- Die US-Wirtschaft hat im zweiten Halbjahr 2011 wie von uns prognostiziert Fahrt aufgenommen. Eine markante Delle ist Anfang 2012 nun nicht mehr zu erwarten, denn der Kongress hat den negativen fiskalischen Impuls zur Jahreswende merklich abgeschwächt.
- Dadurch wird das Haushaltsdefizit 2012 jedoch nicht so stark zurückgehen wie erhofft. Der Konsolidierungsdruck für 2013 nimmt damit weiter zu.
- Die Notenbank sieht - auch angesichts des Ausblicks für die Fiskalpolitik - auf absehbare Zeit keinen Bedarf für eine Zinswende. Neue Kaufprogramme stehen derzeit aber ebenfalls nicht auf der Agenda.
Sonderthema: Schlüsselgröße Partizipationsrate - wie ist die Lage am Arbeitsmarkt? (S. 6)
Zum Ausklang des abgelaufenen Jahres hat die US-Konjunktur an Dynamik gewonnen. Entgegen den Behauptungen der Pessimisten hatten wir argumentiert, dass die Schwäche im ersten Halbjahr 2011 primär durch Sondereffekte - den kräftigen Anstieg der Rohstoffpreise, die Katastrophe in Japan, widriges Wetter - bedingt war. Dies hat sich nun bestätigt. Im vierten Quartal legte das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) wieder mit einer Jahresrate von 2,8 % gegenüber Vorperiode zu.
Hierzu steuerte der private Konsum immerhin 1,5 Prozentpunkte bei. Rückenwind kam auch vom Wohnungsbau und den Ausrüstungsinvestitionen. Zwar war ein guter Teil (fast zwei Prozentpunkte) des Zuwachses beim BIP durch den Lageraufbau bedingt - was nur ein vorübergehendes Phänomen sein kann. Allerdings stellt dies nur eine zyklische Normalisierung dar, nachdem die Lager in den zwei Quartalen zuvor negative Wachstumsbeiträge geliefert hatten. Für die kommenden Quartale ist daher eher eine neutrale Wirkung vom Lageraufbau zu erwarten. Während das "private BIP" im Q4 mit fast 4 % expandierte, bremsten die Staatsausgaben erneut überproportional. Die Nachfrage des Bundes (Wachstumsbeitrag: -0,6 Prozentpunkt) sowie der Staaten und Kommunen (-0,3 Prozentpunkt) war im Q4 rückläufig. Hier kommen die andauernden Sparanstrengungen der untergeordneten Gebietskörperschaften zum Ausdruck. Gleichzeitig gibt der Bund weniger Geld für militärische Operationen im Irak und in Afghanistan aus, während die zusätzlichen Staatsausgaben im Rahmen des Konjunkturpakets von 2009 auslaufen. Aktives Sparen auf der Bundesebene lässt weiter auf sich warten.
Im Jahr 2011 insgesamt ist die US-Wirtschaft um 1,7 % gewachsen. Der Zuwachs lag damit leicht unter dem Trendwachstum, ein "Double-Dip" blieb aber erneut aus. Die These, dass auf einen Rückgang der Vorjahresrate unter 2 % "zwingend" eine Rezession folgen müsste, hat sich bislang nicht bestätigt. Im Q4 lag die Vorjahresveränderung bei 1,6 % - und damit schon das dritte Quartal in Folge unter der vermeintlich magischen Marke. Im Q1 2012 dürfte die Rate wieder über 2 % steigen, selbst wenn die Dynamik erwartungsgemäß verhaltener als im Q4 ausfällt.
Erstes Quartal: Einbruch abgesagt
Zum Jahresbeginn sollte der Zuwachs beim realen BIP mit 2 % etwas geringer ausfallen als im Q4. Der kräftige Impuls vom Lager wird sich im ersten Quartal nicht wiederholen. Die sich zunächst für den Jahresanfang abzeichnende Straffung der Finanzpolitik ist jedoch größtenteils ausgefallen. So hat der Kongress die eigentlich anstehende Erhöhung des Rentenbeitrags ausgesetzt. Gleichzeitig gilt die auf 99 Wochen verlängerte Anspruchsdauer für Arbeitslosenhilfe weiter. Diese Regeln wurden bislang nur bis Ende Februar verlängert, es ist aber davon auszugehen, dass legislative Bemühungen, dies auf das gesamte Kalenderjahr 2012 auszudehnen, erfolgreich sein werden.
