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Portugal: Trotz Fleiß kein Preis?

(lifePR) (Frankfurt am Main, )
Portugal befindet sich inmitten einer tiefen Rezession. Die Arbeitslosigkeit hat mittlerweile die historische Rekordmarke von rund 13 % aus Zeiten der Nelkenrevolution 1974 überschritten. Trotz der umfassenden Reformen und Sparmaßnahmen im Rahmen des europäischen Stabilitätsprogrammes ist der portugiesischen Wirtschaft der Sprung aus der Krise noch nicht gelungen. Weitere internationale Finanzhilfen sind absehbar.

Das Land wird derzeit als eines der Sorgenkinder im Euroraum angesehen, das sich unmittelbar hinter der großen "Schuldenschwester" Griechenland und noch vor Spanien und Italien in die Riege der Länder mit immenser Staatsverschuldung einreiht. Die europäische Staatsschuldenkrise, ausgehend von der drohenden Zahlungsunfähigkeit Griechenlands in 2010, beeinflusste das ohnehin geringe Wirtschaftswachstum Portugals in den Jahren zuvor stark. Die portugiesische Volkswirtschaft verzeichnete bis auf das Jahr 2010 negative Wachstumsraten, die allesamt deutlich hinter denen der Eurozone liegen. Die Stagnation des Bruttoinlandsproduktes (BIP) bereits in den Jahren vor dem Rutsch des Euroraums in die tiefe Rezession wurzelt in den wirtschaftlichen Strukturschwächen des Landes. Die traditionell geringe Wettbewerbsfähigkeit ist einer der Hauptgründe für die schwache Industrieproduktion. Weitere Ursachen der rückläufigen Entwicklung sind ein überholtes Bildungssystem sowie Ineffizienzen im Bereich der öffentlichen Verwaltung und des Rechtssystems.

Schließlich sah sich die Regierung Portugals gezwungen, finanzielle Hilfen im Rahmen des europäischen Rettungsprogramms in Anspruch zu nehmen. Seit Mai 2011 gewährt die internationale Gläubigergemeinschaft dem Land Kredite in Höhe von insgesamt 78 Mrd. Euro. Die bereitgestellten Finanzmittel sind mit umfassenden Auflagen verbunden, die eine Haushaltskonsolidierung, Stabilisierung des Finanzsystems und langfristige Wachstumsankurbelung vorsehen. Innerhalb der nächsten zwei Jahre sollte Portugal wieder mit Anleihen an die Finanzmärkte zurückkehren. Die "Troika", die sich aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds zusammensetzt, überprüft die vorzunehmenden Reformbemühungen und erteilt in sogenannten Troika-Berichten quartalsweise darüber Auskunft. Die Zwischenbilanz des im März dieses Jahres veröffentlichten Reports war zufriedenstellend. Kürzungen der öffentlichen Gehälter und Renten, Stellenreduzierungen und Umstrukturierungen des öffentlichen Sektors, die Erhöhung der Einkommen- und Körperschaftsteuer sowie die Ausweitung der Mehrwertsteuer auf ein breiteres Güter- und Dienstleistungsspektrum wurden im Rahmen der Konsolidierungsanstrengungen in die Wege geleitet. Zudem wurden Privatisierungen vorangetrieben, durch die bisher rund drei Mrd. Euro zusätzliche Einnahmen erzielt wurden. Die Verkäufe von Beteiligungen im Energiesektor und der Luftfahrtbranche sollen weitere acht Mrd. Euro einbringen. Außerdem erhielten die drei portugiesischen Großbanken zur Verbesserung der Eigenkapitalausstattung vom Staat Unterstützung in Milliardenhöhe.

Die neueste Maßnahme sieht zudem eine drastische Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge und gleichzeitige Kürzung der Sozialabgaben für Unternehmen vor. Hier sind jedoch erhebliche innenpolitische Widerstände absehbar; wenige Tage nach Verkündung der Pläne zur Abgabenerhöhung für den Privatsektor protestierten Hundertausende auf den Straßen. Die Regierung hat auf die Proteste bereits reagiert und angekündigt, das Konzept der Abgabenerhöhung für den Privatsektor zu überarbeiten. Zur Kompensation der dadurch fehlenden Einnahmen sollen im Gegenzug weitere Steuererhöhungen erfolgen.

Mitte August überschattete die Nachricht, die bisherige Defizitgrenze von 4,5 % werde trotz der bisherigen Reformen aufgrund der konjunkturell ungünstigen Lage überschritten, die bis dahin vielversprechenden Aussichten. Daher beschloss die Troika Anfang September, die Defizitgrenzen für die nächsten drei Jahre um jeweils 1/2 bis 1 1/2 Prozentpunkte anzuheben. Anlässlich der jüngsten Meldungen drängen sich Fragen auf: Wird die portugiesische Wirtschaft tatsächlich durch das nationale Sparprogramm gestärkt? Wann setzt der erhoffte langfristige Aufwärtstrend ein?

