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Finanztransaktionssteuer: Eine Lösungs-Chimäre

(lifePR) (Frankfurt am Main, )
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- Die Finanztransaktionssteuer gilt vielen als eine Art "Wunderwaffe", mit der gleich mehrere wichtige politische Ziele erreicht werden können.

- In der Realität würde eine solche Steuer jedoch bestenfalls einen zweitbesten Weg in Richtung der anvisierten Ergebnisse darstellen. Zum Teil wäre sie sogar kontraproduktiv und mit erheblichen unerwünschten Nebenwirkungen verbunden.

- Dies heißt nicht, dass die Ziele der Steuer - insbesondere eine verbesserte Finanzmarktstabilität - verfehlt sind. Ihre aktuelle Popularität in der Politik beruht aber offensichtlich nicht auf einer nüchternen Kosten-Nutzen-Analyse.

Die Finanztransaktionssteuer (FTS) - also eine Steuer auf das Handelsvolumen bestimmter Finanzaktiva - ist eine Idee, deren Zeit nun gekommen zu sein scheint. Jahrzehntelang hatte eine erstmals im Jahr 1972 von dem Ökonomen James Tobin ins Gespräch gebrachte Steuer auf den weltweiten Devisenhandel wenig Fürsprecher. Selbst der spätere Vorstoß von Globalisierungskritikern, mit Hilfe einer solchen "Tobin-Steuer" zusätzliche Mittel für die Entwicklungshilfe zu generieren, brachte den Stein nicht ins Rollen. Im Gegenteil: Die Tendenz in den Industrieländern ging lange in die andere Richtung - Deutschland (1991), Frankreich und Italien (beide erst 2008) haben ihre Börsenumsatzsteuern abgeschafft, in der Schweiz wird seit langem über ihre Abschaffung diskutiert. Noch 2009 - also nach dem Ausbruch der Finanzkrise - war es die offizielle Hal-tung der deutschen Bundesregierung, dass sie keine Pläne zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer verfolgt. Wenn überhaupt, so konnte man sich einen solchen Schritt nur auf globaler Ebene vorstellen.

Dies hat sich mittlerweile grundlegend geändert. Selbst wenn sich innerhalb der EU kein Konsens für eine solche Steuer finden ließe, geht die Tendenz derzeit dahin, sie notfalls nur in der Eurozone oder sogar im nationalen Alleingang einzuführen. Ist diese Entwicklung zu begrüßen?

In dieser Publikation überprüfen wir die grundsätzliche Eignung einer Transaktionssteuer, die ihr zugeteilten Aufgaben zu erfüllen, nennen mögliche Nebenwirkungen und betrachten - am konkreten Beispiel des Vorschlags der EU-Kommission - die möglichen Folgen spezifischer Ausgestaltungsmerkmale einer solchen Steuer.

"Allzweckwaffe" Finanzsteuer?

Die Verfechter einer FTS sehen sie als adäquates Mittel um "auf einen Schlag" vier politische Ziele zu erreichen. Sie soll:

- Steueraufkommen für die öffentliche Hand beschaffen
- die Finanzmarktstabilität erhöhen und zukünftige Krisen verhindern
- die Banken für die Kosten der Finanzkrise zur Kasse bitten
- Gerechtigkeit schaffen

Bei näherer Betrachtung stellt sich allerdings heraus, dass das vermeintliche Allheilmittel bestenfalls ein zweit- oder drittbester Weg ist, diese Ziele zu erreichen. Teilweise dürfte es sich sogar als kontraproduktiv erweisen.

Zudem gilt: Wie bei allen Steuern besteht auch bei der FTS ein Widerspruch zwischen fiskalischen und Lenkungszielen. Sollte sich im Extremfall das Handelsvolumen am Finanzmarkt gar nicht ändern, würde der Steuerertrag maximiert - dies stünde aber im klaren Widerspruch zum zweiten Ziel der Steuer. Wenn der Handel in den betroffenen Marktsegmenten hingegen ganz zum Erliegen käme, würde der Steuerertrag gegen Null tendieren. In diesem Fall würden nicht nur das erste, sondern zusätzlich noch das dritte und das vierte Ziel nicht erreicht. Bleiben wir aber zunächst beim Ziel Nr. 1.