Entsprechend ist nicht mehr mit einem Dämpfer beim privaten Konsum zu rechnen, wie er durch die Änderungen bei den Sozialleistungen zu erwarten gewesen wäre. Vielmehr ist ein positiver Impuls für die Einkommen zu erwarten, denn im Januar werden die Renten um 3,6 % erhöht. Auch haben die Investitionsanreize für Unternehmen, die Ende 2011 ausgelaufen sind, aus heutiger Sicht nicht zu massiven Vorzieheffekten geführt, die nun die Nachfrage der Unternehmen einbrechen lassen könnte. Zudem wird über eine neuerliche Verlängerung dieser Steuersubvention diskutiert.
Gleichzeitig hellt sich die Lage am Arbeitsmarkt weiter auf. Die Arbeitslosenquote fiel im Januar von 8,5 % auf 8,3 %. In der Privatwirtschaft wurden netto 257.000 zusätzliche Stellen geschaffen, der kräftigste Anstieg seit April 2011. Die jährliche Benchmark-Revision zeigt zudem, dass die Statistiker die Stellenzahl im Dezember nun um 266.000 höher ansetzen als zuvor. Mit der aktuellen Lage und dem Ausblick am Arbeitsmarkt beschäftigt sich auch der Kasten auf S. 6/7.
Für die restlichen Quartale des Jahres spricht derzeit vieles für ein recht solides, aber moderates BIP-Wachstum von annualisiert etwa 2,5 %. Damit würde der Jahresdurchschnitt bei rund 2 1/4 % - leicht über Trend - liegen. Was sind die Risiken und Chancen, dass die Konjunktur von diesem Basis-Szenario abweichen könnte?
Abwärtsrisiken 2012: Hauptsächlich politischer Natur
Unter der Annahme, dass kontraktive fiskalische Maßnahmen im Verlauf von 2012 ausbleiben: Was kann mit der Konjunktur schiefgehen? Eine restriktive Geldpolitik ist nicht zu befürchten (siehe S. 5). Stattdessen könnte paradoxerweise eine expansivere Geldpolitik ein Risiko sein. Im Herbst 2010 initiierte die Fed ihr zweites Kaufprogramm für Staatsanleihen ("QE2"). Dies brachte den Dollar unter Druck und trug - in einem umstrittenen Ausmaß - zum kräftigen Anstieg der Rohstoffpreise bei. Dieser Preisschub - vor allem beim Erdöl - war ein wichtiger Faktor für die Delle beim privaten Konsum im ersten Halbjahr 2011: Höhere Benzin- und Heizkosten ließen den Haushalten weniger Geld für andere Ausgaben. Erst nachdem der Teuerungsschub abgeklungen war, stabilisierte sich das Wachstum des privaten Konsums wieder. Sollte sich die Fed für ein neues Kaufprogramm entscheiden, könnten diese unliebsamen Nebenwirkungen erneut auftreten.
Eine andere denkbare Ursache für einen konjunkturschädlichen Sprung bei den Ölpreisen wäre eine Eskalation der Lage am Persischen Golf. Eine Blockade der Straße von Hormus durch Iran, selbst wenn sie nur kurze Zeit andauern würde, könnte den Ölpreis Richtung 200 Dollar pro Barrel schicken.
Schließlich ist die europäische Schuldenkrise trotz der jüngsten Entspannung noch nicht vom Tisch. Eine ungeordnete Insolvenz Griechenlands oder eine unerwartete politische Entwicklung in einem der großen Krisenländer Spanien oder Italien könnte durch eine Vertrauenskrise die Weltwirtschaft und die internationalen Finanzmärkte merklich belasten - mit Auswirkungen auch auf die US-Konjunktur. Derzeit sieht es aber nach Entspannung an dieser Front aus - die Risikoprämien am Interbankenmarkt sind in der Eurozone und in den USA rückläufig.
