Deutschland: Rück- und Ausblick
2013 war das deutsche Wirtschaftswachstum mit 0,4 % erneut geringer als im Jahr zuvor (2012: 0,7 %). Ursache war das niedrige Ausgangsniveau zu Jahresbeginn. Allerdings erholte sich die Weltwirtschaft im Jahresverlauf. Auch durchschritten viele Euro-Länder mit Verschuldungsproblemen ihren Tiefpunkt, so dass sich der Nachfrageausfall nach Produkten aus Deutschland reduzierte.
Das Ende der Rezession in der Eurozone wird auch weiterhin die deutsche Konjunktur unterstützen. Ferner spricht die Höhe der Tarifabschlüsse für real steigende verfügbare Einkommen. Verstärkt durch die zunehmende Beschäftigung ist ein deutlich positiver Beitrag des Konsums zu erwarten. Nach Jahren der Zurückhaltung dürften nun spürbare Impulse von den Investitionen ausgehen. Insgesamt ist 2014 eine Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 2 % in Deutschland möglich - keine drastische Verschärfung der Sanktionen gegen Russland vorausgesetzt.
Hessen: Überdurchschnittliches Potenzial
Hessen wies 2013 ein BIP-Wachstum auf, das mit 0,9 % deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 0,4 % lag. Dabei kamen kräftige Impulse von der Industrie, deren Bruttowertschöpfung um 1,5 % wuchs (Deutschland 0,2 %). Die größte hessische Industriebranche Chemie/Pharma lieferte einen wichtigen Beitrag. Der Umsatz stieg um 10 % deutlich stärker als auf Bundesebene, wobei die chemischen Erzeugnisse besonders in der Eurozone und die pharmazeutischen Produkte im Inland nachgefragt waren. Verstärkt durch den hohen Umsatzanteil an der Industrie von 26 % konnten die chemischen und pharmazeutischen Hersteller die bescheidenen Ergebnisse der anderen großen Industriebranchen wie Fahrzeugbau, Metall, Maschinenbau und Elektrotechnik sogar ausgleichen.
Die Dienstleitungsbereiche in Hessen entwickelten sich 2013 mit 1,0 % überdurchschnittlich(Deutschland 0,7 %). Hierbei spielte der Wirtschaftszweig "Finanz-, Versicherungs-, Unternehmensdienstleister, Vermietung" eine tragende Rolle. Dies ist wesentlich für die hessische Wirtschaft, denn das Gewicht des heterogenen Bereichs ist mit 36 % um acht Prozentpunkte höher als im Bundesdurchschnitt. Die Zuwachsrate betrug 1,5 % und signalisiert, dass sich auch das hessische Bankgewerbe erholt hat und wieder zu den Stützen des Wirtschaftswachstums zählt.
"Handel, Gastgewerbe, Verkehr, Information und Kommunikation" ist ein zusammengefasster Dienstleistungsbereich, der im vergangenen Jahr in Hessen durchschnittlich gewachsen ist. Für Auftrieb dürfte die Logistik mit dem Drehkreuz Frankfurter Flughafen gesorgt haben. Frankfurt Airport wird von 28 % der Passagiere und für 48 % des Frachtaufkommens im deutschen Luftverkehr genutzt. Er nimmt damit unangefochten Platz 1 innerhalb Deutschlands ein und ist das größte kontinentaleuropäische Logistikdrehkreuz für Waren sowie das zweitgrößte für Passagiere. 2013 nahm deren Zahl um gut 500.000 Personen (+0,9 %) zu und das Frachtaufkommen um 1,3 %. Bis 2020 soll die Abfertigungskapazität durch den Bau eines dritten Terminals weiter erhöht werden, um die Möglichkeiten der neuen Landebahn voll ausschöpfen zu können. Wenn sich die Nachfrage ebenfalls entsprechend entwickelt, sind Antriebskräfte für die gesamte hessische Wirtschaft und den Arbeitsmarkt zu erwarten.
Hessen wies 2013 mit 5,8 % die viertniedrigste Arbeitslosenquote in Deutschland auf. Besser platziert waren nur Bayern (3,8 %), Baden-Württemberg (4,1 %) und Rheinland-Pfalz (5,5 %). Im März 2014 sank sogar die absolute Zahl der Arbeitslosen seit Oktober 2012 zum ersten Mal wieder gegenüber dem Vorjahr. Damit kündigt sich am hessischen Arbeitsmarkt ebenfalls eine Erholung an. Angesichts einer Kapazitätsauslastung der Unternehmen, die sich auf Bundesebene dem langfristigen Durchschnitt annähert, stehen die Zeichen auf Wachstum, zumal die Trendwende in vielen Euro-Krisenländern konjunkturell erfolgt ist und der Außenhandel wieder in Schwung kommt. Die Zahl der Erwerbstätigen in Hessen dürfte damit weiter steigen. Zusammen mit den Lohnerhöhungen und den moderaten Inflationsraten ergibt sich daraus Potenzial für den privaten Konsum. Somit steht einem überdurchschnittlichen Jahr in Hessen kaum etwas im Wege und die bundesdeutsche Wachstumsrate von 2 % ist eine Untergrenze für das Bundesland im laufenden Jahr.
