- Die Mitglieder des FOMC haben sich in den vergangenen Monaten wieder in Richtung zusätzlicher Anleihekäufe bewegt. Auf der Sitzung in dieser Woche wird das Komitee zumindest den frühesten Termin für eine Zinswende weiter in die Zukunft verschieben.
- Das makroökonomische Umfeld spricht derzeit nicht für ein neues Kaufprogramm. Risi-ken und Nebenwirkungen dominieren, während die Wirksamkeit eher fraglich ist.
- Allerdings sind einige Notenbanker offenbar angesichts der schleppenden Entwicklung am Arbeitsmarkt ungeduldig und, was die potenzielle positive Wirkung eines Kaufpro-gramms angeht, sehr optimistisch. Entsprechend steht es auf der Kippe, ob ein neues Kaufprogramm kommt oder nicht.
Die Fed steht auf ihrer geldpolitischen Sitzung in dieser Woche einmal mehr vor der Frage, ob sie auf ihre bereits sehr expansive Geldpolitik "noch einen draufpacken" soll. Wahrscheinlich wird das FOMC mehrheitlich - wenn auch nicht einstimmig - beschließen, seine Absichtserklärung, die Zinsen für eine lange Zeit niedrig zu halten, zeitlich zu strecken. Statt wie bisher "Ende 2014" wird voraussichtlich "Mitte 2015" als - aus heutiger Sicht - frühester wahrscheinlicher Termin einer Zinswende in Aussicht gestellt. Damit würde vor allem der Tatsache Rechnung getragen, dass seit der Einführung der bisherigen Formulierung im Januar gut ein halbes Jahr vergangen ist. Die Verschiebung des wahrscheinlichsten Termins für eine Zinswende würde bereits eine neuerli-che Lockerung der Geldpolitik darstellen. Knapper dürfte hingegen die Entscheidung über ein neues Kaufprogramm von Wertpapieren ausfallen, auf das viele Beobachter seit längerer Zeit hoffen.
Konjunkturelle Lage spricht nicht für zusätzlichen Stimulus
Die Datenlage ist aktuell durchwachsen. Deflationsrisiken, die schon bei der zweiten Runde der "quantitativen Lockerung" 2010 aus unserer Sicht überschaubar waren, sind derzeit nicht auszu-machen. Die Kernteuerung dürfte gemessen am Preisindex für Konsumausgaben in den kommen-den Monaten bei etwa 11/2 % bis 13/4 % liegen und damit genau im Rahmen der Erwartungen des FOMC zum Jahresbeginn. Hieraus lässt sich kein neuer geldpolitischer Handlungsbedarf ableiten.
Bleibt also die Lage am Arbeitsmarkt - die zweite Zielgröße der amerikanischen Notenbank. Die Arbeitslosenquote bewegte sich zuletzt bei rund 8 % weitgehend seitwärts. Der Beschäftigungs-aufbau in der Privatwirtschaft lag in den drei Monaten bis zum August bei rund 100.000 Stellen pro Monat. Dies reicht mittelfristig gerade aus, um die Arbeitslosenquote stabil zu halten. Vergli-chen mit den vorübergehend deutlich über 200.000 neuen Stellen pro Monat, die im Winterhalb-jahr 2011/2012 erreicht wurden, stellt diese Entwicklung sicher eine gewisse Enttäuschung dar. Bereits damals merkten Notenbankvertreter allerdings die Möglichkeit an, dass diese hohe Dyna-mik in erster Linie der extrem warmen Witterung in diesem Winter geschuldet sein könnte. Zudem dürfte die Projektion der FOMC-Mitglieder vom Januar für die Arbeitslosenquote im Q4 2012 von 81/4 % bis 81/2 % trotz des nun wieder geringeren Stellenaufbaus aus heutiger Sicht unterschritten werden. Auch die Situation am Arbeitsmarkt gibt also eigentlich keinen Anlass für zusätzliche Impulse von der Geldpolitik.
Was würde ein Kaufprogramm bringen?