Aufwärtsrisiken 2012: Zyklische Kräfte
Die Faktoren, die dazu führen könnten, dass die US-Konjunktur besser als von uns erwartet laufen könnte, sind hingegen eher ökonomischer Natur. Da ist zum einen die bis heute im Schnitt eher schleppende Erholung am Arbeitsmarkt zu nennen, die letztlich auf die Zurückhaltung der Unternehmen bei den Neueinstellungen zurückzuführen ist. Welches aber genau die Ursachen für dieses Zögern sind, bleibt umstritten. Unsicherheit über das zukünftige politische, steuerliche und regulatorische Umfeld wird häufig genannt. Diese könnte - je nach dem Wahlausgang - im November 2012 zu- oder abnehmen. Manche Beobachter sehen aber bei den Unternehmen primär Skepsis über die Nachhaltigkeit und Stärke der aktuellen Expansion am Werk. Der Aufschwung hat inzwischen - trotz wiederholter zwischenzeitlicher Abgesänge durch Pessimisten - das Alter von 33 Monaten erreicht. Seit dem Zweiten Weltkrieg dauerten Expansionen im Durchschnitt 58 Monate (63 ohne den bisher einzigen "Double-Dip" 1982). Sorgen über ein abruptes Ende des Zyklus nehmen erfahrungsgemäß ab, je älter der Zyklus wird. Erst wenn das Risiko eines erneuten Abschwungs von den Unternehmen und Haushalten weitgehend ignoriert wird, steigen die Rezessionsgefahren wieder. Bislang ist von solchen neuen Ungleichgewichten, deren Korrektur (mit Hilfe einer restriktiven Geldpolitik) dann zur nächsten Rezession führen kann, nichts zu erkennen.
Vor diesem Hintergrund ist trotz der drohenden Haushaltskonsolidierung der Bundesregierung ab 2013 ein besser als erwarteter Konjunkturverlauf im laufenden Jahr vorstellbar. Die Kreditvergabe der Banken stellt für zusätzliche Investitionen, die mit dem Stellenaufbau eng korreliert sind, derzeit jedenfalls kein Hindernis dar. Sollte die Beschäftigung im laufenden Jahr um 50.000 bis 100.000 (nur 0,045 % bis 0,09 %) pro Monat stärker steigen als von uns unterstellt, würde der Zuwachs auch bei den Arbeitseinkommen höher ausfallen. Grob vereinfacht entspräche dies im Vergleich Dezember 2012/Dezember 2011 einem Plus von 0,5 bis 1 Prozentpunkten. Bei unveränderter Sparquote würde sich daraus ein Anstieg des realen Konsums von rund 2 1/2 % bis 3 % ergeben (aktuelle Prognose: 2,1 % Q4/Q4). Sollte die Arbeitslosenquote weiter mit der Geschwindigkeit der vergangenen zwei Monate fallen, wäre sie im Dezember 2012 bei nur noch 6,1 %.
Ähnlich wie auf dem Arbeitsmarkt sieht die Situation in dem Sektor aus, in dem die Krise ihren Anfang nahm: dem Wohnungsbau. Die positiven Überraschungen am aktuellen Rand sind sicher zum Teil dem vergleichsweise milden Winter geschuldet. Es ist jedoch möglich, dass der Wohnungsbau nicht nur seinen Tiefpunkt erreicht hat - dies wird von vielen Beobachtern erwartet - sondern vor einem dynamischen Aufschwung steht.
Für ein solches Szenario sprechen die günstigen Hauspreise und das niedrige Zinsniveau, Faktoren durch die die Erschwinglichkeit von Wohnimmobilien landesweit so gut ist wie noch nie seit 1971, dem Zeitpunkt seit dem die Daten berechnet werden. Dies wird jedoch derzeit noch von einer relativ restriktiven Hypothekenvergabe seitens der Banken gedämpft - wer keinen Kredit bekommt, kann auch nicht von niedrigen Zinsen und billigen Kaufpreisen profitieren. Für eine kräftige Aufwärtsbewegung nach der Wende spricht zusätzlich der extreme Umfang des vorangegangenen Einbruchs. Unter Berücksichtigung der wachsenden US-Bevölkerung ist die Zahl der Baubeginne derzeit außerordentlich niedrig. Ein kräftiger Aufschwung am Wohnungsmarkt hätte nicht nur direkte Output- und Beschäftigungseffekte, sondern würde mit Verzögerung über steigende Hauspreise auch die Verschuldungs- und Vermögenslage vieler Haushalte verbessern und so deren Konsumneigung erhöhen.
Ausblick 2013: Wie viel Sparen darf's denn sein?
Der Ausblick für das Jahr 2013 hängt insbesondere davon ab, wie es in der Finanzpolitik weitergeht. Da sind zum einen die Bush-Steuersenkungen von 2001/2003, die Ende 2012 eigentlich komplett auslaufen sollen. Voraussichtlich werden auch der temporär abgesenkte Rentenbeitrag und die verlängerte Anspruchsdauer für Arbeitslosenhilfe zur Jahreswende normalisiert. Wie die Politiker mit dieser Problematik umgehen, wird bestimmen, ob es zu einem leichten fiskalischen Gegenwind oder zu einer Vollbremsung für die Konjunktur kommt. Erschwert werden Prognosen in dieser Hinsicht noch durch die Wahlen im November, die zu einem Wechsel im Weißen Haus und/oder neuen Mehrheiten in den beiden Kammern des Kongresses führen könnten.
