Notenbanker dirigieren die Märkte
Die Worte der Notenbankchefs dirigieren die Märkte. Vor einem Jahr schaffte es der Präsident der Europäischen Zentralbank mit seiner Äußerung "alles zu tun, um den Euro zu retten" eine Rally an den Aktien- und Rentenmärkten loszutreten. Handeln musste er letztendlich gar nicht mehr. Eine gegensätzliche Reaktion löste jüngst der US-Notenbank Präsident Bernanke mit seiner Andeutung aus, angesichts eines optimistischeren Konjunkturausblicks die Anleihekäufe im Laufe dieses Jahres zu drosseln und im nächsten Jahr sogar auslaufen zu lassen. Sowohl die Aktien- als auch die Anleihekurse brachen weltweit ein.
Einzelne Notenbanker rudern zurück
Die Abwärtsbewegung wurde jedoch relativ schnell wieder gestoppt. Dazu beigetragen haben Aussagen einzelner Mitglieder der Fed, dass die Märkte die Äußerungen ihres Chefs überinterpretiert hätten. Von entscheidender Bedeutung war jedoch der Hinweis des Präsidenten der Fed von Dallas, dass selbst mit einer Drosselung der Anleihekäufe die Geldpolitik immer noch sehr locker wäre. So ist der Einstieg in den Ausstieg der quantitativen Lockerung keine Katastrophe für die Kapitalmärkte. Denn er wird nur erfolgen, wenn sich die Konjunktur wieder deutlich erholt.
Konditionierter Einstieg in den Ausstieg
Die Fed knüpft ihre geldpolitische Strategie an die Entwicklung der Arbeitslosenquote. So hat sie den Zeitpunkt der ersten Zinserhöhung an den Rückgang der Quote unter die Marke von 6,5 Prozent gekoppelt. Die US-Konjunktur entwickelt sich tatsächlich recht dynamisch, so dass wir bereits Mitte Mai darauf hingewiesen hatten, dass diese Marke voraussichtlich im zweiten Halbjahr 2014 erreicht werden würde. Entsprechend hatten wir auch eine Ankündigung der Fed diesbezüglich antizipiert und damals auf eine bevorstehende Korrektur der Märkte hingewiesen. Als untere Marke für den DAX hatten wir 7700 Indexpunkte genannt.
Korrektur weitgehend abgeschlossen?
Ist die Korrektur nun schon vorbei? Für eine erneute Aufwärtsbewegung der Aktienmärkte bedarf es bei einer schwindenden geldpolitischen Fantasie einer Verbesserung der Wachstumsperspektiven. Diese fallen bislang allerdings noch durchwachsen aus. Insbesondere die Dynamik in den Schwellenländern lässt zu wünschen übrig. Hingegen hat sich der Anteil negativer Konjunkturüberraschungen in der Eurozone zuletzt deutlich verringert. Selbst in den stark krisengeschüttelten Ländern hat sich die Stimmung bei den Unternehmen und Verbrauchern inzwischen aufgehellt, so dass für die Eurozone im dritten Quartal 2013 wieder mit einem kleinen Plus gerechnet werden kann. Die über sechs Quartale laufende Rezession würde damit ein Ende finden.
EZB bleibt weiter sehr expansiv
Die Erholung wird allerdings lange nicht so dynamisch ausfallen wie in den USA, so dass eine restriktivere Geldpolitik in der Eurozone auch für 2014 noch nicht auf der Agenda steht. Allerdings wird die Erholung auch nicht so schwach sein, dass eine weitere Zinssenkung notwendig wäre. Die US-Notenbank wird dagegen Ende 2014 eine erste Zinserhöhung vornehmen.
Veränderte Risikoeinschätzung in der Welt
Die angedeutete Normalisierung der Geldpolitik der US-Notenbank findet zu einer Zeit statt, in der sich auch die Risikoeinschätzung für die Industrie- und Schwellenländer verändert. Seit Beginn der Finanzkrise im Jahr 2007 - ausgelöst durch die Subprime-Krise in den USA - galten die Schwellenländer als neue Starregionen. Schließlich hatten sie damals keine Banken- und Staatsschuldenkrisen. Industrieländer waren als Anlageziel weitgehend "out". Nunmehr wird deutlich, dass auch in den Schwellenländern Probleme vorhanden sind. Ängste vor einer möglichen Finanzkrise in China sowie soziale und politische Unruhen in Brasilien und der Türkei prägen derzeit das Tagesgeschehen. So findet der Weg zurück in die Normalität auch über eine veränderte Wahrnehmung der weltweiten Risiken statt. Dies stärkt die relative Attraktivität der Industrieländer und lässt über eine Veränderung der Kapitalströme deren Währungen aufwerten. Die Schwellenländer werden wohl auf absehbare Zeit als Wachstumslokomotive ausfallen. Dies erhöht die Notwendigkeit für die Industrieländer, insbesondere für die Eurozone, aus eigener Kraft wieder auf die Beine zu kommen. Das heißt jedoch nichts anderes, als dass die notwendigen Anpassungsmaßnahmen kraftvoll vorangetrieben werden müssen. Dabei hilft der Blick in die USA, die dies beeindruckend vorgemacht haben und nunmehr wieder die Konjunkturlokomotive der Weltwirtschaft sind.
Beitrag erschienen in "Die Welt", 29. Juni 2013
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