Für das Jahr 2012 erwarten wir einen Rückgang des BIP um etwa 3 1/2 % im Vergleich zum Vorjahr; für 2013 sollte dieser bei 1 % liegen. Der erwarteten Stabilisierung im Laufe des kommenden Jahres liegt unter anderem ein positiver Trend bezüglich des Außenbeitrags zugrunde. Ein 7,4-prozentiger Anstieg der Exporte gegenüber Vorjahr aufgrund der verbesserten Wettbewerbsfähigkeit, dank gesunkener Lohnstückkosten, trägt in Verbindung mit verminderten Importen zur sukzessiven Wiederherstellung des Außenhandelsgleichgewichts bei. Rund drei Viertel der gesamten Exporte Portugals gehen nach Europa; lediglich 3,5 % der Güter in die USA, weitere rund 5 % in die frühere portugiesische Kolonie Angola und etwa 2 % nach Südamerika. Das Land ist jedoch aufgrund der Dominanz kleiner Industriebetriebe keine Exportnation im klassischen Sinne und erzielt Überschüsse unter anderem auch mithilfe des Dienstleistungssektors, v.a. des Tourismus. Dieser macht derzeit rund 8 % des BIP aus und soll durch Programme zur Verbesserung der Einrichtungen und des Services gestärkt werden.

Einen gewichtigen Anteil an Portugals Wirtschaftsleistung haben der inländische Konsum sowie die Investitionstätigkeit. Der Binnenkonsum war im vergangenen Jahr um 5,7 % im Vergleich zum Vorjahr gesunken, 2012 wird diese Talfahrt mit weiteren 6,6 % fortgesetzt. Der Rückgang des privaten Konsums gilt als Hauptgrund dessen und resultiert aus der steigenden Arbeitslosigkeit, umfassenden Gehaltskürzungen und niedrigem Verbrauchervertrauen. Für 2013 fällt unsere Prognose der inländischen Nachfrage insgesamt jedoch etwas besser aus; der Rückgang liegt dann voraussichtlich bei rund 2 %, sodass der Abwärtstrend im Jahresverlauf überwunden werden dürfte. Die Bruttoanlageinvestitionen sanken in den letzten Jahren dramatisch (vgl. Grafik S. 2) . Diese setzen sich aus Ausrüstungs-, Bau- und sonstigen Investitionen zusammen. Sowohl die Ausrüstungs- als auch die Bauinvestitionen gingen 2011 im Vergleich zum Vorjahr um rund 10 % zurück. 2013 sollten die Bruttoanlageinvestitionen insgesamt jedoch im Jahresverlauf ein positives Wachstum von knapp 1 % verzeichnen, nachdem sie 2011 und 2012 um mehr als 11 % im Vorjahresvergleich gesunken waren.

Beunruhigend ist auch die Lage am portugiesischen Arbeitsmarkt. Die Entwicklung der Arbeitslosenquote erreichte im 2. Quartal mit 15,5 % einen historischen Rekord, nachdem in den Jahren zuvor bereits ein kritischer Anstieg zu verzeichnen war - ein Ende dessen ist nicht in Sicht. Betrachtet man die Jugendarbeitslosigkeit in Höhe von etwa 37 %, so kann man durchaus von einer "verlorenen Generation" ausgehen. Einzig Spanien mit einer Quote von rund 50 %, Griechenland und Irland liegen noch darüber. Viele der jungen Akademiker, die in den Krisenländern aufgewachsen und ausgebildet worden sind, wandern aufgrund vielversprechender Berufsaussichten in andere europäische Länder aus oder suchen sogar auf anderen Kontinenten ihr Glück.

Portugals Haushaltsdefizit steht seit Beginn des Rettungsprogramms im Fokus der internationalen Kontrollaufsicht. Die vorgegebene Defizitgrenze liegt für 2012 nun bei 5 %; für das kommende Jahr gilt die 4,5 %-Marke. Erst 2014, ein Jahr später als ursprünglich vorgesehen, muss das Land den Maastrichter Referenzwert von 3 % unterbieten; der Zielwert beträgt 2 1/2 %.

Unsere Prognose für 2012 liegt bei etwa 5 1/2 %, sodass die revidierte Grenze nur leicht überschritten wird. Das Verfehlen dieser und der vorherigen Vorgabe ist hauptsächlich auf die tiefe Rezession zurückzuführen, die anstelle des geplanten 2,6-prozentigen Zuwachses der Steuereinnahmen zu einem Einbruch von 3,5 % geführt hat. Der Marktaustritt vieler kleiner und mittelständischer Unternehmen gilt ebenso wie der kräftige Rückgang des Binnenkonsums als ausschlaggebend für die Verringerung dieser Haupteinnahmequelle. Die Gesamtverschuldung Portugals ist ähnlich verheerend. 2011 lag diese bei rund 108 % des BIP - mehr als doppelt so hoch als vor zehn Jahren. Portugal führt nach Griechenland, Italien und Irland die Spitzengruppe innerhalb der Eurozone an; hier liegt der Durchschnitt für den Schuldenstand bei 87,2 % des BIP.

Die Zwischenbilanz zeigt, dass Portugal mit der Umsetzung wichtiger Reformen zügig begonnen hat. Diese dürften allerdings erst langfristig zum Tragen kommen. Die Troika stellte zwar eine positive Entwicklung der Haushaltskonsolidierung fest, Portugal wird jedoch mehr Zeit benötigen, um nach der tiefen Rezession die ursprünglich angedachten Erfolgsergebnisse zu liefern. Demnach erscheint es u.E. verfrüht, einen eindeutigen Aufwärtstrend des Landes bereits zu diesem Zeitpunkt zu prognostizieren. Weitere Finanzhilfen in Milliardenhöhe sind - entgegen der derzeitigen Beteuerungen der portugiesischen Regierung - absehbar.
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