Ziel Nr. 1: Mittelbeschaffung und steuersystematische Problematik Historisch hat sich gezeigt, dass neue Steuern, einmal eingeführt, nur äußerst selten wieder abgeschafft, sondern eher immer weiter erhöht werden. Dies gilt umso mehr, als es sich bei der FTS wie bei der Mehrwertsteuer um eine indirekte Steuer handelt, die von den Akteuren nicht so bewusst wahrgenommen wird wie die direkten Steuern. So stimmt insbesondere bedenklich, dass einige der eifrigsten Verfechter der Transaktionssteuer genau die Regierungen derjenigen Länder sind, bei denen die Steuer- und Abgabenquoten am Bruttoinlandsprodukt sowieso schon deutlich oberhalb des OECD-Schnitts liegen. Hier stellt sich die Frage, ob das Optimum für die Staatsquote nicht bereits überschritten sein könnte. Im konkreten Fall des Vorschlags der EU-Kommission (siehe S. 6) kommt noch ein anderes Problem hinzu: Die EU-Kommission will das Steueraufkommen als EU-Eigenmittel, also als erste EU-eigene Steuer, verbuchen. Damit wäre ein Präzedenzfall geschaffen und die Kommission würde beginnen, sich aus der bestehenden Abhängigkeit von den finanziellen Beiträgen der Mitgliedstaaten zu befreien. Die Haushaltshoheit der nationalen Parlamente würde so weiter ausgehöhlt.

Steuersystematisch und vor allem gemessen an dem Ideal eines "optimalen" Steuersystems, wäre die FTS eindeutig ein Fremdkörper. Steuern sollen ein gegebenes Aufkommen mit möglichst geringen Kosten und Verzerrungen in der Wirtschaft generieren. Die FTS wäre jedoch eine spezielle Verbrauchsteuer, die in einem modernen Steuersystem eigentlich nur dann einen Platz hat, wenn - z.B. aus erhebungstechnischen Gründen oder wegen mangelnder Steuerehrlichkeit - die Alternativen allgemeine Verbrauchs- und Einkommensteuern nicht zur Verfügung stehen. Dies ist in Deutschland und an den führenden Finanzplätzen der Eurozone eindeutig nicht der Fall. Als neue Steuer wäre bei der FTS außerdem mit erheblichen Erhebungskosten zu rechnen - entweder beim Staat oder bei den Unternehmen, je nachdem wo der bürokratische Aufwand anfällt.

Die FTS passt zudem nicht zu einer allgemeinen Umsatzsteuer, wie der in der EU verwendeten Mehrwertsteuer. Wieso? Argumentieren nicht manche, dass gerade die Tatsache, dass Bankdienstleistungen von der Mehrwertsteuer ausgenommen sind, eine FTS zwingend erforderlich macht? Die Mehrwertsteuer ist jedoch eine Konsumsteuer. Vorleistungen bzw. Transaktionen innerhalb des Unternehmenssektors sind durch den Vorsteuerabzug ausgenommen - die Steuerlast trägt einzig der Endverbraucher. Der Erwerb von Wertpapieren, selbst wenn er direkt von den privaten Haushalten getätigt wird, ist jedoch kein Konsum, sondern dient der Ersparnisbildung. Die Ersparnis ist aber gerade das "Gegenteil von Konsum". Es mag Bankdienstleistungen für private Haushalte geben, die einen gewissen Konsumcharakter haben oder in einer Grauzone liegen (Sortengeschäft, Nutzung von Geldautomaten und Schließfächern, Kontoführung, Vermögensverwaltung). Diese haben aber mit dem Transaktionsvolumen an den Märkten - der geplanten Bemessungsgrundlage für die FTS - so gut wie nichts zu tun. Eine FTS würde die Ersparnis, nicht den Konsum, besteuern.

Die FTS würde auch gegen ein anderes fundamentales Prinzip unseres Steuersystems verstoßen - die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Diese spielt bei einer Steuer auf Finanzmarkttransaktionen keinerlei Rolle, denn der Kauf und Verkauf von Wertpapieren stellt eine Vermögensumschichtung dar, welche die Leistungsfähigkeit nicht erhöht. Nur wenn Kursgewinne anfallen oder die Wertpapiere eine Rendite abwerfen, steigt die Leistungsfähigkeit. Realisierte Gewinne und Kapitalerträge werden aber bereits besteuert. Die FTS ist sogar eine regressive Steuer. Da sie an den Kauf- und Verkaufspreis eines Wertpapiers gekoppelt ist, sinkt die relative steuerliche Belastung des Gewinns je mehr der Verkaufspreis den Kaufpreis übersteigt.

Häufig ausgeblendet wird in der Diskussion außerdem der entscheidende Unterschied zwischen Steuerschuld und -last. Dass die Banken die FTS abführen müssen, bedeutet keineswegs, dass sie auch die Steuerlast tragen. Es ist vielmehr wahrscheinlich, dass sie - ähnlich wie die Mehrwertsteuer - in großem oder ganzem Umfang an die Kunden, insbesondere die Privatanleger, weitergegeben würde. Da die FTS alle Institute betreffen würde und diese in einem mitunter harten Wettbewerb stehen, ist eine Überwälzung auf die Kunden sehr wahrscheinlich.

