Hohe regulatorische Anforderungen sichern solidere Bankbilanzen, …
Rund sieben Jahre nach dem Zusammenbruch von Lehman hat der Bankensektor enorme Anstrengungen unternommen, sich solider aufzustellen. Weltweit haben die Institute Risiken in ihren Bilanzen erheblich abgebaut und die Eigenkapitalausstattung gestärkt. So haben europäische Banken im Vorfeld des von der EZB bis Oktober 2014 durchgeführten Stresstests alleine von Juli 2013 bis August 2014 Kapitalerhöhungen von rund 60 Mrd. EUR vorgenommen. Unbestritten leisteten auch die heute viel strengeren regulatorischen Anforderungen einen wesentlichen Beitrag zur Bilanzstärkung zu europaweit einheitlichen Bedingungen. Insbesondere dank der neuen EU-Regelungen zur geordneten Sanierung und Abwicklung von Banken im Krisenfall ist der Sektor nun weit besser gegen Schocks gewappnet als 2008. Treibende Kraft für diese Entwicklungen ist nicht zuletzt die abnehmende staatliche Unterstützungsbereitschaft gegenüber Banken im Krisenfall. Die gegenseitige Abhängigkeit zwischen Banken- und Staatssektor ist heute erheblich reduziert.
Trotz abnehmender staatlicher Unterstützungsbereitschaft ist das Gesamtrisiko für Investoren im Bankensektor dank der solideren Bilanzen nahezu unverändert geblieben. So wirkte sich etwa die von Moody’s im März 2015 eingeführte neue Rating-Methodik (s. Covered Bond Special vom 20.07.2015), die den geänderten Rahmenbedingungen Rechnung trägt, per saldo neutral auf die Ratings erstrangig unbesicherter Anleihen von Banken in Westeuropa aus. Begründet hat die Agentur dies mit den positiven Effekten der neuen Rechtslage zur geordneten Sanierung und Abwicklung von Banken.
… führen aber auch zu unerwünschten Nebenwirkungen
Zunehmend werden aber auch die Belastungen aus den hohen regulatorischen Anforderungen offensichtlich. Neben den direkten Kosten aus dem Auf- und Umbau von Prozessen, detaillierten Berichtswesen sowie höheren Abgaben zählen dazu auch indirekte Kosten, allen voran die mit dem höheren Eigenkapitaleinsatz verbundene niedrigere Profitabilität von Geschäftsaktivitäten. Als Folge daraus haben viele Banken Aktivitäten reduziert oder ziehen sich ganz daraus zurück. Aufgrund der großen Bedeutung des Bankensektors hat dies auch Rückwirkungen auf die Gesamtwirtschaft. Die in den Nachkrisenjahren sinkende Kreditvergabe an Unternehmen, insbesondere in Südeuropa, ist ein viel diskutiertes Beispiel hierfür. Zu den Begleiterscheinungen gehört aber auch die vermehrt von Marktteilnehmern beklagte rückläufige Liquidität an den Kapitalmärkten.
Schrumpfende Finanzmarktliquidität als negative Begleiterscheinung
Zuletzt hat PwC im Auftrag der beiden Branchenvereinigungen Global Financial Market Association (GFMA) und Institute of International Finance (IIF) eine umfangreiche Untersuchung zur abnehmenden Finanzmarktliquidität und deren Wirkung auf verschiedenste Wertpapiersegmente vorgelegt. Diese zeigt, dass die Handelsaktiva bei 32 ausgewählten globalen Banken zwischen 2008 und 2015 um mehr als 40 % geschrumpft sind.
Diese Aussage wird u.E. dadurch relativiert, dass das Volumen in den Boom-Jahren enorm angeschwollen war und nun in etwa wieder auf dem Niveau von 2006 liegt. Allerdings sind gleichzeitig auch die Märkte angewachsen. Insbesondere beim Volumen der ausstehenden Unternehmensanleihen ist seit 2007 ein erheblicher Zuwachs zu verzeichnen, da Unternehmen sich zunehmend direkt am Kapitalmarkt finanzieren und weniger über Bankkredite (Disintermediation). Der Bedarf nach Handelsliquidität sollte somit also signifikant zugenommen haben, wenngleich viele Vermögensverwalter angesichts niedriger Volatilität und stetig sinkender Zinsen derzeit länger an ihren Anlagen festhalten, als es noch in der Vergangenheit der Fall war.
Tatsächlich haben die vom Helaba Credit Research beobachteten Häuser ihre Eigenhandelsaktivitäten erheblich reduziert. Davon betroffen sind insbesondere Geschäfte auf eigene Rechnung ohne jeglichen Kundenbezug (Dedicated Proprietary Trading); diese wurden in den meisten Fällen ganz eingestellt. Aber auch die Liquiditätsbereitstellung im Zusammenhang mit der Ausführung von Kundenorders hat stark abgenommen.
