Der Jahr 2015 brachte einige Überraschungen. Zwar wurden unsere Einschätzungen zur konjunkturellen Entwicklung in Deutschland, in der Eurozone und - trotz des schlechten ersten Quartals - zur US-Wirtschaft bestätigt. Angesichts des kräftigen Ölpreisverfalls sind aber die Inflationsdaten in den ersten Monaten des Jahres stärker gefallen als von uns erwartet. Obwohl der Tiefpunkt bei den Verbraucherpreisen inzwischen durchschritten ist, mussten wir unsere Prognosen für die jahresdurchschnittliche Preissteigerung anpassen. Die EZB hat zwar wie von uns prognostiziert ihr Anleiheankaufprogramm gestartet, das Ausmaß und damit die Wirkungen haben jedoch vorübergehend unsere Erwartungen stark übertroffen. Die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen hatte zwischenzeitlich fast die Nulllinie tangiert, ist dann aber in den letzten Wochen schlagartig wieder in das in unserem Jahresausblick skizzierte Band zurückgekehrt. Auch der Aktienmarkt zeigt nach einem vor allem durch die EZB beförderten starken Jahresbeginn nun doch die von uns angemahnte Schwäche - wenn auch auf höherem Niveau.
Gestützt wird die globale Konjunktur derzeit primär von den Industrieländern, auch wenn die USA entgegen den Erwartungen nach aktueller Datenlage 2015 keine Beschleunigung ausweisen dürften. Die großen Schwellenländer haben noch deutlicher enttäuscht: Statt einem im Schnitt leicht höheren Zuwachs wird der Anstieg des BIP 2015 dort wohl erneut niedriger ausfallen als der schon relativ schwache Wert vom Vorjahr. In China dürfte die Wachstumsrate im laufenden Jahr unter die 7 %-Marke sinken, mit Russland und Brasilien befinden sich zwei der großen Emerging Markets sogar in der Rezession. Damit nimmt die Dynamik der Weltwirtschaft in diesem Jahr weder nennenswert ab noch zu. Wir rechnen aktuell für 2015 mit einem globalen Wirtschaftswachstum von etwa 3 %.
Das erwartete Anziehen der US-Konjunktur wurde - wie schon 2014 - zum Jahresbeginn durch Sondereffekte wie eine besonders kalte Witterung und Streik ausgebremst. Trotz dieser neuerlichen Delle im Winter hat sich die Lage am Arbeitsmarkt weiter zügig verbessert. Im zweiten Halbjahr sollte der Anstieg des BIP wieder merklich über dem Trend von rund 2 % liegen. Im Jahresschnitt wird das Wachstum mit 2,4 % dem Vorjahreswert entsprechen.
Im Euroraum ist die konjunkturelle Wende geschafft. Der Aufschwung ist jetzt regional breiter aufgestellt, da mittlerweile fast alle Länder wieder wachsen. Unter den Flächenländern ist Spanien 2015 mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts von schätzungsweise 2,5 % der Spitzenreiter. Deutschland dürfte kalenderbereinigt ein Plus von 1,6 % erreichen. In Frankreich und Italien ist der Aufschwung ebenfalls in Gang gekommen. Doch dürfte die Dynamik hier mit 1 % bzw. 0,6 % nur verhalten ausfallen. Spanien hat seine Wettbewerbsfähigkeit deutlich verbessert, in Frankreich und Italien wurden erste Reformvorhaben umgesetzt. Alle Länder profitieren vom stark gesunkenen Ölpreis, der vor allem der Kaufkraft der Konsumenten zugutekommt. Zunehmend positiv wirkt sich die Schwäche des Euro auf den Außenhandel aus. Die Bremswirkung der Fiskalpolitik, die 2011 bis 2013 noch ausgeprägt war, ist mittlerweile unbedeutend. Insgesamt sollte die gesamtwirtschaftliche Leistung der Eurozone 2015 um 1,4 % expandieren. Die Arbeitslosigkeit im Währungsverbund sinkt bereits seit Ende 2013, allerdings ist die Quote mit gut 11 % immer noch hoch.