Schließlich hängt die fiskalische Ertragskraft einer solchen Steuer sehr von ihrer konkreten Ausgestaltung ab (siehe S. 6). Heute bestehende Stempelsteuern in den Industrieländern sind stets Bagatellsteuern, die nur einen winzigen Beitrag zur Finanzierung der staatlichen Aufgaben leisten. In Großbritannien liegt der jährliche Ertrag der Stempelsteuer bei 3 Mrd. Pfund (0,5 % der Staatseinnahmen), in der Schweiz sind es 1,7 Mrd. Franken (0,9 %). In Frankreich erwartet man von der ab 1. August geplanten Steuer Einnahmen von nur 1 Mrd. Euro pro Jahr (0,1 %). Selbst wenn die von der EU-Kommission erwarteten jährlichen Einnahmen von 57 Mrd. Euro nicht zu optimistisch sein sollten, beruht diese Zahl auf einer Teilnahme aller 27 EU-Länder. Gemessen an deren Wirtschaftskraft entspricht dies nur 0,5 % (oder 1 % aller Staatseinnahmen).

Ziel Nr. 2: Finanzmarktstabilität Zumindest in der öffentlichen Argumentation stellen ihre Unterstützer die FTS allerdings primär als Lenkungssteuer dar - wohlwissend, dass eine neue Steuer, selbst wenn sie von den unpopulären Bankern gezahlt werden soll, bei denjenigen auf Widerspruch stößt, für die der Einfluss des Staates auf die Wirtschaft sowieso schon zu groß ist. Daher muss sich die Transaktionssteuer insbesondere daran messen lassen, ob sie die vorgegebenen Lenkungsziele mit vertretbaren Kosten erreicht - und daran, ob diese wirklich erstrebenswert sind.

Auf den ersten Blick lässt sich vor allem gegen das primäre Ziel "Finanzmarktstabilität" nichts einwenden. Welche katastrophalen Auswirkungen es haben kann, wenn diese bedroht ist, hat die Finanzkrise eindrucksvoll gezeigt. Was ist aber mit diesem Begriff genau gemeint? Die G20 haben als Reaktion auf die Krise zwei zentrale Felder identifiziert, auf denen Verbesserungen zukünftigen Finanzkrisen entgegenwirken sollen: Erhöhung der Marktliquidität und Reduktion des "Leverage" im Finanzsystem, also ein verringerter Einsatz von Fremdkapital. Leider ist nicht zu erwarten, dass eine FTS irgendeinen Effekt auf den Einsatz von Fremdkapital haben würde, während sie die Marktliquidität sogar negativ beeinflussen würde.

In der öffentlichen Diskussion wird oft behauptet, die "Eindämmung der Spekulation" würde die Finanzmarktstabilität stärken. Tatsächlich zielt die FTS jedoch darauf ab, das Handelsvolumen an den betroffenen Märkten zu reduzieren. Dieses Ziel dürfte sie auch erreichen. Allerdings hatten "Spekulation" und hohe Handelsvolumen praktisch nichts mit der Finanzkrise zu tun, die 2007 ihren Anfang nahm. Ihre Hauptursachen waren Fehlinvestitionen, mangelnde Vorsicht bei Anlageentscheidungen, Klumpenrisiken (nicht zuletzt auf dem Immobilienmarkt) und - im weiteren Verlauf der Krise - zu hohe Staatsschulden/-defizite sowie Wettbewerbsprobleme in einigen Ländern.

Eine Reduktion der Transaktionsvolumen würde also eine neue Finanzkrise nicht weniger wahrscheinlich machen. Es ist sogar sehr fraglich, ob sie überhaupt erstrebenswert wäre. So ist es nicht sinnvoll, pauschal zwischen kurz- (= schlechten) und langfristigen (= guten) Finanzgeschäften zu unterscheiden. Beide können ihre Berechtigung haben. Kurzfristige Transaktionen sind nicht per se schädlich, sondern - laut Deutscher Bundesbank - Teil eines funktionierenden Finanzmarktes. Transaktionen verbessern die Informationseffizienz, denn jede Preisänderung spiegelt neue Infor-mationen oder geänderte Erwartungen wider und ist daher für die Marktteilnehmer hilfreich. Auch die Kunden profitieren: Je höher die Liquidität, desto enger sind die Spreads, desto "besser" die Preise.

Natürlich werden Panik und Herdenverhalten in der Realität ein Merkmal der Finanzmärkte bleiben, solange Menschen und nicht nur Roboter an ihnen handeln. Aber schon das Beispiel der "Tulpenblase" im Holland des 17. Jahrhunderts hat gezeigt, dass diese Phänomene auch (oder gerade) in Märkten für denkbar illiquide Güter auftreten können.