Rückzug von Banken betrifft v.a. Handel mit Unternehmensanleihen
Je nach Funktionsweise spielt die Liquiditätsbereitstellung im Rahmen des Market-Making durch Banken eine unterschiedlich große Rolle für die verschiedenen Wertpapiersegmente. Bei Aktien mit hoher Marktkapitalisierung als hoch liquiden Papieren bspw. spielt das Market-Making eine geringe Rolle. Angebot und Nachfrage sind hier so hoch, dass sie permanent direkt über Börsen zusammengeführt werden können. Anders ist dies bei Unternehmensanleihen: Weil es je Emittent eine Vielzahl an Anleihen gibt, ist das Handelsvolumen bei den einzelnen Bonds relativ gering. Für einen effizienten Börsenhandel treffen meist nicht ausreichend Angebot und Nachfrage aufeinander. Hier springen Banken in die Bresche und stellen als Market-Maker regelmäßig Kurse. Um die Kursstellung gewährleisten zu können, halten sie für die jeweiligen Papiere einen eigenen Handelsbestand und sorgen damit für Liquidität.
Die gesetzlich geforderte Eigenkapitalunterlegung dieser Handelsbestände wurde nach der Finanzmarktkrise jedoch erheblich erhöht. Die Anforderungen waren zuvor unzweifelhaft zu gering, um die mit dem Geschäft verbundenen Risiken ausreichend abzufedern. Die sich darin widerspiegelnde Annahme, dass die Papiere bei Bedarf jederzeit schnell veräußert werden könnten, erwies sich in der Finanzmarktkrise als falsch. Somit war eine Verschärfung der Anforderungen durchaus notwendig. Gerade bei Unternehmensanleihen im Eigenbestand müssen Banken heute weit mehr Eigenkapital als vor der Krise vorhalten. Bestände gingen hier 2011 noch durchschnittlich zu rund 50 % in die Berechnung der risikogewichteten Aktiva ein. Mittlerweil beläuft sich diese Quote auf rund 150 %. Im Rahmen der noch laufenden grundlegenden Überarbeitung der Regelungen für das Handelsbuch durch den Baseler Ausschuss ist mit einer weiteren starken Anhebung der Eigenkapitalanforderungen zu rechnen. Da die (risikoadjustierte) Eigenkapitalverzinsung in diesen Bereichen auf längere Sicht unterhalb der Rendite in anderen Geschäftsfeldern liegt, haben die Banken ihre Handelsbestände reduziert.
Neuere Marktteilnehmer sorgen nur bedingt für Ausgleich
Zur abnehmenden Liquiditätsbereitstellung durch Banken gibt es allerdings auch gegenläufige Tendenzen. So sind neue Spieler in den Markt eingetreten, v.a. in Form von Private-Equity-Investoren und Hedgefonds. Enorm zugenommen hat auch der automatisierte oder algorithmische Handel. Wir schätzen, dass letzterer in Europa inzwischen über 60 % des Handelsvolumens aus-macht; in den USA könnte der Anteil sogar bei rund 80 % liegen. Die Bewährungsprobe dieser Akteure im größeren Krisenfall steht jedoch noch aus.
Zwar tritt die EZB im Rahmen ihres QE-Programms als neuer Käufer von Staats- und gedeckten Anleihen auf. Aufgrund ihrer Buy-and-Hold-Strategie stellt sie diese aber nicht als Angebot am Sekundärmarkt zur Verfügung. Damit entzieht sie dem Markt eher Liquidität.
Risiko übertriebener Regelungsdichte
Die theoretischen Folgen der geringeren Marktliquidität sind niedrigere Kurse sowie höhere Ausführungskosten, insbesondere bei großvolumigen Orders. Dass diese derzeit noch am Markt kaum zutage treten, mag an den aktuellen Marktgegebenheiten liegen. Insbesondere niedrige Zinsen, geringe Risikoaversion und die lockere Geldpolitik der EZB sorgen momentan für gegenläufige Effekte. Allerdings haben die deutlichen Spreadausweitungen im Zuge der von China ausgehenden weltweiten Wachstumsängste sowie die darauf folgende Austrocknung des Primärmarkts für Corporate Bonds gezeigt, wie heftig die Kursausschläge bei einer Verschlechterung des fundamentalen Umfelds ausfallen können und wie schnell kapitalsuchende Unternehmen einer wichtigen Finanzierungsquelle beraubt werden können.
Die erheblich schärferen regulatorischen Anforderungen haben sich als wirksame Medizin für die Stabilisierung des Bankensektors erwiesen. Eine übertriebene Regelungsdichte sowie international unterschiedliche Rahmensetzungen könnten auf längere Sicht jedoch unerwünschte Neben- und Wechselwirkungen aufweisen.
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