man sollte sie nicht überbewerten, denn in einem so langen Zeitraum wird viel passieren, was derzeit niemand erwartet. Dass so langfristige Szenarien wirklich in allen Einzelheiten eintreten, ist daher sehr unwahrscheinlich. Insofern sind die Aussagen der Notenbanker immer unter den wichtigen Vorbehalt "aus heutiger Sicht" zu stellen. Den langfristigen (oder neutralen) Leitzins sehen die FOMC-Mitglieder übrigens mehrheitlich zwischen 4 und 4,5 %. Während uns das realistisch erscheint, wirft es die Frage auf, ob dann, wenn die Zinswende kommt, ein entsprechend rasanter Zinserhöhungszyklus auf dieses Niveau droht. Oder gehen die Geldpolitiker davon aus, dass sie - selbst wenn sie erst 2014 mit den Zinserhöhungen beginnen - weitere Jahre Zeit haben, um den Leitzins auf ein neutrales Niveau zu schleusen? Das wäre dann tatsächlich ein "Japan-Szenario" für die US-Wirtschaft.
[1] Siehe Fed aktuell "Fed jetzt praktisch mit Inflationsziel" vom Februar 2009
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