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Länderfokus: Frankreich vor großen Aufgaben

(lifePR) (Frankfurt am Main, )
Frankreich hat in den letzten Jahren an wirtschaftlicher Dynamik verloren. Ursache sind nicht konjunkturelle Widrigkeiten, sondern Strukturschwächen des Modells Frankreich. Damit ist die Wirtschaftspolitik gefordert. 2013 dürfte das Wirtschaftswachstum mit 0,1 % enttäuschend ausfallen. 2014 ist mit einem Plus von 1,4 % zu rechnen.

Noch zu Beginn des Jahrtausends war Frankreich wachstumsstärker als Deutschland. Dies gilt seit 2006 nicht mehr. Mit Ausnahme des starken Konjunktureinbruchs 2009 waren die Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts (BIP) hierzulande seitdem immer höher. Auch für das laufende und das nächste Jahr wird dies - wenn auch mit geringerem Abstand - voraussichtlich weiterhin gelten.

So dürfte das deutsche Wirtschaftswachstum 2013 und 2014 bei 0,9 % bzw. 1,7 % liegen, während unser westlicher Nachbar nur 0,1 % bzw. 1,4 % erreicht. Diese Unterschiede sind sogar noch pointierter, berücksichtigt man die Bevölkerungsentwicklung. Während diese in Frankreich um etwa 0,5 % pro Jahr zunimmt, konnte Deutschland aufgrund einer gestiegenen Zuwanderung in den letzten beiden Jahren nur einen minimalen Zuwachs erreichen. Zwischen 2004 und 2010 sank die Einwohnerzahl hierzulande sogar. Die sich in den letzten Jahren herausgebildeten Wachstumsunterschiede lassen sich nicht durch konjunkturelle Effekte erklären. Vielmehr hat Frankreich an internationaler Wettbewerbsfähigkeit verloren, die es aufzuholen gilt.

Frankreich zu wenig innovativ

Obwohl Frankreich gut ausgebildete Arbeitskräfte, eine ausgezeichnete Infrastruktur und niedrige Stromkosten für die Unternehmen aufweist, leidet das Land an einer schleichenden Deindustrialisierung. So ist der Industrieanteil Frankreichs in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken. Das Produzierende Gewerbe steuert nur noch 12,5 % zur Bruttowertschöpfung bei.

Dies ist weniger als die Hälfte des deutschen Niveaus. Selbst die Krisenländer Italien und Spanien haben einen höheren Anteil. Ein Großteil der Forschung und Entwicklung sowie der Patentaktivitäten kommen von der Industrie. Damit besteht die Gefahr, dass Länder mit einem geringen Industrieanteil bei der Produktivitätsentwicklung zurückfallen. Zwar sind auch im Dienstleistungsbereich Effizienzgewinne möglich. Diese gehen aber häufig auf Produktentwicklungen der Industrie zurück, beispielsweise die Hardware in der Informationstechnologie.

Zwar ist Frankreich immerhin weltweit der viertgrößte Anmelder von Patenten hinter Japan, den USA und Deutschland. Dabei ist allerdings die unterschiedliche Einwohnerzahl zu beachten. Bezieht man die Patentzahl pro 1 Million Einwohner, zeigt sich die Dominanz der Staaten mit hohem Industrieanteil. Länder wie Japan, Schweden, Deutschland oder Südkorea sind Staaten mit hohem Dienstleistungsanteil wie den USA oder Frankreich bei Patenten überlegen.

Neben Produkt- und Prozessinnovationen können Unternehmen organisatorische und Marketinginnovationen vornehmen. Letztere sind eine zusätzliche Möglichkeit im Dienstleistungssektor die Produktivität zu erhöhen. Auf Basis des "Community Innovation Survey CIS 2010", der von Eurostat veröffentlicht wird, lassen sich die Gesamtaktivitäten international vergleichen. Bei dieser Umfrage werden mit einem breiten Spektrum von Indikatoren die innovativen Unternehmen herauskristallisiert und als Anteil an der Gesamtzahl der Unternehmen dargestellt. Hierbei zeigt sich, dass Frankreich nur einen Mittelplatz einnimmt, während Länder wie Deutschland, Belgien oder Schweden ganz vorne liegen (vgl. Grafik S. 3).

Die Verbesserung der Rahmenbedingungen für mehr Innovationen sollte deswegen in der französischen Wirtschaftspolitik eine größere Rolle einnehmen. Dies würde den Unternehmen allmählich ermöglichen, innovativer zu werden und mehr Produkte im mittleren und oberen Technologiesegment anzubieten. Aktuell ist die Preiselastizität vieler französischer Industrieprodukte höher als in Deutschland. Da die Unternehmen aber in erheblichem Maße mit Herstellern aus Niedriglohnländern konkurrieren, müssen die französischen Unternehmen stärker als hierzulande mit Preissenkungen reagieren. Dies beeinträchtigt die Profitmargen und führt im Extremfall zu Verlagerungen von Aktivitäten in Niedriglohnländer.