Thüringen: Industriezyklus wieder in Gang gekommen
Die Wachstumsrate des BIP in Thüringen war 2013 mit 0,5 % nur leicht überdurchschnittlich. Ursache war ein weiteres schwaches Jahr für die Industrie insgesamt, was sich in Thüringen meist stärker auswirkt, da das Land unter den hier dargestellten Bundesländern den höchsten Industrieanteil hat. War auf Bundesebene quasi eine schwarze Null (+0,2 %) im Industriesektor zu verzeichnen, wechselte sie in Thüringen auf eine rote Null (-0,2 %). Innerhalb der Branchen tat sich nur der Thüringer Kraftfahrzeugbau mit einem Umsatzzuwachs von 10 % hervor. In den anderen großen Wirtschaftszweigen der Industrie waren Rückgänge zu verkraften. Wichtig für die Entwicklung in diesem Jahr ist aber, dass die Trendwende schon im vergangenen Jahr erfolgt ist, sodass nun mit positiven Impulsen aus der Industrie zu rechnen ist.
Die Dienstleistungsbereiche lieferten in Thüringen 2013 mit einem Plus von 1,0 % eine gleichhohe Wachstumsrate wie in Hessen. Innerhalb des Sektors war es besonders die Gruppe "Handel, Verkehr, Gastgewerbe, Information/Kommunikation", die mit einem Zuwachs von 3,4 % die höchste Steigerungsrate in dieser Branche bundesweit (1,0 %) erreichte. Überdurchschnittliches kam auch aus dem Bereich "Finanz-, Versicherungs-, Unternehmensdienstleister, Vermietung" (1,6 %). Die staatlich dominierten "öffentlichen und sonstigen Dienstleister" sind in Thüringen im dritten Jahr rückläufig, was angesichts der Konsolidierungsbemühungen des Freistaats nicht verwundert.
Da in Thüringen in der Vergangenheit auf ein "starkes Dienstleistungsjahr" häufig ein schwächeres folgte und das Wachstum im Industriesektor nur leicht überdurchschnittlich sein dürfte, ist für 2013 ein BIP-Wachstum zu erwarten, das in etwa den gesamtdeutschen Durchschnitt erreichen sollte.
Auf dem Arbeitsmarkt ist mit weiteren Verbesserungen zu rechnen. So betrug 2013 die Arbeitslosenquote 8,2 % und war damit niedriger als im Vorjahr (8,5 %). Zum Teil ist dies auf eine Zunahme der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zurückzuführen. Ein weiterer Aspekt ist die Altersstruktur. So sind inzwischen 20 % der Arbeitnehmer und 27 % der Arbeitslosen 55 Jahre und älter während es in den alten Bundesländern nur 16 % bzw. 19 % sind. Entsprechend mehr Personen werden in den kommenden Jahren aus dem Erwerbsleben bzw. vom Arbeitsmarkt ausscheiden. Die Thüringer Unternehmen sind in diesem Umfeld zunehmend gefordert, mit attraktiven Arbeitsplätzen Mitarbeiter zu gewinnen und zu behalten. Die Beschäftigungsschwelle dürfte zudem im laufenden Jahr überschritten werden, was Bedarf an zusätzlichen Arbeitskräften hervorruft.
Nordrhein-Westfalen: Strukturwandel bremst Wachstum
Die Wirtschaftskraft Nordrhein-Westfalens (NRW) - gemessen am BIP pro Einwohner - entspricht dem Bundesdurchschnitt. Damit liegt das Bundesland im innerdeutschen Vergleich auf Platz vier(ohne die Stadtstaaten Hamburg und Bremen).
Die Entwicklung Nordrhein-Westfalens war im vergangenen Jahr mit -0,1 % unter dem gesamtdeutschen Durchschnitt von 0,4 %. Die Industrie blieb mit einem Rückgang von 0,7 % spürbar zurück. Die chemischen Produzenten sowie die Metallerzeugung/-bearbeitung und der Maschinenbau mussten 2013 zum Teil erhebliche Umsatzeinbußen verkraften und konnten von der anziehenden Konjunktur kaum profitieren. Erschwerend kommt hinzu, dass NRW der Standort der großen Energieversorgungsunternehmen ist: Fast ein Drittel der bundesweiten Bruttowertschöpfung stammt von den nordrhein-westfälischen Unternehmen. Sie sind von der Energiewende besonders betroffen.
Wenn zentrale Wirtschaftsbereiche in einem Bundesland keine Zugkraft haben, wirkt sich dies auch auf den regionalen Dienstleistungssektor aus. Die Bruttowertschöpfung dieser Bereiche, mit Ausnahme der staatlich geprägten "öffentlichen und sonstigen Dienstleister", entwickelte sich schwächer als im Bundesdurchschnitt.
