Liberalisierungen und Reformen in den vergangenen 5 Jahren haben das zuvor moderate indische Wachstumstempo spürbar beschleunigt. Das vom privaten Konsum und den Investitionen getragene Wirtschaftswachstum stieg 2006 auf 9 % und wird 2007 voraussichtlich nur leicht auf 8 % zurückgehen.
Allerdings ist diese Prognose mit Abwärtsrisiken behaftet, wenn etwa der Monsun-Regen schwächer als gewöhnlich ausfallen, die Ölpreise wieder steigen oder die indischen Vermögen(einschließlich der Aktien) an Wert verlieren sollten. Der international wettbewerbsfähige ITSektor sowie die Dienstleistungen expandieren weiter zügig. Zudem entstehen mit den lebhaften Investitionen in den übrigen Sektoren der Wirtschaft neue Arbeitsplätze für die rasch wachsende Bevölkerung. Das gegenüber früher liberalere wirtschaftliche Umfeld hat nicht nur die ausländischen Direkt- und Portfolioinvestitionen sprunghaft, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit der indischen Unternehmen erhöht, die jetzt selbst größere Akquisitionen im Ausland vornehmen. Die indische Kapazitätsauslastung ist bereits angespannt, und erste Überhitzungsanzeichen – die Inflationsrate erreichte im Frühjahr 2007 fast 7 % – sind aufgetreten.
Die Regierung trägt mit dem strukturell bedingt hohen Haushaltsdefizits wenig zur Inflationsbekämpfung bei. Es obliegt hauptsächlich der Zentralbank, Dampf aus der Wirtschaft abzulassen und ein „Soft Landing“ herbeizuführen. Seit Mitte 2006 hat sie den Leitzins schrittweise um insgesamt einen Prozentpunkt auf 7,75 % erhöht. Die Zentralbank geht allerdings bei der Liquiditätseinschränkung aus Sorge vor einer plötzlichen Korrektur des Aktienmarktes und wegen der gegenwärtigen Währungsstärke äußerst behutsam vor. Der indische Aktienindex hat sich seit 2002 vervierfacht und die Aktienbewertungen gelten trotz der Dynamik der Unternehmen teilweise als hoch. Die Rupie wertete seit Ende 2006 gegenüber dem US-$, aber auch gegenüber dem Euro von 58,4 Rupie/€ auf aktuell rund 55 Rupie/€ auf. Steigende Spreads gegenüber den ausländischen Anlagen könnten die Rupie nochmals stärken und damit die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft belasten. Das Defizit der Leistungsbilanz ist zwar noch nicht besorgniserregend, wird aber 2007 wahrscheinlich auf fast 18 Mrd. $ steigen.
Sollten sich die Leistungsbilanz wider Erwarten deutlich verschlechtern, die Portfoliozuflüsse wegen niedriger Gewinne indischer Unternehmen oder einer steigenden Risikoaversion auf den internationalen Kapitalmärkten versiegen bzw. negativ werden, verfügt die Zentralbank als Munition für die Absicherung des Rupienkurses über Währungsreserven von knapp 200 Mrd. $. Zudem ist der freie Kapitaltransfer ins Ausland der indischen Wirtschaft und den Einwohnern nur eingeschränkt gestattet. Die Zentralbank wird voraussichtlich erst 2008 wieder einen expansiveren Kurs steuern, wenn der Inflationsdruck und die Überhitzungsgefahren nachlassen werden. Bis dahin sollte die indische Rupie wegen eines weiter leicht steigenden indischen Zinsniveaus und der sich – unter Vorbehalt der oben skizzierten Risiken – fortsetzenden Wirtschaftsdynamik fest tendieren, zumal der Wechselkurs (noch) nicht als überbewertet anzusehen ist.