Zudem stellt sich die Frage, ob ein neues Kaufprogramm überhaupt die erhofften realwirtschaftli-chen Wirkungen zeigen würde. Weder ein direkter Effekt auf die Einstellungsentscheidungen der Unternehmen noch ein spürbarer indirekter Effekt auf die allgemeine Stimmung in der Wirtschaft erscheinen plausibel. Neben möglichen politischen Schwierigkeiten - bereits an der zweiten Run-de von Anleihekäufen hatte sich lautstarke Kritik entzündet - drohen bei einem neuen Kaufpro-gramm auch unliebsame Nebenwirkungen. So zogen 2010/2011 im Rahmen der Fed-Anleihekäufe die Rohstoff- und insbesondere die Energienotierungen spürbar an. Die Folge war eine deutliche Verlangsamung des privaten Konsums, der vor allem von den höheren Preisen für Heizung und Benzin belastet wurde. Angesichts der Belebung am Immobilienmarkt entfallen auch zunehmend Argumente für eine Unterstützung des Wohnungsbaus durch Käufe von mit Hypotheken besicher-ten Wertpapieren (MBS), die vielleicht vor einem halben Jahr noch gezogen hätten.
Zwar stellen die andauernde Schuldenkrise in Europa und das "fiscal cliff",1 von dem die ameri-kanische Wirtschaft zur Jahreswende zu fallen droht, konjunkturelle Risiken dar - wobei das letz-tere deutlich mehr ins Gewicht fällt. Käufe von Staatsanleihen oder von MBS können in dieser Hinsicht aber nichts bewegen. Diese Probleme müssen von den Politikern in Europa bzw. in Was-hington gelöst werden.
Die Finanzmärkte, die zum Teil bereits von den Hoffnungen auf eine neue Kaufrunde profitiert haben, würde ein Kaufprogramm tendenziell stützen. Allerdings hat die Kursentwicklung weder an den Märkten für amerikanische Staatsanleihen, Unternehmensanleihen oder MBS, noch am Ak-tienmarkt im Vorfeld Anlass zu Furcht vor negativen konjunkturellen Auswirkungen gegeben. Kurz gesagt: Die Finanzmärkte bremsen die Konjunktur nicht. Das Zinsniveau ist historisch nied-rig. Der Realzins ist derzeit selbst für zehnjährige Staatsanleihen negativ. Auch Indizes, die das monetäre/finanzielle Umfeld abbilden oder Daten zur Unternehmenskreditvergabe der Banken senden das gleiche Signal.
Fazit: Trotzdem eine knappe Sache
Insgesamt spricht derzeit also eigentlich nichts für ein neues Kaufprogramm der Fed. Seine Wahr-scheinlichkeit liegt aus unserer Sicht trotz allem bei fast 50 %. Dies unterstreicht, dass die Noten-banker die von Ben Bernanke immer wiederholte Maxime, die Geldpolitik sei kein Allheilmittel, offenbar selber nicht wirklich beherzigen.
Ein neues Kaufprogramm, sollte es kommen, könnte im Gegensatz zu den bisherigen "open-ended" sein. Damit würde man zwar auf eine positive Marktreaktion durch den "Ankündigungsef-fekt" eines großen Volumens verzichten. Die Fed hätte dann aber mehr Flexibilität, auf sich än-dernde Umstände zu reagieren und die Ankäufe jederzeit hoch- oder herunterzufahren. Beispiels-weise wäre denkbar, dass man den Kauf von Treasuries und MBS im Volumen von monatlich je 50 Mrd. Dollar ankündigt. Dies könnte mit Bedingungen verbunden werden, deren Eintreten zur Einstellung des Kaufprogramms führen würde. Für einen solchen bedingten geldpolitischen An-satz spricht sich der Präsident der Chicago Fed Evans seit längerer Zeit aus. Selbst wenn er und die anderen Verfechter eines Kaufprogramms diesmal noch keine Mehrheit finden, haben sie auf den nächsten Sitzungen im Oktober und Dezember weitere Gelegenheiten, den Rest des Gremiums zu überzeugen.
1 Siehe unser USA aktuell "Wahlen 2012: Bahn frei für den Sparkurs?"