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Krimkonflikt trifft schwache russische Wirtschaft

(lifePR) (Frankfurt am Main, )
Der Konflikt zwischen der Ukraine und Russland hat sich verschärft. Eine Abspaltung der Krim-Halbinsel scheint kaum mehr abzuwenden. Der Westen bereitet erste Sanktionen gegen Russland vor. Sie treffen das Land in einer ohnehin schwachen wirtschaftlichen Verfassung und dürften das Wachstum 2014 belasten. Die Auswirkungen des Konfliktes auf die deutsche Wirtschaft sind bislang überschaubar. Dies könnte sich aber bei einer Eskalation schnell ändern.

Russland hatte wie andere Schwellenländer nach der Finanzkrise 2008 günstigen Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten. Obwohl Kapitalzuflüsse und -abflüsse sich in etwa die Waage hielten, erhöhten sich die Währungsreserven der Zentralbank aufgrund des Leistungsüberschusses auf 475 Mrd. US-Dollar. Der von der Zentralbank an einen Währungskorb von Euro und US-Dollar orientierte Rubel wertete wegen der deutlich höheren russischen Inflation real stetig auf. Mit der ersten Ankündigung der US-Notenbank im Mai 2013, ihr Anleiheankaufprogramm zu reduzieren, hat sich die Situation für die Schwellenländer-Währungen gedreht. Zwar kam es vor allem in Ländern mit hohen Leistungsbilanzdefiziten zu Kapitalabflüssen, interessanterweise war aber auch Russland betroffen. Kapital ist hier abgeflossen, weil die politischen und wirtschaftlichen Risiken gestiegen sind. Die strukturellen Schwächen Russlands - einseitige Export- und Importstruktur sowie eine ineffiziente, staatlich dominierte Wirtschaft - sind wieder in den Vordergrund getreten. Zudem scheinen die lange Zeit günstigen Bedingungen in der Ära Putin mit steigenden Öl- und Gaspreisen sowie großen fiskalpolitischen Spielräumen nun vorbei zu sein.

Russlands Wirtschaft: Wenig Wachstum und Reformstau

Seit dem vierten Quartal 2011 ist das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) stetig zurückgegangen. Im Jahr 2013 betrug es gerade noch 1,4 %. Dies ist wenig für Russland mit seinem beachtlichen Leistungsbilanzüberschuss, zumal der Ölpreis 2013 nicht nennenswert nachgab. Einzig der private Konsum sicherte noch maßgeblich die Expansion, während die Investitionen stagnierten und der Außenbeitrag negativ war. Die kräftigen Lohnerhöhungen haben die Lohnstückkosten der Wirtschaft seit 2005 um 150 % erhöht. Die Wettbewerbsfähigkeit der Nicht-Rohstoff-Wirtschaft wurde somit kontinuierlich unterhöhlt. Nach wie vor prägt der Energiesektor die Wirtschaftsstruktur. Der Anteil der Öl- und Gasexporte an den Gesamtausfuhren ist in den letzten acht Jahren von 64 % sogar weiter auf 70 % gestiegen.

Das ist unbefriedigend für ein Land, in dem früher das produzierende Gewerbe einen großen Teil des BIP erzeugte. Russland braucht daher nicht ein konsum-, sondern ein produktionsgetriebenes Wachstum. Auch wird sich Russland künftig nicht einzig auf den Energiesektor stützen können. Die Förderbedingungen werden allgemein schwieriger und daher teurer. Der Staatshaushalt wird weniger von den Steuern auf den Energieexport profitieren und soziale Wohltaten wie in den letzten Jahren werden nicht mehr im gleichen Umfang finanzierbar sein. Das BIP wird daher vorerst nur verhältnismäßig langsam zulegen: Für 2014 haben wir die Prognose von 2,5 % auf 2,0 % revidiert. Dies setzt aber voraus, dass eine diplomatische Lösung für den Konflikt mit der Ukraine gefunden wird und der Ölpreis auf dem aktuellen Niveau verharrt.