Die Deflationsbefürchtungen, die noch im letzten Jahr von einigen Marktteilnehmern geäußert wurden, stellen sich nun als unbegründet heraus. Angesichts der Trendwende beim Ölpreis haben die Inflationsraten bereits wieder leicht zugelegt. Die gute Konjunktur und ein positiver Basiseffekt ab Herbst werden einen weiteren Preisauftrieb zur Folge haben. Gegen Ende des Jahres dürften Raten von über 1 % in der Eurozone erreicht werden. Die deutsche Teuerung liegt nur unwesentlich über diesen Werten. Im Gegensatz zur Eurozone wird der Verbraucherpreisanstieg in den USA bis Jahresende die 2 %-Marke überschreiten.
Die Geldpolitik der wichtigsten Notenbanken bleibt extrem locker. Die Fed nähert sich mit Trippelschritten der Zinswende. Eigentlich hatten wir mit der ersten Zinserhöhung bereits im März gerechnet. Die temporäre Delle in den Wachstumszahlen und der überraschend deutliche Rückgang des Ölpreises haben uns aber einen Strich durch die Rechnung gemacht. Der starke Arbeitsmarkt und das sich eintrübende Preisklima deuten auf eine Zinswende noch im Sommer hin. Zum Jahresende wird der US-Leitzins wohl wieder bei rund 1 % liegen. Damit wäre die US-Geldpolitik allerdings noch immer sehr expansiv.
Der jüngste Renditeanstieg und die Kommentare von EZB-Chef Mario Draghi vermittelten zuletzt den Eindruck, dass die EZB den Daumen vom langen Ende der Zinsstrukturkurve genommen hat. Die Fundamentaldaten, die schon länger in eine positive Richtung weisen, können jetzt mehr Wirkung entfalten. Eine steigende Teuerung und günstige Konjunkturdaten werden den Rentenmarkt im zweiten Halbjahr belasten. Hinzu kommt die anstehende Zinswende der Fed. Deren Signalwirkung sollte besser nicht unterschätzt werden, zumal das EZB-Anleihekaufprogramm seinen Nimbus weitgehend eingebüßt hat Die Gravitationswerte unserer Renditeprognose für 10-jährige Staatsanleihen in der zweiten Jahreshälfte sehen wir in Deutschland bei 1,25 % und in den USA bei 3,0 %.
Der Euro-Dollar-Kurs stabilisierte sich von seinem Rückschlag im ersten Quartal 2015. Das Kaufprogramm der EZB ist wohl schon in einem erheblichen Maß in den Kursen verarbeitet. Die USNotenbank strebt weiterhin eine Zinswende an, wenngleich diese später und vorsichtiger ausfällt als ursprünglich erwartet. Der Renditevorteil des US-Dollar bleibt daher vergleichsweise mager. Vor diesem Hintergrund sowie auch angesichts anderer Indikatoren wie Kaufkraftparitäten erscheint der US-Dollar überbewertet. Da sich die Konjunktur in der Eurozone merklich festigt, schrumpft zudem der Wachstumsvorsprung der USA. Bis Ende des Jahres dürfte der Euro auf 1,20 Dollar ansteigen.
Die Ankündigung des Anleihekaufprogramms der EZB hat an den europäischen Aktienmärkten in den ersten Monaten für ein unerwartetes Kursfeuerwerk gesorgt. Damit hatten sich die Notierungen zeitweilig extrem weit von ihren fundamental angemessen Niveaus entfernt und das Bewertungsband der vergangenen zehn Jahre deutlich überschritten. Einen Teil dieser Kursübertreibungen haben Aktien inzwischen korrigiert. Angesichts der noch immer bestehenden Lücke zwischen den fundamentalen Verhältnissen und Aktiennotierungen dürften die Kurse vorerst weiter nachgeben. Ohnehin zählen die Sommermonate im langjährigen Durchschnitt zur performanceschwächsten Phase des Jahres. Dabei könnte der DAX zumindest die Ausbruchsmarke von 10.000 Punkten testen.