Zum anderen sind da die automatischen Ausgabenkürzungen im Haushaltsjahr 2013, auf die sich Demokraten und Republikaner im vergangenen Sommer geeinigt haben. Sie würden, wenn an der aktuellen Gesetzeslage nichts geändert wird, zusätzlich die gesamtwirtschaftliche Nachfrage belasten. Es liegt jedoch in der Hand des Kongresses, diese Kürzungen zu verschieben oder anzupassen.
In seiner jüngsten Projektion unterstellt das überparteiliche Congressional Budget Office (CBO) wie üblich, dass sich an der derzeitigen Gesetzeslage nichts ändern wird. In diesem Szenario erwartet das CBO einen Rückgang des Haushaltsdefizits von rund 7 % in diesem Jahr auf nur noch 3,7 % 2013. Die dem zugrundliegende Wachstumsprognose von 1,1 % für 2013 erscheint angesichts des massiven kontraktiven fiskalischen Impulses (-3,5 Prozentpunkte des BIP) allerdings viel zu optimistisch. Wir haben in unserer Prognose einen Rückgang des Defizits auf knapp 5 % des BIP unterstellt, wobei von der Verbesserung von über zwei Prozentpunkten rund die Hälfte konjunkturell bedingt, und nur gut ein Prozentpunkt auf geringere diskretionäre Ausgaben und höhere Steuern zurückzuführen ist. Ohne diesen Sparkurs wäre für 2013 ein Zuwachs beim realen BIP in der Größenordnung von über 3 % zu erwarten. Die unterstellte Konsolidierung wird das Wachstum jedoch auf etwa 2 % drücken.
Fed: Unveränderter Leitzins bis 2014 nur unter bestimmten Bedingungen
Zur Geldpolitik haben wir vor Kurzem in zwei "Fed aktuell" ausführlich Stellung bezogen.1 Im laufenden Jahr ist eine restriktivere Geldpolitik sehr unwahrscheinlich. Für 2013 hängt letztlich viel davon ab, wie ambitioniert der Sparkurs in Washington ausfällt. Nur in dem Fall, dass die Wahlen vom November eine politische Konstellation bringen, in der überhaupt nicht gespart wird, ist eine Zinswende 2013 ein wahrscheinliches Szenario. Die Aussage des FOMC in seinem Kommuniqué vom 25. Januar, dass das sehr niedrige Zinsniveau aus heutiger Sicht bis weit ins Jahr 2014 hinein Bestand haben wird, stellt in dieser Hinsicht kein Hindernis dar. Es steht unter dem Vorbehalt, dass sich das Umfeld so entwickelt, wie es die Notenbanker derzeit erwarten. Überraschende Wendungen können zu einer - auch deutlich - früheren Straffung führen, ohne dass "die Fed falsch gelegen hat", selbst wenn dies nicht allen Marktteilnehmern klar sein dürfte.
Ein neues Kaufprogramm für Wertpapiere 2012 ist nicht ausgeschlossen, bleibt aus unserer Sicht aber unwahrscheinlich. Deflationsdruck ist nicht auszumachen, die Konjunktur läuft und im Wahlkampf muss die Fed nach der Kritik aus der Politik an der letzten Runde zudem vorsichtig agieren.
Hinzu kommen die bereits erwähnten gemischten Erfahrungen mit den Käufen 2010/2011. Sollten die Notenbanker aber doch erneut zu einer quantitativen Lockerung greifen, würde die Fed wahrscheinlich eher Hypothekenanleihen statt Treasuries kaufen.
Schlüsselgröße Partizipationsrate - wie ist die Lage am Arbeitsmarkt?
Drei Standards dürfen in keiner pessimistischen Einschätzung zur Lage auf dem USArbeitsmarkt fehlen. Da ist erstens der Hinweis, dass die "offizielle" Arbeitslosenquote viel zu niedrig sei und nur die "U-6-Quote" die "wahre Lage" widerspiegele. Zweitens wird auf die unverändert hohe durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit verwiesen. Und drittens heißt es, dass der Rückgang der Arbeitslosenquoten seit 2009 nur dadurch zustande gekommen sei, dass sich immer mehr Amerikaner frustriert vom Arbeitsmarkt zurückziehen und deshalb statistisch nicht mehr erfasst werden.