An dieser Stelle sollte auch die nicht nur theoretische Möglichkeit einer stabilisierenden Spekulation erwähnt werden. Ein Beispiel: In der Schuldenkrise sahen sich alle nach Vorsichtsmotiven handelnden Banken plötzlich unisono in einer Situation, in der der Kauf zusätzlicher Anleihen der Peripherieländer unattraktiv erschien. Vielmehr sprach sogar viel für einen Abbau der Bestände. Nur risikoorientierte Marktteilnehmer ("Spekulanten") wären in einer solchen Situation überhaupt bereit, die entsprechenden Wertpapiere zu kaufen und so den Preisverfall abzufedern.

Die FTS wird in Hinsicht auf die Marktliquidität sogar unmittelbar kontraproduktiv wirken. Zahlreiche Studien belegen, dass die Volatilität an den Märkten umso höher ist, desto geringer die Liquidität ist. Anders formuliert: Je mehr Markteilnehmer und -transaktionen es gibt, desto wahrscheinlicher ist es, dass Geschäfte ohne große Preissprünge zustande kommen. Bleiben technische Pannen[1] aus, so sind insbesondere die "high-frequency trader" marktstabilisierend, denn sie stellen ein erhebliches Liquiditätspotenzial dar. Die Gefahr steigender Volatilität durch rückläufige Liquidität ist auch wegen der Zersplitterung vieler Marktsegmente in zahlreiche konkurrierende Handelsplattformen akut. Die heutigen Marktstrukturen setzen quasi die Existenz hoher Transaktionsvolumen voraus. Wenn man also Volatilität als ein Negativum sieht, würde die FTS zu einer Verschlechterung des Status Quo führen.

Eine erhöhte Finanzmarktstabilität wäre besser durch direkte Regulierung (Gebote/Verbote für die an den Finanzmärkten tätigen Akteure), höhere Anforderungen an das Eigenkapital der handelnden Institutionen und - wenn man unbedingt das Steuerrecht einsetzen will - dadurch zu erreichen, dass man die steuerliche Bevorteilung von Fremd- vis-à-vis dem Eigenkapital beendet oder zumindest abmildert. Sondersteuern auf den Bankensektor entziehen diesem hingegen Mittel, die stattdessen zur Eigenkapitalbildung verwendet werden sollten, insbesondere bei so genannten "systemrelevanten" Instituten.

Ziel Nr. 3: Verursacherprinzip und Kosten der Finanzkrise(n)

Die Stützungsmaßnahmen für Finanzinstitutionen im Rahmen der Finanzkrise haben - auch in Deutschland - die Steuerzahler finanziell belastet, selbst wenn der genaue Umfang der Kosten erst dann feststehen wird, wenn alle stillen Beteiligungen des Staates wieder abgebaut und die "Bad Banks" komplett abgewickelt sind. Hinzu kommen die gesamtwirtschaftlichen Kosten der durch die Krise ausgelösten Rezession. Auch diese ließen sich nach dem Verursacherprinzip letztlich zu einem guten Teil auf Fehlinvestitionen seitens der Finanzbranche zurückführen, obwohl der Beitrag deutscher Institutionen zur Blase am US-Immobilienmarkt und deren Folgen gering gewesen sein dürfte. Vor diesem Hintergrund findet eine zusätzliche Besteuerung des Finanzsektors breite politische Unterstützung. Hierbei spielt nicht zuletzt eine Rolle, dass die implizite Garantie des Staates, in zukünftigen Krisen wieder helfend einzuspringen, die dauerhafte Erhebung einer "Versicherungsprämie" bei den betroffenen Institutionen angemessen erscheinen lässt.

Für eine solche Kostenverteilung nach dem Verursacherprinzip gibt es jedoch bessere Methoden als eine FTS. Sie verletzt nicht nur, wie oben erwähnt, das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Darüber hinaus verwendet sie mit dem Handelsvolumen eine Bemessungsgrundlage, die weder den Beitrag einzelner Institute zum Ausbruch der Finanzkrise reflektiert noch ihre aktuelle Risikoposition (und damit die Wahrscheinlichkeit eines neuerlichen "Bail-out") berücksichtigt. Da außerdem nicht zwischen Eigenhandel und Handel im Auftrag von Kunden unterschieden wird, setzt die FTS keine unmittelbaren Anreize zu einer Neuorientierung des Bankgeschäfts ("Rückbesinnung auf das Kerngeschäft").

