- In Thüringen gibt es moderate Zuwächse bei den Wohnungsbaugenehmigungen. Doch sorgt der Bauüberhang aus den vergangenen Jahren für eine weiterhin positive Entwicklung im Wohnungsbau.
- Mittel- bis langfristig stehen die Zentren im Fokus der Wohnungsbaunachfrage. Sie sind zum einen begehrte Wohnorte in einer mobilen Gesellschaft. Zum anderen ermöglichen sie eine bessere Versorgung der zunehmenden Zahl älterer Menschen.
Die Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau in Deutschland sind weiterhin günstig. So steigen die Realeinkommen der privaten Haushalte und die Beschäftigungslage hat sich bis zuletzt verbessert. Gleichzeitig sind die Hypothekenzinsen historisch niedrig. Damit sind die Finanzierungskosten deutlich gesunken. Dass die Nachfrage nach Wohnraum in deutschen Städten und Ballungsgebieten hoch bleibt, zeigt sich dort an steigenden Mieten und Kaufpreisen. Anlagen in Immobilien haben zusätzlich an Attraktivität gewonnen, da durch die expansive Geldpolitik das Kapitalmarktzinsniveau extrem niedrig ist. In der Folge sind die deutschen Wohnungsbaugenehmigungen sind seit 2009 kontinuierlich gestiegen.
In Thüringen erholte sich 2013 der Umsatz im Wohnungsbau nach einer Verschnaufpause mit einem Plus von 7 % sogar noch etwas stärker als im Bundesdurchschnitt (4 %). Dabei waren die Thüringer Wohnungsbaugenehmigungen mit rund 4.200 rückläufig (-8 %). Allerdings hatten 2011 und 2012 sehr hohe Zuwächse bei den Genehmigungen von 31 % bzw. 25 % einen Bauüberhang erzeugt. Dieser wurde 2013 zum Teil "abgearbeitet" und führte zu einem Anstieg der Fertigstellungen um 4 % auf knapp 3.600 Einheiten.
Diese Entwicklung scheint sich 2014 fortzusetzen. Bei schwachen Zuwächsen der Baugenehmigungen von 3,9 % (private Haushalte 1,2 %) stieg der Umsatz im Wohnungsbau im ersten Halbjahr 2014 um 16 %, woran sicher auch das warme Wetter beteiligt war. Die Auftragseingänge beschleunigten sich im zweiten Quartal 2014, so dass im ersten Halbjahr insgesamt 13 % mehr geordert wurde. Der Wohnungsbau ist also weiterhin auf Wachstumskurs und die Fertigstellungen dürften auch in diesem Jahr steigen.
Gut zwei Drittel der Thüringer Bauherren waren private Haushalte, die 2013 rund 2.800 der 4.200 Genehmigungen beantragten. Dabei werden die meisten Wohnungen weiterhin in neuen Gebäuden geplant. Zunehmend wichtiger wird allerdings die Schaffung von Wohnraum im Bestand. Hier wurden in den vergangenen Jahren zwischen 20 % bis 30 % der Genehmigungen erteilt.
Das Interesse an den eigenen vier Wänden in Thüringen drückt sich auch in der Kreditvergabe aus. Seit 2012 steigt der Kreditbestand für den Wohnungsbau von Thüringer Privatpersonen auf 7,3 Mrd. € stetig an. Er macht inzwischen 80 % des gesamten Kreditbestands der Privaten in Thüringen aus. Dabei hat sich die Entwicklung in den letzten Jahren sogar etwas beschleunigt. Die Zuwachsraten schwanken zwischen 3,5 % und 4,5 %.
Wie sind die Bauaktivitäten im Thüringer Wohnungsbau einzuschätzen? Pro 1.000 Einwohner gerechnet wurden im Durchschnitt der Jahre 2011 bis 2013 in Deutschland 2,5 Wohnungen fertiggestellt. Der entsprechende Thüringer Wert war mit 1,5 Wohnungen deutlich niedriger. Die Ursache liegt hauptsächlich in der Bevölkerungsentwicklung. So ist die Einwohnerzahl Thüringens seit 1988 um 20 % und seit dem Zensus im Mai 2011 um 1,3 % gesunken; in Deutschland insgesamt war ein leichter Zuwachs von 1,0 % bzw. 0,7 % in den gleichen Zeiträumen zu verzeichnen gewesen.