Leider hält keine dieser drei Aussagen einer genaueren Untersuchung stand. Die U-6-Quote berücksichtigt zusätzlich zu den Arbeitslosen diejenigen, die "aus wirtschaftlichen Gründen" weniger Stunden arbeiten als sie gerne möchten und die "marginally attached", also jenen Personenkreis, der zwar ein grundsätzliches Interesse an einem Job bekundet, aber aktuell nicht aktiv eine Stelle sucht. Während dies auch eine interessante Kennziffer sein kann, macht es aus ökonomischer Sicht analytisch meist wenig Sinn, diese Gruppen mit den "echten" Arbeitslosen zu vermischen. Hinzu kommt, dass wegen der kurzen Historie keine Daten für andere schwere Nachkriegsrezessionen vorliegen. Wahrscheinlich sagt uns U-6 daher nichts anderes als die normale Quote: Nur in der Rezession von 1982 war die Arbeitslosigkeit höher als 2009.
Die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit liegt tatsächlich noch immer nahe ihrem Hochpunkt, aber dies ist ein statistisches Artefakt.2 Der aussagekräftige Median ist hingegen von 25 auf 21 Wochen gefallen. Dies steht im Einklang mit den anderen Indikatoren, die eine andauernde Verbesserung der Lage am Arbeitsmarkt signalisieren.
Schließlich ist das Argument mit den "frustrierten Jobsuchenden" in gewisser Hinsicht irrelevant und in anderer Hinsicht schlicht falsch. Für die Frage, wie stark der Abwärtsdruck auf die Löhne und wie unterausgelastet der Arbeitsmarkt ist, macht es keinen Sinn, diejenigen zu berücksichtigen, die dem Arbeitsmarkt effektiv nicht zur Verfügung stehen. Sicher kann sich diese Haltung mit einer Verbesserung der Lage auch wieder ändern. Es ist aber unbekannt, aus welchen Gründen die Betroffenen aus dem Kreis des Erwerbspersonenpotenzials ausscheiden und zu welchen Bedingungen sie dem Arbeitsmarkt wieder zur Verfügung stehen würden. An einer Stelle mit 12 Stunden Wochenarbeitszeit und 200.000 Dollar Jahreseinkommen zum Beispiel wären sicher viele interessiert, aber wie realistisch ist dies?
Schwerer noch wiegt aber das Problem, dass die fallende Beteiligung am Arbeitsmarkt oft monokausal auf die erfolglose Jobsuche der Betroffenen zurückgeführt wird. Die Partizipationsrate - also die Quote von Erwerbspersonen (Erwerbstätige und Jobsuchende) zur Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter - unterliegt aber zahlreichen Einflüssen, die zum Teil wenig mit dem aktuellen Konjunkturzyklus zu tun haben. So ist die Rate insgesamt seit etwa dem Jahr 2000 im Trend rückläufig. In den Jahrzehnten zuvor war sie noch deutlich gestiegen, was primär eine zunehmende Frauenerwerbstätigkeit reflektierte. Andere nicht-ökonomische Faktoren, die eine Rolle spielen können, sind längere Schul- und Studienzeiten, die zu rückläufigen Partizipationsraten bei jüngeren Jahrgängen führen können oder verbesserte Gesundheit und fehlende Ersparnis, die zu steigenden Partizipationsraten bei älteren Menschen beitragen. Hinzu kommen starke demografische Effekte. Selbst wenn ältere Menschen länger arbeiten als früher, ist die Erwerbstätigkeit unter den 60-65jährigen dennoch deutlich niedriger als unter den 40- 50jährigen. Durch den demografischen Übergang (Alterung der Gesellschaft), in dem die geburtenstarken "Babyboomer"-Jahrgänge nun den Schwerpunkt in die älteren Kohorten verschieben, fällt daher die Partizipationsrate insgesamt: Wenn es mehr 65jährige gibt als vor zehn Jahren, ist die Gesamtpartizipationsrate niedriger, auch wenn diese Altersgruppe heute eine etwas höhere Rate ausweist.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, in welchem Umfang der beobachtete deutliche Rückgang der Partizipationsrate - immerhin rund zwei Prozentpunkte seit 2007 - zyklisch oder strukturell bedingt ist. Hat er primär zyklische Ursachen, wäre im Rahmen der andauernden Expansion mit einer Korrektur zu rechnen. Dies würde die Arbeitslosenquote tendenziell nach oben drücken, wäre aber für die langfristigen Wachstumsperspektiven der USA besser, denn dann stünden mehr Personen bereit, zusätzliches BIP zu erwirtschaften. Sind jedoch strukturelle Gründe ausschlaggebend, ist auch bei einer guten Konjunktur nur eine geringe Gegenbewegung bei der Partizipationsrate zu erwarten. Dies wäre schlecht für das langfristige Wachstumspotenzial der USA und für die Glaubwürdigkeit der Fed, denn dann würde die Arbeitslosenquote schneller fallen und der Arbeitsmarkt schneller an seine Grenzen stoßen als es die Mehrheit der Notenbanker derzeit erwartet.