Nettoexporte steuern nur wenig zum Wachstum bei - Konsumklima trüb

Frankreich leidet zudem zur Zeit stärker als Deutschland unter der Krise wichtiger Eurozonenländer. So exportiert das Land noch 46 % seiner Exporte innerhalb des Währungsverbandes. Der wichtigste Handelspartner ist nach wie vor Deutschland, das 2012 rund 3 % mehr Güter abgenommen hat. An zweiter Stelle liegt aber schon das aktuelle Krisenland Italien. Dort musste eine empfindliche Ausfuhreinbuße von 5,5 % hingenommen werden. Auch das von der Rezession geplagte Spanien hat für unseren westlichen Nachbarn eine hohe Bedeutung. Deutschland hingegen ist stärker auf die Schwellenländer und die USA konzentriert und exportierte 2012 nur noch 37,5 %seiner Waren in die Eurozone.

2012 stiegen die französischen Exporte real um 2,5 %, während die Importe leicht zurückgingen. Damit lieferte der Außenhandel einen Wachstumsbeitrag von 0,7 Prozentpunkten. Die Binnennachfrage schrumpfte im gleichen Ausmaß, so dass das Bruttoinlandsprodukt 2012 stagnierte. Die starke Abhängigkeit von den europäischen Krisenländern wird das Exportwachstum auch 2013 dämpfen. Damit dürften die Ausfuhren mit 1,7 % langsamer wachsen als der Welthandel (3,8 %). Bei einem Importzuwachs von rund 1 % wird der Wachstumseffekt des Außenhandels in diesem Jahr nur noch leicht positiv ausfallen.

Auch vom Konsum ist 2013 wenig zu erwarten. So hat sich der Arbeitsmarkt zuletzt weiter verschlechtert. Zu Jahresbeginn waren in saisonbereinigter Rechnung 3,2 Millionen Menschen in Frankreich arbeitslos, gut eine Million mehr als vor der Wirtschafts- und Finanzkrise Anfang 2008.

Die Arbeitslosenquote ist mittlerweile auf 10,8 % gestiegen und eine Trendwende ist für dieses Jahr nicht zu erwarten. Dementsprechend verhalten ist das Konsumklima (vgl. Grafik S. 4). Das hohe Niveau bis Anfang 2008 wurde nicht mehr erreicht. Aufgrund moderater Lohnabschlüsse steigen die verfügbaren Einkommen nur wenig. Diese Zugewinne werden trotz der zuletzt auf 1,1 % deutlich gesunkenen Inflationsrate zum großen Teil von steigenden Preisen aufgezehrt. Damit ist für den französischen Konsum 2013 nur eine moderate Zunahme von 0,3 % zu erwarten.

Die Ausrüstungsinvestitionen sind 2012 deutlich gesunken. Sie dürften sich trotz des niedrigen Niveaus der Kapitalmarktzinsen nur allmählich erholen, auch weil die Gewinnmargen der französischen Unternehmen aufgrund von Lohnrigiditäten und mangelnder Wettbewerbsfähigkeit niedrig sind. Die Bauinvestitionen hingegen haben 2012 nochmals leicht zugenommen, rutschten allerdings gegen Ende des Jahres ins Minus. Frankeich sieht sich jedoch nicht mit einer so gravierenden Bau- und Immobilienkrise wie beispielsweise Spanien konfrontiert, auch wenn die Hauspreise leicht rückläufig sind. So gibt es in wichtigen Städten wie Paris einen hohen Bedarf an bezahlbarem Wohnraum, der zu Impulsen führen dürfte. Nachdem die Wohnungsbaugenehmigungen in den Jahren 2010 und 2011 zweistellig gestiegen waren, kam es im letzten Jahr zu einem Rückgang von gut 7 %.

Die Anlageinvestitionen dürften 2013 um rund 1 % sinken, nachdem sie bereits im Vorjahr stagniert hatten. Impulse sollten jedoch von den Vorratsveränderungen kommen. Der Wachstumsbeitrag der Lagerinvestitionen war 2012 mit -1,1 Prozentpunkten deutlich negativ, während die Binnennachfrage ohne Vorratsveränderungen (0,3 Prozentpunkte) und der Außenbeitrag (0,7 Prozentpunkte) zum Wachstum beitrugen. Bei der volatilen Komponente der Lagerinvestitionen ist im Umfeld eines weltwirtschaftlichen Aufschwungs 2013 wieder mit einer positiven Gegenbewegung zu rechnen.

Wettbewerbsfähigkeit soll gestärkt werden

Ein wichtiger Ansatz zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Frankreichs dürfte eine Politik der "Reindustrialisierung" sein. Hierfür gibt es allerdings kein wirtschaftspolitisches Patentmittel, sondern nur ein Bündel von Maßnahmen kann dem Industrieschwund entgegenwirken. So stehen Industrieunternehmen zumeist im internationalen Wettbewerb. Die Lohnstückkosten sind ein wichtiger Indikator für die Wettbewerbsfähigkeit. Diese sind in Frankreich in den vergangenen Jahren im Vergleich zu Deutschland deutlich angestiegen. Auch in absoluten Größen lagen die durchschnittlichen Arbeitskosten der Privatwirtschaft in Frankreich im Jahr 2012 mit 34,90 € um fast 13 % über denen in Deutschland (31 €). Im Verarbeitenden Gewerbe beträgt die Differenz allerdings nur 3 %. Die Arbeitskosten setzen sich aus Bruttoverdiensten und Lohnnebenkosten zusammen.