Angesichts der stagnierenden Wirtschaft zeigte sich der Arbeitsmarkt vergleichsweise robust. Die Arbeitslosenquote stieg 2013 geringfügig auf 8,3 % und die Zunahme der Anzahl der Arbeitslosen war mit 4 % durchschnittlich. Allerdings ist das Niveau der Erwerbslosenrate das höchste unter den alten Bundesländern und zum Jahresbeginn 2014 war die Frühjahrsbelebung deutlich schwächer. Wie stark der Strukturwandel in NRW noch den Arbeitsmarkt beeinflusst, belegt die Veränderung der Beschäftigung in einzelnen Wirtschaftszweigen. So nahm in den letzten fünf Jahren die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Steinkohlebergbau um 12.000 Personen und damit um über 50 % ab. In der Chemie gingen fast 9.000 Arbeitsplätze und bei den Metallern über 21.000 Stellen verloren. In anderen Branchen ist eine Vielzahl von Arbeitsplätzen entstanden, denn die Beschäftigung ist in dem Fünfjahreszeitraum um 5 % gestiegen. Bei den großen Branchen des Verarbeitenden Gewerbes kam es nur im Maschinenbau zu einem signifikanten Stellenaufbau(+11.000 Beschäftigte). Der Hauptteil der zusätzlichen Arbeitsplätze wurde von Dienstleistungsunternehmen bereitgestellt, die aufgrund der benötigten Qualifikationen auf Zuwanderung aus anderen Bundesländern oder Staaten angewiesen sind.
Das Wirtschaftswachstum wird von einem Strukturwandel grundsätzlich gebremst. Allerdings sollte in diesem Jahr mit der verbesserten Nachfrage aus der Eurozone und aus dem Inland dank steigender Löhne zumindest ein positives BIP-Wachstum in NRW erreicht werden.
Brandenburg: Dienstleister sorgen für Schwung
Brandenburg konnte 2013 ein überdurchschnittliches Wachstum von 0,7 % erreichen. Verantwortlich zeichneten die privatwirtschaftlichen Dienstleistungsbereiche. So war die Wachstumsrate in der Gruppe "Handel, Gastgewerbe, Verkehr, Information/Kommunikation" mit 1,9 % fast doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt. Auch der Bereich "Finanz-, Versicherungs-, Unternehmensdienstleister, Vermietung" wuchs mit 1,4 % etwas stärker als in Deutschland insgesamt (1,1 %).
Für den Schwung im Dienstleistungsgewerbe dürfte sicher auch die Nähe zu Berlin beigetragen haben. Die Bundeshauptstadt konnte in den oben erwähnten Wirtschaftszweigen ebenfalls überdurchschnittlich expandieren (2,5 % bzw. 1,6 %). Dazu kommt noch eine Ausweitung im staatlich dominierten Sektor "öffentliche und sonstige Dienstleister" um 0,9 % entgegen der Stagnation im Bundesdurchschnitt. Insgesamt war Berlin 2013 mit 1,2 % der Wachstumsspitzenreiter in Deutschland. Von dieser Dynamik konnten brandenburgische Unternehmen profitieren.
Berlin besitzt auch weiterhin Wachstumspotenzial. Verglichen mit den Hauptstädten anderer Länder weist die Stadt eine Besonderheit auf: Während die Wirtschaftskraft der Hauptstädte - gemessen am BIP pro Einwohner - normalerweise deutlich über dem nationalen Durchschnitt liegt, ist das Pro-Kopf-BIP Berlins sogar um fast 10 % niedriger. Hieraus ergibt sich ein gewisser Aufholprozess, an dem Brandenburg in den kommenden Jahren grundsätzlich teilhaben kann.
Die Brandenburger Industrie entwickelte sich 2013 in etwa durchschnittlich (+0,1 %). Die Exportquote blieb nahezu unverändert bei 31 %. Der Umsatz mit der Eurozone konnte gesteigert werden, die Exporte in andere Länder waren dagegen rückläufig.
Der Arbeitsmarkt verbesserte sich 2013 auch in Brandenburg. Die Zahl der Arbeitslosen nahm um 2,8 % ab und damit sogar etwas stärker als in Berlin (-2,4 %). Die Arbeitslosenquote sank auf 9,9 % im Jahresdurchschnitt (Berlin 11,7 %). Eine Fortsetzung des Trends zeichnet sich auch für das laufende Jahr ab, zumal die Alterskonstellation der brandenburgischen Arbeitnehmer und Erwerbslosen ähnlich wie in Thüringen ist, sodass prozentual mehr Personen die Rentenschwelle überschreiten als in den alten Bundesländern.
Die intensive Pendlerverbindung mit Berlin stärkt Brandenburg. So arbeiten rund 190.000 Brandenburger, das sind rund 20 % der in dem Bundesland wohnenden sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Berlin. Die dort erzielten Einkommen schlagen sich in einer gestiegenen Kaufkraft in Brandenburg nieder. Allerdings gibt es auch einen Pendlerstrom in die andere Richtung: 78.000 Berliner pendeln zu ihrer Arbeitsstelle nach Brandenburg. Wenn die 2015 angestrebte Eröffnung des Flughafens Berlin-Brandenburg tatsächlich erfolgt, dürften sich neue Impulse ergeben. Bis dahin sind die Wachstumschancen für Brandenburg etwa auf den Bundesdurchschnitt begrenzt.