Denn politische Unsicherheiten sind Gift für die Kapitalmärkte. Russische Investoren verlagern bereits seit 2012 ihr Kapital ins Ausland und dieser Trend könnte sich jetzt nochmals verstärken. Der Exodus von Kapital kann nur über Reformen gestoppt werden. Für ein über Investitionen erzeugtes nachhaltiges Wachstum sind zuverlässige Institutionen, die Bekämpfung von Bürokratie und Korruption sowie eine gute Infrastruktur unerlässlich. Beim "Doing Business"-Ranking der Weltbank für kleine und mittlere Unternehmen rangiert Russland weltweit nur im Mittelfeld auf Platz 92. Die Regierung kündigt stets Besserung an, doch erfolgten Reformen bisher nur halbherzig und langsam. Der Staat kontrolliert etwa die Hälfte der Wirtschaft, was auf private Investoren abschreckend wirkt. Die Privatisierungsziele sind zudem niedrig angesetzt.

Seit 2011 gehen die Leistungsbilanzüberschüsse stetig zurück. Sie könnten schon bald der Vergangenheit angehören. Dann würde Russland das wichtigste Asset für seine Bonitätsbewertung verlieren und es müssten andere aufgebaut werden. Die gesamte Auslandsverschuldung ist mit 714 Mrd. US-Dollar für den Staat (gut 60 Mrd. US-Dollar) kein Thema, dafür ist sie bei einzelnen Unternehmen, Banken und ausländischen Direktinvestoren (Mutter-Töchter-Kredite) relevant. Durch die Rubelabwertung (allein seit Anfang 2014 um 10 %), die sich jederzeit fortsetzen könnte, sowie die schwache Konjunktur wird zumindest für die Kreditnehmer, die nur Rubeleinnahmen haben, die Schuldenbedienung teurer und schwieriger. Gesamtwirtschaftlich verfügt Russland aber über hohe Währungsreserven (Ende 2013: 475 Mrd. US-Dollar), die Zahlungsschwierigkeiten unwahrscheinlich machen.

Die Verfolgung eines Inflationsziels hat unter der neuen Zentralbankpräsidentin Nabiullina einen höheren Stellenwert erhalten. Das bisher verfolgte Wechselkursziel wird schrittweise durch einen flexibleren Wechselkurs ersetzt. Die Zentralbank hob Anfang März 2014 den Leitzins deutlich von 5,5 % auf 7 % an, um die Inflationsgefahren durch die deutliche Rubelabwertung zu vermindern. Die Inflationsrate befindet sich Anfang 2014 noch außerhalb des Zielbandes von 5 bis 6 %.

Das Haushaltsdefizit lag ohne Exportsteuern auf Energie 2013 schätzungsweise bei 10 % des BIP, mit den Energieeinnahmen bei 0,5 % des BIP. Gegenwärtig sind Ölpreise von etwa 110 US-Dollar je Fass für einen ausgeglichenen Haushalt erforderlich. Die Staatsausgaben werden nach einer neuen Fiskalregel, die sich an historischen Ölpreisen ausrichtet, begrenzt. Bei hohen Ölpreisen sollen Guthaben im Reservefonds (Stand Dezember 2013: 4 % des BIP) auf-, bei niedrigen abgebaut werden. Deshalb konnte die Regierung 2013 auch kaum Wachstum über höhere Staatsausgaben stimulieren. Da Präsident Putin im letzten Wahlkampf höhere Löhne und Sozialleistungen versprochen hat, wird die Regierung an anderen Stellen wie etwa bei Infrastrukturinvestitionen sparen müssen. Die Regierung verneint, dass der Reservefonds die Lücken schließen soll. Hoffentlich bleibt die russische Regierung bei dieser Tugend, denn das würde das Vertrauen in eine solide Haushaltspolitik erhöhen.