Dass der Wohnungsbau angesichts dieser Veränderung der Einwohnerzahl nicht unberührt bleibt, ist klar: Der Wohnungsbestand musste zum Teil deutlich rückgebaut werden, um das Umfeld für die verbleibenden Wohnungen attraktiver zu gestalten. Dem Wunsch nach modernem Wohnraum wurde meist in der Umgebung der Städte durch Neubausiedlungen oder durch umfangreiche Sanierung von Gebäuden in den Innenstädten nachgekommen. Diese intensive Phase ist schon länger abgeschlossen und damit auch die Zeit hoher Wohnungsbaugenehmigungen.
Allerdings ist die Wohnungssituation nicht in allen Thüringer Regionen gleich. Zwar sind in ganz Thüringen seit 1988 die Einwohnerzahlen gesunken, doch das Ausmaß ist sehr unterschiedlich. So büßten Jena und Weimar über diesen langen Zeitraum nur 3 % bzw. 6 % ihrer Einwohner ein. Zusammen mit Erfurt zählen sie zu den Städten, die in den letzten Jahren sogar einen Bevölkerungszuwachs von 1 % bis 2 % verbuchen konnten.
Jena sticht aus dem dynamischen Städtetrio besonders hervor. Hier wurden im Durchschnitt der Jahre 2011 bis 2013 rund 2.150 Wohnungen und somit sogar 4,9 Wohnungen pro 1.000 Einwohnern fertiggestellt. Als größte Universitätsstadt Thüringens mit moderner Wirtschaftsstruktur zieht Jena Menschen wie Unternehmen gleichermaßen an. Die in der Landeshauptstadt steigenden Einwohnerzahlen unterstützen den dortigen Wohnungsbau. Mit 1,8 fertiggestellten Wohnungen pro 1.000 Einwohner liegt Erfurt auf dem zweiten Platz der kreisfreien Städte Thüringens. Von den Landkreisen übertreffen nur drei - Weimarer Land, Eichsfeld und Wartburgkreis - den Landesdurchschnitt von 1,5 Wohnungen pro 1.000 Einwohner.
Bis zum Jahr 2020 sehen Politik und Wohnungsunternehmen in Jena, Weimar, Gera und Erfurt ein mittelfristiges Defizit von insgesamt rund 20.000 Wohnungen. Auf dem zweiten Thüringer Wohnungsgipfel (Juni 2014) wurden deshalb verschiedene Maßnahmen zur Unterstützung des Wohnungsbaus in diesen Städten beschlossen. Es bleibt abzuwarten, ob angesichts der regionalen Bevölkerungsentwicklung dieses ambitionierte Ausbauziel verwirklicht wird. Denn seit dem Zensus im Mai 2011 ist die Bevölkerung in Erfurt, Jena und Weimar um zusammen 6.500 Personen gewachsen, während sie in Gera um fast 1.100 Einwohner geschrumpft ist. Rechnet man nur die Bevölkerungszunahme bis 2020 hoch, ergeben sich rund 20.000 Einwohner mehr in den drei Städten, was bei knapp zwei Personen pro Wohnung für eine etwa halb so hohe Anzahl an zusätzlichen Wohnungen spricht.
Langfristig sind die Aussichten für den Thüringer Wohnungsbau insgesamt eher verhalten. So steigt die Zahl der Haushalte in den kreisfreien Städten seit längerem und sorgte für Nachfrage am Wohnungsmarkt. In vielen Landkreisen nehmen die Bevölkerung und die Zahl der Haushalte jedoch weiter ab, mit negativen Auswirkungen auf den Wohnungsbestand. Altersgerechtes Wohnen ist für alle Regionen Thüringens ein relevantes Thema. Bezahlbare Lösungen für Eigentümer und Wohnungsunternehmen mit den entsprechenden Finanzierungsangeboten sind gefragt.