In dem Umfang, in dem die FTS überwälzt wird, tragen zudem nicht die Finanzbranche, sondern ihre Kunden die Steuerlast. Ein solches Überwälzen wäre bei einer Bankenabgabe oder einer Finanzaktivitätssteuer weniger wahrscheinlich. Letztere würde die Wertschöpfung bei den Finanzinstituten als Bemessungsgrundlage verwenden - also die Summe aus Gewinnen und Einkommen der Beschäftigten. Dies hätte den Vorteil, dass nach der Leistungsfähigkeit besteuert würde und tendenziell alle "Verursacher", d.h. Eigentümer und Mitarbeiter, zur Kasse gebeten würden.[2] Für die Zukunft erscheinen ausreichend hohe und von den Risiken des Geschäftsmodells abhängige Eigenkapitalanforderungen - die sowohl die Rentabilität für die Eigentümer wie den Verteilungsspielraum für die Mitarbeiter einschränken - der vielversprechendste Ansatz, eine Neuauflage der Finanzkrise zu vermeiden.

Ziel Nr. 4: Subjektives Gerechtigkeitsgefühl in der Bevölkerung wieder herstellen Bei breiten Wählerschichten herrscht Empörung darüber, dass die Finanzpolitik einen Sparkurs eingeschlagen hat, weil die Defizite in den öffentlichen Haushalten wegen der Kosten der Bankenrettung und der durch die Finanzkrise verursachten Rezession massiv gestiegen sind. Dieser Sparkurs belastet nun die Allgemeinheit, während die Banken "ungeschoren davonkommen". Es gibt zwar in Deutschland seit zwei Jahren eine Bankenabgabe, doch ist deren Aufkommen im Verhältnis zu den Schulden des Staates nur ein Tropfen auf dem heißen Stein (2011: 590 Mio. Euro).[3]

Medienberichte darüber, wie schnell sich die Bonustöpfe bei manchen Instituten nach der Krise wieder gefüllt haben und steigende Aufwandsquoten bei Unternehmen, die die Einlagen des Staates wegen ihrer angeblich schlechten Ertragslage nicht bedienen können, tun ein Übriges.

Der Eindruck, dass die Verantwortlichen "endlich etwas tun" ist aus Sicht der Politik ein wichtiges Argument für die FTS. Die Steuer hat den vermeintlichen Vorteil, dass sie entweder die Banken direkt finanziell belastet (wobei hier wie so oft Steuerschuld und -last verwechselt werden) oder diese, wenn sie den Handel massiv zurückfahren würden, die durch "Zockerei" erwirtschafteten (und daher verwerflichen) Gewinne einbüßen.

Laut einer Umfrage der EU-Kommission vom vergangenen Herbst sind 80 % der befragten Deutschen grundsätzlich für eine FTS. Insofern würde ihre Einführung wohl von einer klaren Mehrheit der Bevölkerung begrüßt. Ob dies allerdings noch gelten würde, wenn jemand den Bürgern erklären würde, was es mit einer FTS genau auf sich hat und wer sie letztlich tragen muss, steht auf einem anderen Blatt. Hinzu kommt, dass die FTS auf EU-Ebene weniger populär ist. Tatsächlich zeigt eine Umfrage der Kommission vom Herbst 2011, dass die FTS mit Ausnahme der Einführung von Eurobonds unter acht Reformvorschlägen die geringste Unterstützung erhielt.

Ein konkretes Modell: der Vorschlag der EU-Kommission

Wie bei allen politischen Ideen hängt auch bei der FTS viel von ihrer exakten Ausgestaltung ab. Hier stehen drei Kriterien im Vordergrund:

- räumlicher Geltungsbereich der Steuer
- steuerliche Bemessungsgrundlage
- Höhe des Steuersatzes

Der geografische Gültigkeitsbereich ist ein ganz zentraler Punkt. Je einfacher es für die Finanzindustrie ist, der Steuer auszuweichen, desto mehr werden die Hoffnungen auf steuerliche Erträge enttäuscht werden. Geschäfte werden nicht unterbunden, sondern nur an einem anderen Ort abgewickelt. Grundsätzlich gilt: Je kleiner der Raum, in dem die Steuer erhoben wird, umso einfacher wird es sein, sie zu umgehen. Dies hat z.B. Schweden mit seinem gescheiterten Versuch einer Börsenumsatzsteuer in den 1980er Jahren erfahren, als der Wertpapierhandel aus Stockholm abwanderte.

Die EU-Kommission liegt also insofern richtig als sie als zweitbeste Alternative nach einer (unrealistischen) weltweiten eine EU-weite FTS vorschlägt. Allerdings hat dieses Modell angesichts des Widerstands insbesondere Großbritanniens wohl ebenfalls wenig Chancen. Selbst innerhalb der Eurozone gibt es Länder, die sich gegen die Einführung einer FTS stemmen.

