Die Woche im Überblick
Bank of England in Erklärungsnöten
Die britische Notenbank hat sich mit ihrer "Forward Guidance" selbst in die Bredouille gebracht.
Ihre Aussage, den Leitzins nicht anzuheben, solange die Arbeitslosenquote die Marke von 7,0 % nicht unterschritten habe, führt nun umgekehrt zu Zinserhöhungsspekulationen. Schließlich lag die Arbeitslosenquote zuletzt bei 7,1 % und dürfte in kommenden Monaten angesichts des robusten Wirtschaftswachstums unter die Schwelle fallen. Eine eher moderate Inflation und noch niedrigere Lohnanstiege sprechen aber gegen einen Handlungsbedarf der Notenbank. Die Bank of England (BoE) wird ihren Leitzins deshalb bis auf weiteres nicht anheben. In ihrem anstehenden Inflationsbericht muss die BoE allerdings eine plausible Erklärung finden, warum ihre bisherige Forward Guidance doch nicht so entscheidend sei.
Wochen-Quartals-Tangente
Etwas Zuversicht breitete sich in der abgelaufenen Handelswoche unter den Anlegern aus. Zwar verbleibt für den deutschen Aktienleitindex DAX per Saldo immer noch ein Minus von 1,2 %, doch die Aussicht auf einen positiven US-Arbeitsmarktbericht sowie zuletzt gute Unternehmensergebnisse stoppte zunächst die weltweite Talfahrt an den Aktienmärkten. Die Hoffnungen ruhen derzeit auf den USA: Solange das Wachstum der größten Volkswirtschaft der Welt anzieht, dürften die Probleme einzelner Schwellenländer (S. 4) begrenzt bleiben und nicht zu einem Flächenbrand führen. Gleichwohl werden die Emerging Markets auf absehbare Zeit keine Wachstumsimpulse für die Weltwirtschaft liefern, sondern bestenfalls versuchen, mit den Industrieländern "Schritt zu halten". Ein Vergleich der Einkaufsmanagerindizes (EMI) zeigt, dass der globale Wachstumszug von den Industrieländern gezogen wird: Während die EMIs aus den USA, Japan und dem Euroraum deutlich über der Expansionsgrenze von 50 Punkten liegen, tauchten die der BRIC-Länder zuletzt knapp unter diese Marke ab.
Vorsichtiger Optimismus hält - konjunkturell gesehen - in der Eurozone Einzug. In der Berichtswoche werden die BIP-Zahlen für das Schlussquartal belegen, dass die Rezession in fast allen Mitgliedsländern überwunden ist: Es wird mit einem Vorquartalsplus von 0,3 % für Deutschland (S. 5) und Spanien gerechnet, für Italien und Frankreich zeichnet sich eine etwas geringere Dynamik ab. Die Überwindung der Rezession hinein in ein schwaches Wirtschaftswachstum bei niedriger Inflation sorgt dafür, dass die EZB an ihrem Expansionskurs festhält: Zwar sorgte die Absage an irgendeine Form der Lockerung zunächst für etwas Enttäuschung. Zugleich bekräftigte Notenbankchef Draghi die Forward Guidance: Es bestünden weiterhin Abwärtsrisiken für die Konjunktur und innerhalb des Rates habe man Bedingungen diskutiert, die ein Handeln der EZB erforderten. Insofern richtet sich die Aufmerksamkeit auf die kommende Ratssitzung im März. Dann muss auch die EZB Farbe bekennen, da sie die Wachstums- und Inflationsprojektionen bis 2016 vorlegt. Wir rechnen weiterhin mit einer zusätzlichen Liquiditätsspritze in den kommenden Monaten. In der Berichtswoche werden die Marktteilnehmer - mangels relevanter Konjunkturindikatoren - Zeit haben, den US-Arbeitsmarktbericht zu verdauen. Einen Befreiungsschlag wird es kaum geben: Zu viele Hoffnungen ruhen derzeit auf der Zugkraft der USA. Folglich sollte die Unsicherheit und damit die Volatilität an den Kapitalmärkten hoch bleiben.
Im Fokus
Schwellenländer: Unter Anpassungszwang
Die Schwellenländer wurden nach der Finanzkrise 2008 mit günstigem Kapital überschwemmt, die Währungen standen unter Aufwertungsdruck. Spätestens mit der ersten Ankündigung der USNotenbank im Mai 2013, ihr Anleiheankaufprogramm zu reduzieren, hat sich die Situation gedreht. Emerging Market-Währungen schwächeln, Leizinsen müssen angehoben werden und die strukturellen Schwächen einzelner Länder sind wieder in den Vordergrund getreten. Droht nun eine neue Schwellenländerkrise?
Die Schwellenländer sind bekanntlich sehr heterogen. Dies zeigen auch die aktuellen Turbulenzen. Von ohnehin dauerhaften Problemkandidaten wie Argentinien und Venezuela, die unabhängig von den jüngsten Entwicklungen an den internationalen Kapitalmärkten ernste Solvenzprobleme haben, stehen derzeit vor allem die sogenannten "fragilen Fünf" im Fokus: Brasilien, Indien, Indonesien, Südafrika und die Türkei. Diese Länder weisen erhebliche Leistungsbilanzdefizite auf, die sie außenwirtschaftlich verwundbar machen - wie sich auch an den kräftigen Abwertungen der Währungen ablesen lässt. Die Zahlungsfähigkeit ist aber nicht ernsthaft bedroht. Andere wichtige Schwellenländer wie China, Mexiko oder Malaysia präsentieren sich viel robuster.
