Soros gibt sich als Retter Europas
Wenn der amerikanische Großinvestor und Hedgefonds-Manager George Soros spricht, findet er zumeist Gehör. Seine persönliche Erfolgsgeschichte und seine aufsehenerregende Spekulation gegen das britische Pfund im Jahr 1992 haben ihn zu einem gefragten Ratgeber gemacht. So überrascht es nicht, dass er auch im Zusammenhang mit der europäischen Staatsschuldenkrise zu Rate gezogen wird. Jüngst sprach Soros auf einer Veranstaltung an der Goethe-Universität Frankfurt.
Er plädiert für die Einführung von Eurobonds
Das Bild, das er von Europa zeichnet, ist düster. In seinen Worten ein "Albtraum". Er hat jedoch die perfekte Lösung: Er plädiert für die Einführung von Eurobonds. Wenn der Vorschlag aus so prominentem Mund kommt, ist dann vielleicht doch etwas Positives daran? Aus seiner Sicht würden sich die meisten scheinbar unlösbaren Probleme in Luft auflösen: die Kapitalmarktzinsen der Problemländer würden sinken, die Bankbilanzen sich verbessern, die Staatshaushalte sich zum Positiven wandeln und die Gefahr einer Staatspleite wäre gebannt. Klingt doch gut, oder?
Risiken werden von ihm vollständig ausgeblendet
Meine kritische Haltung zu Eurobonds kann jedoch auch Soros nicht verändern. So bleibt die grundsätzliche Kritik, dass mit einem möglichen Rückgang der Kapitalmarktzinsen allein der Druck zur notwendigen Konsolidierung verschwindet und mit der Einführung von Eurobonds letztendlich nur der Weg in eine anhaltend hohe und unkontrollierte Staatsverschuldung beschritten wird.
Soros spricht als Großinvestor und nicht als Berater
Herr Soros ist zweifelsohne ein kluger Mann. Sieht er diese Gefahr nicht? Ich denke, dass sich George Soros der Risiken sehr bewusst ist. Er spricht jedoch nicht als Berater, sondern als Großinvestor. In Zeiten des sogenannten Anlagenotstands sind liquide Märkte mit auskömmlicher Rendite gesucht. Eurobonds erscheinen allein schon aufgrund der Größe des Marktes und dessen Liquidität für internationale Investoren attraktiv. Mit Eurobonds könnte also eine echte Alternative zu US-Dollar-Anlagen geschaffen werden. Aufgrund der gesamtschuldnerischen Haftung aller Euroländer wären zumindest kurzfristig Ängste vor Staatsbankrotten und Zahlungsausfällen vom Tisch.
Suche nach auskömmlicher Rendite
Genau an diesem Punkt wird deutlich, warum Soros dieses Instrument befürwortet. Er hätte als Anleger eine höhere Rendite als mit Bundesanleihen, würde jedoch gleichzeitig von der geborgten Bonität Deutschlands profitieren. Vermutlich würde die Gemeinschaftsanleihe zunächst von den Kapitalmärkten sogar sehr positiv aufgenommen werden. Dies würde die Unsicherheit an den Finanzmärkten erst einmal deutlich verringern und könnte sich positiv auf die Investitionstätigkeit von Unternehmen und das Verbrauchervertrauen auswirken. Man gäbe sich -ähnlich wie im Vorfeld der US-Subprime-Krise - der Vorstellung hin, dass ein zusammengeschnürtes Portfolio unterschiedlicher Risiken dazu führe, dass diese auf wundersame Weise plötzlich verschwinden.
Fehlentwicklung der Vergangenheit würden mit Eurobonds institutionell verankert
Je größer diese Illusion, desto niedriger der Risikoaufschlag. Dies erinnert an die ersten Jahre nach Einführung des Euro, als sich die Kapitalmarktzinsen im gemeinsamen Währungsraum an das deutsche Niveau annäherten und ein Quasi-Eurobond entstand. Je mehr die Zinsen für die anderen Länder sanken, desto geringer war der Anreiz, eine solide Haushaltspolitik zu betreiben. Als die Kapitalmärkte 2008 ihre Fehleinschätzung korrigierten und wieder differenzierte Risikoaufschläge forderten, war die Verschuldung so stark angestiegen, dass manche Länder dies alleine nicht mehr stemmen konnten. Mit Eurobonds würde man die Fehlentwicklungen der Vergangenheit institutionell verankern. Statt eine Lösung zu finden, zementierte man das Problem.
Druck machen oder zahlen
In einem Punkt gebe ich Soros jedoch recht: Deutschland muss in Europa eine Führungsrolle übernehmen. Dies lässt sich schon aus den Kriterien für eine nachhaltige Währungsunion ohne politische Union ableiten. Eine solche ist nämlich möglich, wenn mindestens ein Land aus dem Verbund entweder Druck in Richtung einer soliden Haushaltspolitik ausübt oder bereit ist, dauerhaft die anderen Länder zu alimentieren. Nach den jüngsten Zahlen der EZB zur Vermögensverteilung im Euroraum sind den deutschen Politiken meines Erachtens jedoch sehr enge Grenzen für weitere Transfers innerhalb der Währungsunion gesetzt. Schließlich verfügen deutsche Haushalte im Euroraum-Vergleich über ein nur unterdurchschnittliches Vermögen.
Beitrag erschienen in "Die Welt", 13. April 2013