Die EU-Kommission hat die Problematik der drohenden Ausweichreaktionen zu entschärfen versucht, indem sie die steuerpflichtigen Institutionen sehr breit definiert. Gemäß Sitzlandprinzip reicht es aus, wenn eine der beiden an einer Transaktion beteiligten Parteien ihren "Sitz" in einem der Staaten hat, die die FTS einführen. Dabei ist "Sitz" so großzügig definiert, dass im Grunde jedes Unternehmen in der Finanzbranche unter die Regelung fällt, solange es in einem der teilnehmenden Länder tätig ist. Ausgenommen wären nur Transaktionen, die zwischen einem gebietsfremden Käufer und einem gebietsfremden Verkäufer getätigt werden - d.h. Ausweichreaktionen wären nur möglich, wenn der gesamte Markt in ein Drittland abwandert. Konflikte über die Definition und Steuerpflicht der Tochterunternehmen von EU-Firmen im Ausland wären zu erwarten.

Dass die Nachteile einer breiten FTS für den jeweiligen Finanzplatz umso größer sind desto kleiner ihr geografischer Geltungsbereich ist, hat auch die französische Regierung realisiert. Von einer unilateralen Einführung des EU-Modells, wie sie Präsident Sarkozy Anfang 2012 angekündigt hatte, blieb im von der Nationalversammlung verabschiedeten Gesetz nur eine recht eng gefasste Börsensteuer übrig, die primär den Handel mit den Aktien der wichtigsten französischen Unternehmen besteuern soll, sowie den Kauf von CDS auf EU-Staatsanleihen, sofern der Investor das unterliegende Asset gar nicht hält.

Im Gegensatz zum französischen Ansatz und zur Stempelsteuer in Großbritannien würde das EU-Modell eine Steuer auf Kauf und Verkauf aller Aktien, Derivate und Anleihen (außer Staatsanleihen) erheben. Ausgenommen werden sollen nur der Primärmarkt für Aktien und Anleihen, Geschäfte mit der EZB und anderen "offiziellen" Stellen, sowie "nichtkommerzielle" Geschäfte, also solche, die unmittelbar mit Privatkunden abgewickelt werden. Devisengeschäfte sollen nicht besteuert werden, da dies mit dem gemeinsamen Binnenmarkt der EU nicht vereinbar wäre.

Die Höhe des Steuersatzes soll laut EU-Kommission bei Aktien und Anleihen 0,1 % des Kaufpreises, bei Derivaten 0,01 % des Nominalbetrags (nicht des häufig viel geringeren Kaufpreises) betragen. Dies sind Untergrenzen - die Mitgliedstaaten können auch höhere Sätze anwenden. Damit liegen die Steuersätze deutlich unter denen der Stempelsteuer in Großbritannien (0,5 % bei Aktien, 1,5 % bei einigen anderen Transaktionen) - aber diese fällt nur für ein sehr eng umrissenes Marktsegment an (Schätzungen gehen von rund 20 % des Londoner Handels aus). Insbesondere sind in London der Hochfrequenzhandel und Intermediäre von der Steuerpflicht ausgenommen. Dagegen ist es ein schwerwiegendes Problem des EU-Modells, dass Market-Maker und andere Institutionelle nicht von der Steuer ausgenommen werden sollen. Der geplante Steuersatz liegt bei einem Vielfachen der Vergütung, die aktuell für Market-Making gezahlt wird. Vor allem auf den hocheffizienten elektronischen Handelsplattformen, die sich durch sehr geringe Transaktionskosten auszeichnen - und in die die Börsen viel Geld investiert haben -, würden die Kosten durch die Steuer massiv steigen. Auch unter dem Aspekt "die Banken zur Kasse bitten" macht die Besteuerung des Hochfrequenzhandels wenig Sinn - die so genannten "algo trader", deren Computer das Gros des Volumens bewegen, sind in der Regel kleine Spezial-Broker und keine Großbanken.

Ein solch relativ hoher Steuersatz birgt zudem das Risiko, dass die Einnahmen wegen Ausweichreaktionen deutlich hinter den Erwartungen zurückbleiben. Darüber hinaus wächst mit der Höhe der steuerlichen Belastung die Gefahr, dass nicht nur "Spekulation" sondern auch gesamtwirtschaftlich wohlfahrtssteigernde Investitionen verhindert werden.