Die Umlenkung der globalen Kapitalströme hat die strukturellen Schwächen einzelner Länder wieder offengelegt. Um das Vertrauen der internationalen Investoren zu erhalten, müssen diese nun wirtschaftspolitisch gegensteuern. Das ist aber leichter gesagt als getan. Denn 2014 stehen wichtige Wahlen an, vor denen die politisch Verantwortlichen schmerzhafte, aber auf Dauer unvermeidbare Anpassungen vermeiden möchten. So verzögerte die türkische Zentralbank notwendige Zinserhöhungen, bis sie Ende Januar doch gezwungen war, mit einem radikalen Schritt den wichtigsten Leitzins auf 10 % mehr als zu verdoppeln. Brasilien - vermutlich durch die Krisen der 80er und 90er Jahre lebenserfahren - reagierte dagegen zügiger und begann bereits im Mai 2013 mit dem Zinserhöhungszyklus. Dass Brasilien dennoch von Kapitalabflüssen betroffen ist, liegt zweifelsohne am gestiegenen Leistungsbilanzdefizit aufgrund der geringeren Wettbewerbsfähigkeit nach der deutlichen realen Aufwertung des Reals in den vergangenen Jahren.
Die jüngsten Abwertungen verteuern die Importe, erhöhen so die Inflation und zwingen die Länder zu Zinserhöhungen, die die Wirtschaft belasten. Schwächere Währungen können aber auch die Wettbewerbsfähigkeit und damit die Exporttätigkeit verbessern. Dies dürfte durch die bessere Konjunktur in den Industrieländern unterstützt werden. Die betroffenen Schwellenländer müssen nun ihre Geld- und Fiskalpolitik einem stabilitätspolitischen Kurs unterwerfen. Werden die Marktkorrekturen positiv aufgenommen - wofür zuletzt eine gewisse Stabilisierung einiger Schwellenländerwährungen spricht - sollte eine "echte" Emerging Markets Krise verhindert werden können.
Deutschland: Wachstum bei niedriger Inflation
Der Aufschwung in Deutschland setzt sich fort, trotz der Turbulenzen in den Schwellenländern. Aufgrund zuletzt niedriger Inflationsraten in der Eurozone und in Deutschland senken wir unsere Prognose für 2014 um jeweils 0,3 Prozentpunkte.
Das Statistische Bundesamt hat bereits die Wachstumszahl für das Gesamtjahr 2013 für Deutschland mit kalenderbereinigt 0,5 % veröffentlicht. In der Berichtswoche steht nun das vierte Quartal zur Bekanntgabe an, das einen Zuwachs von ¼ % gegenüber den drei Monaten zuvor aufweisen dürfte. Nach dem mäßigen Wachstum im zweiten Halbjahr sollte die Dynamik 2014 zunehmen. Die Wiederkehr des - wenn auch zögerlichen - Wachstums in den europäischen Krisenländern eröffnet auch der deutsche Industrie neue Chancen. Beispielsweise haben sich die Pkw- Neuzulassungen in Spanien seit 2007 um rund 60 % verringert und in Italien fast halbiert. Eine Trendwende ist mittlerweile in Gang gekommen. Auch bewegen sich die Investitionen in Europa allmählich aus dem tiefen Tal. Hiervon profitieren die deutschen Paradebranchen Maschinenbau und Elektrotechnik. Steigende Einkommen und Beschäftigung bei einer sinkenden Sparquote führen zudem zu mehr Konsum im Inland. Der Wohnungsbau erlebt eine Sonderkonjunktur, die 2014 nicht wie im Vorjahr von negativen Wetterbedingungen behindert wird.
Die jüngsten Turbulenzen in den Schwellenländern stellen zwar ein Risiko für die deutsche Exportwirtschaft dar. Allerdings ist der Anteil der zehn Staaten mit den stärksten Abwertungen seit Anfang 2013 an den gesamten deutschen Ausfuhren mit 9 % überschaubar. Die wichtigsten Schwellenländer hierunter sind Russland, die Türkei, Brasilien, Indien und Südafrika. Diese Länder sehen sich einer zweistelligen Abwertung gegenüber, die mit Zinserhöhungen bekämpft werden muss. Hierdurch verteuern sich deren Importe. China (Anteil rund 6 %) ist hiervon nicht betroffen.
Der Großteil der deutschen Ausfuhren bleibt innerhalb der EU (57 %), für die wir wie auch für die USA (8 %) für das laufende Jahr mit einer spürbaren Wachstumsbeschleunigung rechnen.
An den Finanzmärkten ist zuletzt wieder die Diskussion über Deflation in der Eurozone entbrannt. Die jüngsten Zahlen waren niedriger als von uns erwartet, so dass wir die Inflationsprognose 2014 für Deutschland auf 1,7 % von 2 % und für die Eurozone auf 1,3 % von 1,6 % reduzieren. Auch niedrige Energiekosten haben hierzu beigetragen. Allerdings sollte der Tiefpunkt jetzt erreicht sein.
Die Inflationsraten dürften demnächst wieder allmählich steigen, so dass keine Deflation droht. Der aktuell zu beobachtende Prozess der Disinflation in den Krisenländern ist zudem durchaus positiv zu werten. Nicht nur verbessert sich hierdurch die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Ländern wie Deutschland, auch die Konsumenten profitieren. So stiegen die Verbrauchsausgaben beispielsweise in Spanien gegen Jahresende bereits zum zweiten Mal in Folge um 0,4 % gegenüber Vorquartal, u.a. weil die Konsumenten bei Preissteigerungen von nur noch 0,3 % nicht weiter belastet wurden.