Insgesamt werden sich die Rohstoffnotierungen vermutlich noch eine Weile als recht volatil erweisen. Die Chancen stehen allerdings nicht schlecht, dass sie nach einem voraussichtlich noch schwierigen Jahresauftakt auch konjunkturell allmählich wieder festeren Boden erreichen.
Geopolitik dominiert Fundamentalfaktoren
Das Spektrum möglicher Szenarien für die Rohölmärkte ist gegenwärtig ungewöhnlich breit. So reichen die Preiserwartungen für Brent je nach Annahme von 60 $/bbl (Globale Rezession) bis etwa 200 $/bbl (Massive OPEC-Ausfälle durch Iran-Konflikt). Obwohl diese beiden Extremszenarien aus heutiger Sicht wenig wahrscheinlich sind, gehen von ihnen doch gewisse Ziehkräfte aus. Insbesondere geben die politischen Unsicherheiten in der MENA-Region (siehe Chart-Picks) den Notierungen momentan erheblichen Rückhalt. Ein Ölembargo der EU gegenüber dem Iran allein dürfte aber kaum zu Preisverwerfungen führen (EU-Importe ca. 450, davon Italien u. Spanien 300 Tsd. bbl/d).
Robuster Dollar bremst; Differenzierung hält an
Die Suche nach "sicheren Häfen" und der erhöhte Diversifikationsbedarf auch der Notenbanken in den Schwellenländern geben Gold strukturell Halt. Sicherlich schwankt die Risikowahrnehmung im Zusammenhang mit der Schuldenkrise der Industrieländer. Auch wirkt der US-Dollar insbesondere angesichts einer momentan vergleichsweise stabilen Konjunkturlage in den USA relativ robust. Im Zuge der jüngsten konzertierten Aktion der großen Notenbanken zeigte sich aber, dass Gold sehr sensitiv gegenüber geldpolitischen Maßnahmen bleibt. Silber und Platin werden weiterhin stark durch ihre Industriemetalleigenschaft gebremst.
"China-Wette" vor Bewährungsprobe
Bis in den Herbst wurde sehr stark auf die chinesische Karte gesetzt. Allmählich werden die Einschätzungen über die Nachfrageentwicklung des mit Abstand größten Abnehmers von Industrierohstoffen immer vorsichtiger. Die Stimmungsindikatoren im Verarbeitenden Gewerbe signalisieren inzwischen Kontraktion für das "Reich der Mitte" (siehe Chart-Picks). Nicht nur geringere Exporte, sondern auch weniger dynamische Bauinvestitionen deuten auf einen kurzfristig nicht mehr ganz so großen Rohstoffhunger hin. Gewünschte Preisdämpfungen sprechen zudem zunächst für Lagerabbau. Ähnliches zeichnet sich für die beiden anderen großen "Metallverarbeiter" Deutschland und Japan ab.
Preisabstieg noch nicht abgeschlossen
Trotz aller wetterbedingten Unwägbarkeiten ist auch bei Cerealien eine weitere Entspannung zu erwarten. Es sei denn, das Wetterphänomen La Nina kehrt mit unerwartet großer Wucht zurück. Deutlich höhere Ernteerträge und die Rücknahme von Exportbeschränkungen außerhalb der USA werden sich wahrscheinlich positiv auf das Angebot auswirken. Gleichzeitig wird die Nachfragedynamik aufgrund der veränderten Einkommensentwicklung auch in einigen Schwellenländern kurzfristig eher etwas nachlassen. Da Agrarrohstoffe nur begrenzt lagerfähig sind, dürfte der Lageraufbau wenig Gegenwicht bilden. Die zyklischen Preistiefs dürften somit erst noch markiert werden.
Kakao im "Sturzflug"
Nach den Preisspitzen im ersten Halbjahr befinden sich alle hier beobachteten Genussmittel im Abstieg. Allerdings ist die Bewegung beim stark regulierten Zucker, der zudem in schlechteren Zeiten besonders als Kalorienlieferant dient, ebenso wie beim Kaffee relativ gemächlich. Letzterer profitiert im Preis von wetterbedingten Angebotsunsicherheiten und strukturell spürbar wachsender Nachfrage - etwa auch in Asien. Dagegen stellen sich bei Kakao unerwartete neuerliche Angebotsüberschüsse ein. Auch für die kommende Erntesaison wird ein Überschuss antizipiert. Gleichwohl verläuft bei 2000 $/t eine markante Unterstützungslinie.
Luft wird dünner
Bei US-Mastrindern scheint sich wegen des strukturellen Angebotsdefizits kein Ende des Preisauftriebs abzuzeichnen. Dagegen ist bei Lebendrindern und Magerschweinen aufgrund der saisonal geprägten Fleischnachfrage bei gut gefüllten Lagern nach dem Jahreswechsel eher mit Preisabschlägen zu rechnen. Hierbei dürften auch ein geringerer Nachfragesog aus Asien und ein gleichzeitig höheres Angebot aus Südamerika Wirkung zeigen. Allerdings ist trotz der auch aufgrund des robusten Dollar nicht mehr so günstigen Exportchancen angesichts des nach unten gerichteten Angebotszyklus nicht mit einem Preisabsturz zu rechen.