Die FTS würde anderen politischen Zielen entgegenwirken. So würde die Geldvermögensbildung und Ersparnis ("Altersvorsorge") der privaten Haushalte besteuert und damit weniger attraktiv (siehe Kasten, S. 8). Die Erfahrung der Vergangenheit hat zudem gezeigt, dass die Einführung von Stempelsteuern normalerweise einen negativen Effekt auf die Aktienkurse hat. Gerade diese Ver-mögensklasse profitiert von der quasi unbegrenzten Wiederveräußerbarkeit - und deren Wert wird naturgemäß eingeschränkt, wenn bei jedem zukünftigen Kauf/Verkauf eine Steuer anfällt. Schließlich würde die FTS ausländische Anleger, z.B. aus den rasch reicher werdenden Schwellenländern, die sowieso schon durch die europäische Schuldenkrise verunsichert sind, zusätzlich davon abschrecken, ihr Geld an den EU-Finanzmärkten anzulegen ("in Europa zu investieren").

Die Finanztransaktionssteuer belastet die individuelle Altersvorsorge

Ein wichtiges Argument gegen die FTS ist ihre negative Auswirkung auf die private Altersvorsorge. Diese wird immer wichtiger, denn durch die demografische Entwicklung kann das staatliche System allein den Bürgern zunehmend nur ein Mindestmaß an wirtschaftlicher Sicherheit im Alter bieten. Zwar sollen die direkten Finanzgeschäfte der "Privatanleger" laut EU-Kommission von der Steuer ausgenommen werden. Dies übersieht jedoch, dass in der Praxis nur ein sehr geringer Anteil der privaten Ersparnis unmittelbar investiert wird. Selbst wenn diese direkten Finanzgeschäfte der Privaten ausgenommen sind, werden alle über Fonds, Banken oder Versicherungen angelegten Mittel belastet, einschließlich Formen der Altersvorsorge wie die so genannte Riester-Rente.

Wie stark dieser Effekt im Einzelfall ausfällt, hängt von mehreren Faktoren ab. Zum einen steigt die absolute Belastung mit der Zahl der über den Anlagezeitraum vorgenommenen Transaktionen seitens des Intermediärs ("Turnover-Ratio"). Je häufiger ein Fonds oder eine Versicherung die angelegten Mittel umschichtet, desto höhere Kosten fallen für den Anleger an. Im Falle eines Aktienfonds sind gegebenenfalls Dividenden oder Aktienrückkäufe zu reinvestieren oder der Portfolio-Manager muss auf Entwicklungen im wirtschaftlichen Umfeld und bei der Wettbewerbsposition des entsprechenden Unternehmens reagieren. Zum anderen ist die relative Belastung umso höher, je sicherer das Geld angelegt ist, denn ein geringes Risiko bedeutet i.d.R. auch eine niedrigere Rendite. Damit werden insbesondere Geldmarktfonds belastet, die aufgrund der kurzen Laufzeit der gekauften Papiere ihre Mittel ständig umschichten müssen. Ein hoher FTS-Satz würde für diesen Markt vermutlich das Aus bedeuten. Die Gesamtkosten einer EU-weiten FTS von 0,1 % hätten 2011 laut einer Analyse des Branchenverbands der europäischen Investmentfonds EFAMA bei rund €38 Mrd. gelegen. Diese Kosten wären letztlich komplett vom Endanleger zu tragen, entweder in der Form höherer Gebühren oder einer niedrigeren Rendite.

Auch wenn der Umfang des negativen Effekts je nach Anlage variieren würde, die Richtung, in der eine FTS wirkt, ist klar: Sie würde das Endvermögen der Anleger und damit die von ihnen erzielte Rendite senken. Dies belegen aktuelle Beispielrechnungen:

Beispiel 1: Ein aktiv gemanagter Pensionsfonds mit Beiträgen von €200/Monat und einer durchschnittlichen Rendite von 8,2 % wäre nach 30 Jahren €15.000 weniger wert.[4] Beispiel 2: Ein Riester-Sparvertrag auf Basis eines globalen Aktienfonds mit einer Monatsrate von €100 und einer durchschnittlichen Rendite von 5 % wäre nach 40 Jahren rund €14.000 weniger wert.[5]

Beispiel 3: Ein Privatanleger, der an einer deutschen Regionalbörse für €30.000 eine Unternehmensanleihe kauft, zahlt derzeit eine maximale Handelsgebühr von €15,75. Ein FTS-Satz von 0,1 % würde in diesem Fall die Transaktionskosten fast verdreifachen (€15,75 + €30,00 = €45,75).[6] Damit wirkt die FTS dem politischen Ziel einer verstärkten individuellen Altersvorsorge entgegen, denn sie macht die Ersparnis weniger attraktiv. Hinzu kommt, dass sich die Vor- und Nachteile einzelner Investitionsarten durch die je nach Anlageform unterschiedlich hohen Kosten einer FTS verschieben würden. Statt nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten gemäß eines individuellen Risiko-Ertrags-Kalküls zu entscheiden, würden die Bürger verstärkt steuerliche Faktoren bei der Investitionsentscheidung berücksichtigen. Diese steuerminimierende Fehlallokation von Kapital würde zu gesamtwirtschaftlichen Wohlstandsverlusten führen.