Während in Deutschland zu 100 € Bruttoverdienst zusätzlich 27 € Lohnnebenkosten kamen, waren es in Frankreich immerhin 50 €. Voraussetzung einer Wiedererlangung der Wettbewerbsfähigkeit für unseren westlichen Nachbarn ist daher die Absenkung der Lohnnebenkosten sowie eine moderate Lohnpolitik. Dies gilt umso mehr, als wichtige Handelspartner wie Spanien derzeit deutlich sinkende Lohnstückkosten aufweisen und damit wieder an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen.

Die französische Wirtschaftspolitik geht die Wettbewerbsprobleme nach zögerlichem Start jetzt an.

Nach Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften will die Regierung den Arbeitsmarkt flexibilisieren. In konjunkturell schwierigen Phasen soll ein Bündnis für Arbeit Arbeitszeitverlängerungen und Lohnkürzungen ermöglichen. Auch im Fall einer Restrukturierung sollen Entlassungen zukünftig leichter vorgenommen werden können. Die Einstellung von Jugendlichen wird durch sozialabgabenfreie Monate belohnt. Selbst wenn diese Änderungen gesetzlich verankert werden, dürften sich positive Effekte erst mittelfristig zeigen. Auch ist der in Frankreich geltende Mindestlohn (SMIC) für jugendliche Berufsanfänger zu hoch. Chancen auf dem Arbeitsmarkt werden so verbaut.1 Die Jugendarbeitslosigkeit ist in Frankreich mit fast 26 % sehr hoch. Wichtig wäre daher, den Mindestlohn zumindest für jüngere Arbeitnehmer mit noch geringer Berufserfahrung abzusenken. Generell ist dieser in den vergangenen Jahrzehnten zu stark angehoben worden.

Erreichte er 1970 noch weniger als 40 % des Median-Lohnes, sind es heute rund 60 %. Dies hat die Einstellungschancen für Geringqualifizierte reduziert und damit die strukturelle Arbeitslosigkeit erhöht.

Staatsausgaben mittelfristig auf verträgliches Maß reduzieren

Die französische Regierung hat aufgrund des schwachen Wachstums das ursprüngliche Sparziel verschoben. Jetzt soll die Neuverschuldung erst 2014 auf 3 % des BIP begrenzt werden. Zumindest wird hierdurch das Wirtschaftswachstum nicht weiter gedämpft. Wichtiger zur mittelfristigen Dynamisierung der französischen Wirtschaft ist die Fortsetzung und Intensivierung der Reformpolitik.

Die angekündigten Reformen am Arbeitsmarkt helfen, die Anpassungsfähigkeit der Unternehmen insbesondere bei konjunkturellem Gegenwind zu erhöhen. Entscheidend wird aber sein, den Staatsanteil in Frankreich auf ein verträgliches Maß zu reduzieren und damit den Privaten mehr Raum zu geben. So ist die Staatsausgabenquote mit 56 % mehr als 10 Prozentpunkte höher als in Deutschland. Beispielsweise liegt der Anteil der öffentlichen Beschäftigung an der Gesamtbeschäftigung in Frankreich bei 23 %, außerhalb der nordischen Staaten der höchste Wert innerhalb der OECD. Auch die Ausgaben für Renten gehören mit rund 13 % des BIP zu den höchsten in der OECD.2 Es ist somit nicht überraschend, dass auch die Staatseinnahmequote deutlich höher ausfällt als hierzulande. Im Hinblick auf die Stimulierung von Investitionen ist dies schädlich.

Nachdem der Verfassungsrat die ursprünglich geplante "Reichensteuer" von 75 % der Einkommen gestoppt hat, will die Regierung trotzdem an einer zeitlich begrenzten Sondersteuer festhalten.

Derartige Pläne sind vor dem Hintergrund der bereits hohen Steuerquote und der absehbaren schädlichen Wirkungen auf innovative und hohen Mehrwert stiftenden Aktivitäten in Frankreich abzulehnen. Positiv zu werten ist, dass die französische Regierung noch für dieses Jahr grundlegende Maßnahmen zur Reform der Rentenversicherung angekündigt hat.

Die geplanten Reformen dürften - selbst wenn sie rasch umgesetzt werden - nicht dazu führen, dass Frankreich kurzfristig hiervon profitiert. Gleichwohl werden sich die belebende Weltkonjunktur und die allmähliche Beruhigung der Euro-Schuldenkrise positiv auswirken. Im nächsten Jahr dürfte das Wachstum schon deswegen höher ausfallen, weil durch das Wachstum in diesem Jahr das BIP-Niveau zu Jahresbeginn 2014 höher ist als im Durchschnitt dieses Jahres. Damit wäre selbst bei einer Stagnation im Jahresverlauf eine positive Rate zu erwarten. 2013 hingegen ist dieser sogenannte statistische Überhang noch leicht negativ.

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