Die insgesamt gute wirtschaftliche Bilanz Tschechiens wird überschattet von Streitereien und Skandalen, die am 17. April im Auseinanderbrechen der Drei-Parteien-Koalition gipfelten. Ein führendes Mitglied des kleinsten Koalitionspartners (VV) wollte im Amt bleiben, obwohl er wegen Korruption verurteilt wurde. Ein Teil der VV verließ die Regierung, so dass dieser nun eine Mehrheit im Parlament fehlt. Bei der Vertrauensfrage Ende April erhielt der Ministerpräsident Unterstützung aus der Opposition und kann vorerst weiterregieren. Ob das Bündnis bis zu den regulären Parlamentswahlen 2014 durchhält, ist jedoch fraglich. Von Neuwahlen würde das linke Parteienspektrum profitieren, denn die Opposition liegt in Umfragen derzeit deutlich vorne.
Mehr denn je ist eine handlungsfähige Regierung gefordert. Das Wachstumstempo des BIP (Bruttoinlandsprodukt) hat spürbar nachgelassen, so dass nach +1,7 % 2011 in diesem Jahr allenfalls noch +0,5 % zu erwarten sind. Um bei dieser reduzierten Dynamik die Defizitziele einhalten zu können, sind zusätzliche Fiskalmaßnahmen notwendig, die die Regierung kurz vor dem Auseinanderbrechen in Form eines Pakets aus Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen beschlossen hat. Demnach sollen Einschnitte in der öffentlichen Verwaltung erfolgen und die Mehrwertsteuer Anfang 2013 von 20 auf 21 % (bzw. von 14 auf 15 %) steigen. Bei den Renten soll die Erhöhung niedriger ausfallen als ursprünglich vorgesehen. So soll das Staatsdefizit bis 2013 knapp unter die Maastricht-Grenze von 3 % des BIP gedrückt werden. 2016 wird ein ausgeglichener Haushalt angestrebt. Der Schuldenstand erreichte 2011 mit 41,2 % des BIP erst etwa die Hälfte des Wertes für Deutschland oder die EU, so dass die Maastricht-Grenze von 60 % derzeit nicht in Gefahr ist.