Auswirkungen für die deutsche Wirtschaft zunächst überschaubar

Für Deutschland ist Russland im Gegensatz zur Ukraine ein wichtiger Handelspartner. Diese Abhängigkeit besteht auch in umgekehrter Richtung. Durch die Eskalation auf der Krim-Halbinsel stellt sich die Frage, wie stark eine Einschränkung der Wirtschaftsbeziehungen zu Russland und zur Ukraine Deutschland treffen würde. Die Ukraine selbst ist als Handelspartner für Deutschland von untergeordneter Bedeutung. Sie nahm 2013 nur Waren von gut 5 Mrd. Euro auf, bei einem deutschen Gesamtexport von 1,1 Billionen Euro. Das Land steht damit an 37. Stelle der Exportdestinationen. Bei den Einfuhren liegt das Schwarzmeerland mit 1,5 Mrd. Euro sogar nur an 55. Stelle.

Viel wichtiger für Deutschland aber ist Russland, das 2013 mit rund 36 Mrd. Euro 3,3 % der deutschen Warenausfuhren aufgenommen hat. Sogar 4,5 % der deutschen Importe kamen von dort. Damit ist die Bundesrepublik auch Russlands wichtigster Handelspartner in der EU. Das östliche Land ist zudem der für Deutschland bedeutendste Lieferant von Erdgas und Erdöl. 39 % des Erdgases und 35 % des Rohöls werden von dort bezogen. Eine erhebliche Belastung des deutschrussischen Handels beispielsweise durch gegenseitige Sanktionen und höhere Zölle könnte damit nicht nur die Energieversorgung hierzulande gefährden, sondern auch zu empfindlichen Exporteinbußen führen. Trotz politischer Spannungen ist es allerdings in den letzten Jahrzehnten - auch in Zeiten des "Kalten Krieges" - nie zu einer Einschränkung der Gaslieferungen gekommen. Allerdings könnten sich über einen längeren Zeitraum deutlich höhere Energiepreise als Ergebnis einer Eskalation des Konfliktes in der Ukraine durchaus wachstumshemmend auswirken.

6.000 deutsche Firmen sind mit Produktionsstätten oder anderweitig in Russland vertreten. Auch sie brauchen ein spannungsfreies Wirtschaftsklima. Bereits jetzt wird der Handel durch die zuletzt schwache Wirtschaftsentwicklung Russlands und den jüngsten Rubelverfall belastet. So sind die deutschen Exporte dorthin 2013 um 5,2 % gesunken, während die gesamte deutsche Ausfuhr in etwa stagnierte.

Allerdings ist auch die russische Wirtschaft auf die Produkte und Direktinvestitionen der deutschen Industrie angewiesen. Immerhin stammen rund 14 % der russischen Einfuhren aus Deutschland. Russland benötigt für die weitere Entwicklung vor allem einen Investitionsschub. Die entsprechenden Maschinen und elektrotechnischen Güter kommen in nicht unwesentlichem Ausmaß aus Deutschland. Unter der gestiegenen Unsicherheit aufgrund der Krimkrise werden die Direktinvestitionen leiden. Zudem könnten sich die Kapitalabflüsse noch verstärken. Schon im vergangenen Jahr war es nach Angaben der Notenbank zu einem kräftigen Kapitalabfluss aus Russland in Höhe von rund 60 Mrd. US-Dollar gekommen.

Insgesamt bleibt zu hoffen, dass die schwierige Situation in der Ukraine doch noch über Verhandlungen gelöst wird und nicht zu einer gegenseitigen Einschränkung der Wirtschaftsbeziehungen führt. Aus wirtschaftlicher Sicht sollte keine Seite ein Interesse an einer Ausweitung des Konfliktes (Abspaltung von Teilen der Ukraine, umfassende und dauerhafte Wirtschaftssanktionen, militärische Eskalation) haben. Fraglich ist allerdings, ob sich die Akteure letztlich von der "ökonomischen Vernunft" leiten lassen oder nicht doch weiterhin primär politische Motive das Geschehen bestimmen werden. 

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