Bereits im Mai dieses Jahres hatte ich an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass der faire Wert des Euro sich bei rund 1,25 US-Dollar befindet. Trotz einer Abwertung von rund 10 Prozent gegenüber dem US-Dollar befindet sich der Euro sogar noch leicht oberhalb des fundamental gerechtfertigten Niveaus. Aktuell ist unsere Währung also nicht schwach oder weich, sondern genau genommen noch "zu stark".
Warum haben wir Deutschen aber so eine große Angst vor einer schwachen Währung? Gibt es auch Profiteure?
Die Angst der Deutschen vor einer Weichwährung ist stark gekoppelt mit unserer Urangst vor der Inflation. Obwohl die Teuerungsrate in Deutschland in diesem Jahr vermutlich nicht einmal ein Prozent betragen wird, zeigen jüngste Umfragen, dass unter den Ängsten der Deutschen die Sorge vor der Inflation - alle Jahre wieder - die Nr. 1 ist. Bei einer Abwertung der eigenen Währung entsteht nämlich das Risiko einer importierten Inflation. Güter, die auf den Weltmärkten in US-Dollar abgerechnet werden, würden sich entsprechend verteuern, wenn bei konstanten Weltmarktpreisen sich lediglich das Umtauschverhältnis in Euro zu Ungunsten des Importeurs ändert. Grundsätzlich sind also Unternehmen und Konsumenten, die Güter aus dem Ausland beziehen, Verlierer einer Abwertung. Da sich jedoch viele Rohstoffpreise - nicht üblich in Phasen eines stärkeren US-Dollar - derzeit im Abwärtstrend befinden, werden die Preiserhöhungen aus der Abwertung vermutlich größtenteils durch die niedrigeren Weltmarktpreise kompensiert.
Manche deutsche Urlauber gehören zweifelsohne zu den Verlierern einer Abwertung, denn Reisen in die USA verteuern sich. Der Maßstab für den Einzelnen sollte jedoch nicht der günstigste Wechselkurs sein, also der höchste Euro-Dollar-Kurs von 1,60 im Jahr 2008. Seitdem hat es bereits große Schwankungen bis auf 1,20 Dollar pro Euro gegeben. Dies zeigt, dass auch Reisen einem großen Wechselkursrisiko unterliegen.
Den vermeintlichen Verlierern einer Abwertung stehen auch Gewinner gegenüber. Dazu gehören die Exporteure einer Nation. Überraschend ist in diesem Kontext, dass gerade Frankreich immer wieder eine deutliche Abwertung herbei zu reden versucht. Dabei ist die Exportquote insgesamt relativ gering. Darüber hinaus bleibt fast die Hälfte der Exporte innerhalb der Eurozone. Die wichtigsten Abnehmerländer sind Deutschland und Italien. Aber auch in Frankreich spielen die historischen Erfahrungen eine wichtige Rolle. Vor der Schaffung der Europäischen Währungsunion hat Frankreich bis in die achtziger Jahre gerne auf das Instrument der Abwertung des Francs zurückgegriffen, um die angehäuften Wettbewerbsnachteile zumindest temporär auszugleichen. Geprägt von den damals erzielten kurzfristigen Erfolgen wird reflexartig nach einer schwächeren Währung als vermeintlicher Retter in schwierigen Zeiten gerufen.
Im Gegensatz zu Frankreich ist sowohl die Exportquote als auch der Anteil der Deutschen Exporte außerhalb der Eurozone recht hoch. Deutlich mehr als 60 Prozent unserer Exportgüter gehen in Länder jenseits der Eurozone. Mit 8 Prozent spielen die USA dabei eine wichtige Rolle, schon allein dadurch wird der Dollar-Wechselkurs relevant. Da sich die US-Wirtschaft derzeit in einem starken Aufschwung befindet, ist entsprechend auch die Nachfrage nach unseren Gütern hoch. Dies kann unsere Exportindustrie derzeit ganz gut vertragen, da sich die Ausfuhren insgesamt nur langsam erhöhen und der Außenhandel jüngst keinen Wachstumsbeitrag mehr geliefert hat. Hingegen boomt der Konsum, nicht zuletzt aufgrund der sehr niedrigen Inflation. Vor dem Hintergrund der mageren Preisanstiege können wir also eine Währungsabwertung derzeit gut verkraften. Wenn der Euro Anfang nächsten Jahres bei 1,20 stehen sollte, ist dies keine Katastrophe, sondern insgesamt sogar gut für uns.
Beitrag erschienen in "Die Welt", 04. Oktober 2014.
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