Keine neuen Erkenntnisse
Ein altes Sprichwort sagt "Nachdem ein Ding geschehen ist, sind alle Gräben voll Weisheit". Dies scheint auch auf die Beurteilung der Europäischen Währungsunion zuzutreffen. Dabei sind die angeblich neuen Erkenntnisse nicht wirklich neu. Schon immer war bekannt, dass der Verlust des Wechselkurses als Anpassungsinstrument eine höhere interne Flexibilität zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit erfordert.
Mangelnder politischer Wille zur Haushaltsdisziplin
Auch war bereits bei der Bildung der Europäischen Währungsunion klar, dass ausufernde Haushaltsdefizite eines Landes negative externe Effekte für die anderen Länder bedeuten würden und somit die Währungsunion in der Summe belasten. Genau aus diesem Grund wurden in den Maastricht-Verträgen Fiskalgrenzen eingezogen. Ihre Effektivität war aber von Anfang an umstritten. Der politische Wille zur strikten Einhaltung der Maastricht-Kriterien war nie wirklich vorhanden. Die in den ersten Jahren noch als unumstößlich beworbene "no-bail-out-Klausel" kam letztendlich auch noch unter die Räder. Notwendige, aber erst mittelfristig greifende Strukturreformen wurden durch kurzfristige Transfers ersetzt. Der Anreiz, die eigenen Probleme selbst zu lösen, geht damit zurück. Ganz im Gegensatz zu den Bundesstaaten der USA, die insolvent gehen können. U.a. deshalb wird die hohe US-Verschuldung auf Bundesebene von den Finanzmärkten als weniger problematisch angesehen. Nicht die fehlende Fiskalunion, sondern der mangelnde Wille, eine ausufernde Fiskalpolitik der einzelnen Länder zu unterbinden, ist der entscheidende Geburtsfehler der Europäischen Währungsunion. Zudem wurde versäumt, sogenannte Exitklauseln in das Vertragswerk einzubauen.
Erhöhte interne Disziplin oder Austritt
In Griechenland gibt es zahlreiche politische Strömungen, die sich nicht mehr den Regeln einer Währungsunion unterwerfen wollen. Mit dem Beitritt zum Euro verzichtet ein Land explizit auf das Anpassungsinstrument des Wechselkurses. Die in den vergangenen Jahren zunehmend schwindende Wettbewerbsfähigkeit kann somit gegenwärtig nicht durch eine Abwertung wieder hergestellt werden. Dafür müssen die internen Anpassungsinstrumente genutzt werden. Das heißt nichts anderes, als dass Löhne und Preise sinken müssen. Möchte Griechenland jedoch weder die Nominallöhne senken, noch Strukturreformen vornehmen, ist die einzig verbleibende Möglichkeit der Austritt aus der Währungsunion.
Austritt nicht der einfachere Weg
Es ist jedoch mehr als fraglich, ob dies wirklich der einfachere Weg wäre. Denn je mehr die neue Währung - wie auch immer sie heißen mag - abwerten würde, desto höher stiege über die Importe die Inflation. Für ein Land, das mehr Lebensmittel importiert als exportiert, wären die Auswirkungen dramatisch. Preissteigerungen von 50 Prozent wären nicht unwahrscheinlich. Dann müssten die Nominallöhne zwar nicht gesenkt werden, die Reallohnsenkungen würden aber weit über das hinaus gingen, was die Troika derzeit den Griechen abverlangt. Die Belastungen für die Bevölkerung wären somit deutlich höher als dies jetzt der Fall ist. Soziale Unruhen, die weit über das hinaus gehen, was derzeit aus Griechenland gemeldet wird, wären zu befürchten.
Zunehmende Disziplin in der Währungsunion
Wie würde sich dies auf die Europäische Währungsunion auswirken? Muss mit einem Übergreifen auf die anderen geschwächten Länder gerechnet werden? Ich denke nicht. Zum einen ist der Wille zur Wiedergewinnung der Wettbewerbsfähigkeit und zur Verbesserung der strukturellen Rahmenbedingungen in den anderen Ländern deutlich höher ausgeprägt als in Griechenland. Auch ist die Ausgangslage in den anderen Ländern nicht unmittelbar vergleichbar. So erzielt Irland bereits seit einiger Zeit wieder Außenhandelsüberschüsse. Spanien weist ebenfalls eine steigende Exportdynamik auf. Sollte Griechenland den Euroraum tatsächlich verlassen, würde dies meines Erachtens auf den Rest der Währungsunion keine destabilisierende, sondern vielmehr eine disziplinierende Wirkung haben, die sich mittelfristig durchaus positiv auf den Euro auswirken dürfte.
Keine Euro-Krise
Die Euro-Krisenrhetorik ist aus meiner Sicht ohnehin überzogen. Selbst nach dem Rückgang auf etwa 1,25 Dollar ist der Euro immer noch überbewertet. Von einer Flucht aus dem Euro kann also keine Rede sein. Außerdem wirkt die Abschwächung der eigenen Währung wachstumsstimulierend. Die aktuelle Entwicklung des Euro kann damit kurzfristig die vieldiskutierten Wachstumspakete ersetzen. Mittelfristig kann die Währungsunion jedoch nur erfolgreich sein, wenn die einzelnen Länder sich an den Fiskalpakt halten.