Nach geltendem EU-Recht darf in der Gemeinschaft keine Gesellschaftssteuer[7] erhoben werden, um nicht zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften zu diskriminieren. Der Vorschlag der EU-Kommission, der daher den Primärmarkt ausklammert, droht, z.B. im Falle einer Übernahme/Fusion, zu Verzerrungen am Kapitalmarkt zu führen, zumal nicht alle denkbaren Formen der Kapitalaufnahme mit vertretbarem Aufwand zu besteuern sind. Stehen jedoch noch mehr als bisher schon steuerliche statt wirtschaftliche Kriterien im Mittelpunkt der Finanzierungsentscheidung bzw. Mittelaufnahme, droht die Kapitalallokation ineffizienter zu werden. Dies kann auf mittlere bis lange Frist zu spürbaren Wachstumseinbußen führen. Ob dies in den Schätzungen der ökonomischen Auswirkungen durch die EU-Kommission berücksichtigt wurde, ist unklar. Deren Seriosität ist sowieso fraglich. Hatte die Kommission - selbst im Falle einer EU-weiten Steuer - zu-nächst ein langfristig um kumuliert 0,5 bis 1,8 % niedrigeres Bruttoinlandsprodukt (mit entsprechenden negativen Beschäftigungswirkungen) erwartet, revidierte sie diese Zahl nur wenige Wochen später auf nur noch 0,2 bis 0,3 %. Tatsächlich ist wohl mit spürbar höheren Kosten zu rechnen, vor allem wenn sich Großbritannien nicht beteiligt.

Fazit: Mehr Sheriff von Nottingham als Robin Hood Die FTS würde im Hinblick auf drei der Ziele, welche ihre Fürsprecher erreichen wollen, entweder nichts bringen oder sich wahrscheinlich sogar als kontraproduktiv erweisen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich diese Ziele teilweise widersprechen - die Lenkungsfunktion steht im Gegensatz zu der Hoffnung auf einen nennenswerten Beitrag zur Lösung der Staatsschuldenkrise. Die ökonomischen Nachteile einer FTS übersteigen klar ihre Vorteile. Sie ist ein rein politisches Projekt, durch das der Ärger der Bevölkerung über die angebliche soziale Schieflage "Kosten der Bankenrettung versus drastischer Sparkurs" kanalisiert werden soll. Für manche stellt sie zudem einen vermeintlich einfachen, weil "schmerzfreien", Weg dar, zusätzliche Mittel für die öffentliche Hand zu generieren.

Wenn die Stabilität des Finanzsystems ein öffentliches Gut ist, sind die Kosten ihrer Sicher- oder Wiederherstellung durch allgemeine Steuern zu tragen. Eine Anwendung des finanzwissenschaftlichen Äquivalenzprinzips, nach dem die unmittelbar Betroffenen zahlen sollen, ist hier nicht angemessen, denn nur und gerade weil alle Teile der Wirtschaft von einem stabilen und funktionierenden Finanzsystem profitieren, sind die staatlichen Eingriffe und Rettungsmaßnahmen ja gerechtfertigt.

Zur Verbesserung der Finanzmarktstabilität ist die Finanzaufsicht, richtig angewendet, ein viel besser geeignetes Mittel als das Steuerrecht. Der aktuelle Vorschlag der EU-Kommission hätte noch nicht einmal die angebliche "Spekulation gegen den Euro" (d.h. gegen die Anleihen einiger Mitgliedstaaten) verhindert, denn Käufe und Verkäufe von Staatsanleihen und Devisen sind von der Steuer ausgenommen. Will man die Banken "zur Kasse bitten", wäre der Weg über eine Finanzaktivitätssteuer oder eine risikogerechte "Versicherungsprämie" vorzuziehen.

Ihre Verfechter bezeichnen die FTS gern als "Robin-Hood-Steuer", denn sie soll von den Reichen nehmen und die Mittel den Armen zur Verfügung stellen. James Tobin hat sich stets gegen die Vereinnahmung durch die Globalisierungskritiker gewehrt. Ihm ging es nach dem Zerfall des Bretton-Woods-Systems fester Wechselkurse darum, die Währungsspekulation und das Überschießen der Devisenkurse zu reduzieren und nicht darum, Einnahmen zu generieren. Tatsächlich erinnert die FTS weniger an Robin Hood und mehr an das Klischee des Sheriffs von Nottingham: dem geldgierigen, aber häufig wenig kompetenten Widersacher von Robin Hood.
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