Kein neuer säkularer Bullenmarkt
All jene, die den bisherigen Anstieg verpasst haben, aber aufgrund der vermeintlichen Ausbildung eines neuen Aufwärtstrends nun in Aktieneuphorie verfallen, muss ich enttäuschen. Ein weiterer Anstieg in dem Ausmaß wie in den vergangenen sechs Monaten wäre nur möglich, wenn neben zyklischen auch strukturelle Faktoren für eine Fortsetzung der Rally sprächen.
Strukturelle Belastungen
Die strukturellen Faktoren begrenzen jedoch das Aufwärtspotenzial. Zum einen ist die Weltwirtschaft mit der Finanzkrise in eine Phase eines deutlich niedrigeren Trendwachstums eingeschwenkt. Sowohl weltweit boomende Immobilienmärkte, verbunden mit einer äußerst niedrigen Risikoaversion, als auch die Phase der Deregulierung sind vorbei. Darüber hinaus schwenken selbst die vormals extrem stark wachsenden BRIC-Staaten auf einen verhalteneren, dafür aber vermutlich nachhaltigeren Wachstumspfad ein. Auch aufgrund der deutlich höheren Verschuldung in fast allen Industrieländern wird sich das Wachstum der Weltwirtschaft somit auf einem sichtbar niedrigeren Niveau einpendeln und damit das mittel- bis langfristige Kurspotenzial bei Aktien begrenzen.
Noch keine neue Blase am Aktienmarkt
Jedoch auch das andere Extrem, eine neue Blase am Aktienmarkt, lässt sich derzeit nicht ableiten. Die Bewertung von Aktien ist sogar recht niedrig. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 11 sind gerade deutsche Aktien trotz des deutlichen Kursanstiegs in den letzten Monaten immer noch moderat bewertet. Dies gilt nicht nur im Vergleich zur Historie oder zu amerikanischen Aktien (KGV 13), sondern insbesondere auch zu deutschen Rentenpapieren, die derzeit ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von rund 50 aufweisen.
Zyklische Erholung treibt Aktienmarkt
Was hat nun die Rally der letzten sechs Monate gespeist? Einerseits kam es im Sommer letzten Jahres zu einer deutlichen Übertreibung nach unten. Viele Marktteilnehmer waren davon ausgegangen, dass die Weltwirtschaft wieder in eine Rezession wie im Jahr 2009 zurückfallen könnte, da einige Konjunkturindikatoren ein Ende der vorhergehenden zyklischen Erholung anzeigten. Normale zyklische Schwankungen waren jedoch bei den meisten Marktteilnehmern nicht mehr verankert, vielmehr wurde als neuer mentaler Anker die außergewöhnlich tiefe Rezession des Jahres 2009 verwendet. Als sich dann bereits im Herbst letzten Jahres die ersten vorlaufenden Konjunkturindikatoren stabilisierten, griffen mutige Anleger bei Aktien wieder zu. Unsere Untersuchungen zeigen, dass die Kursgewinne bei Aktien gerade in der ersten Phase der konjunkturellen Erholung am stärksten sind. Dies deckt sich mit dem aktuellen Verlauf.
Aufwärtsrevision der Aktienmarkt-Prognose
Unterstützend kommen derzeit die Gewinnerwartungen der Marktteilnehmer hinzu. Diese haben inzwischen wohl ihr Tief markiert. Gleiches lässt sich übrigens bei den Schätzungen für das deutsche Bruttoinlandsprodukt in den letzten Wochen beobachten. Während wir Ende letzten Jahres mit unserer Wachstumsprognose von 1,2 Prozent ziemlich alleine standen, nähern sich jetzt viele dieser Schätzung an. Jedoch auch wir haben im Februar eine Revision unserer Prognosen vorgenommen, allerdings nicht beim deutschen Wachstum, sondern beim DAX. Während wir im letzten Herbst bei einem Stand von rund 5.400 Punkten noch davon ausgingen, dass der DAX im Laufe des Jahres 2012 "lediglich" auf 7.000 Punkte steigen würde, erwarten wir seit letztem Monat einen Anstieg bis auf mindestens 7.500 Punkte.
EZB-Politik noch als zusätzlicher Treiber
Maßgeblich für diese optimistischere Prognose ist die expansive Geldpolitik der EZB, die mit ihren nunmehr bereits zwei Drei-Jahres-Tendern eine enorme Liquidität in den Markt gepumpt hat. Jedoch auch dies trägt nicht für immer. Sollte die Notenbank im Laufe dieses Jahres auf einen weniger lockeren Pfad umschwenken und/oder die konjunkturellen Frühindikatoren ihren lokalen Gipfel überschritten haben, wird auch der aktuelle zyklische Bullenmarkt ein Ende nehmen.