Eine definitive Antwort ist leider nicht möglich, so dass man auf Schätzungen zurückgreifen muss. Die Ökonomen der Chicago-Fed haben in einer aktuellen Studie etwa die Hälfte des Rückgangs der Partizipationsrate seit 2007 zyklischen und die andere Hälfte, also rund einen Prozentpunkt, strukturellen Ursachen zugerechnet. Durch Schätzen und Aggregation der Werte für einzelne Altersgruppen kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass der Trend angesichts der zu erwartenden demografischen Entwicklung in den kommenden Jahren weiter deutlich rückläufig sein wird - für 2020 ergibt sich ein Wert, der drei Prozentpunkte niedriger als der aktuelle Trendwert ist. Da der Istwert derzeit jedoch merklich unterhalb des Trends liegt, ist eine im Aufschwung temporär steigende Partizipationsrate nicht auszuschließen. Als Basis-Szenario sollte man aber auch für Zeiten guter Konjunktur eher von einer Seitwärtsbewegung oder einem unterproportionalen Rückgang vis-à-vis Trend ausgehen.
Dies wiederum bedeutet, dass schon ein vergleichsweiser geringer Stellenaufbau ausreichen wird, um die Arbeitslosigkeit zu senken. Die Zahl von 200.000 neuen Stellen pro Monat, die laut manchen Kommentatoren angeblich erforderlich sind, um die Quote stabil zu halten, ist jedenfalls eindeutig zu hoch gegriffen. Wir gehen unverändert davon aus, dass die Schwelle nur leicht über 100.000 liegt und dass dieser Wert auch in den kommenden Monaten überschritten wird.
Teuerung 2012 um die 2 %
Die Teuerungsrate auf der Verbraucherebene hat im Spätsommer 2011 mit fast 4 % ihren Gipfel erreicht und ist bis zum Jahresende wieder auf rund 3 % zurückgegangen. Die beiden Haupttreiber des vorherigen Anstiegs - Energie- und Nahrungsmittelpreise - haben sich zuletzt beruhigt. Bei den Energiepreisen lag die Vorjahresrate im Dezember so niedrig wie zuletzt Ende 2010. Die Preise für Lebensmittel werden wohl nicht, wie auf Basis der Erzeugerpreise zeitweise zu befürchten war, eine Jahresrate von 5 % erreichen. Auch die Kernteuerung ist - obwohl deutlich höher als noch Ende 2010 - zuletzt abgeflacht. Hier dürfte mit 2,3 % der Höhepunkt mehr oder weniger erreicht sein.
In den kommenden Monaten sollten die Gesamt- und Kernteuerung um die 2 %-Marke pendeln. Dies liegt im Rahmen dessen, was die Fed als Preisniveaustabilität definiert. Die Deflationsrisiken dürften überschaubar bleiben. Die großzügige Liquiditätspolitik der Fed birgt zwar langfristige Inflationsrisiken, diese werden sich aber - wenn überhaupt - erst in den kommenden Jahren bemerkbar machen. Dies gilt allerdings nur für den Fall, dass die Notenbank von weiteren quantitativen Maßnahmen Abstand nimmt und es nicht zu einer Neuauflage der Erfahrungen mit "QE2" kommt (siehe oben).
(1) Siehe "Fortschritt oder geldpolitischer Aktivismus?" und "Nie wieder Zinserhöhung?" vom Januar 2012.
(2) Seit Januar 2011 haben die Statistiker die Berechnung dieses Indikators geändert, so dass die heutigen Werte nicht mehr mit denen von vor diesem Datum zu vergleichen sind. Vorher wurden diejenigen, die länger als zwei Jahre arbeitslos waren in dieser Berechnung mit 24 Monaten gezählt. Nun werden die tatsächlichen Werte bis zu fünf Jahren berücksichtigt.