Die Kursausschläge bei Aktien haben in den vergangenen Wochen deutlich zugenommen. Sie sind ein Indiz dafür, dass die Märkte gegenwärtig in erster Linie von kurzfristig orientierten Anlegern bestimmt werden. Dass es die US-Notenbank offenbar nicht besonders eilig hat den Leitzins anzuheben, sorgte für regelrechte Freudensprünge. Dabei hatten die Märkte bislang ohnehin weniger Zinsschritte eingepreist als es die Prognosen der Fed-Mitglieder erwarten ließen. Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Aus heutiger Sicht ist eine erste Leitzinserhöhung in der Juni- Sitzung wahrscheinlich.
Widerstreitende Effekte gehen auch von der Entwicklung des Ölpreises aus. Zwar dürfte sich die Entlastung bei den Energiekosten mittelfristig positiv auf das Wirtschaftswachstum auswirken.
Zunächst besteht jedoch Unsicherheit darüber, ob der Ölpreisverfall tatsächlich nur auf die Angebotsbedingungen zurückzuführen ist oder vielmehr eine Indikation für vorerst schwaches Wachstum liefert. Zudem könnten die mit dem Preisverfall verbundenen Probleme in den ölexportierenden Ländern negativ auf die Finanzmarktstabilität ausstrahlen, was der jüngste Anstieg der impliziten Volatilitäten schon angedeutet hat. In der Vergangenheit kamen Aktien bei ausgeprägten Ölpreisrückgängen meist auch unter Druck.
Zwar haben sich die ZEW-Konjunkturerwartungen erholt und der ifo-Geschäftsklimaindex hat sich stabilisiert. Bei den Schätzungen für die Unternehmensergebnisse der kommenden zwölf Monate überwiegen allerdings weiterhin die Abwärtsrevisionen. Bei vorerst verhaltenen Gewinnperspektiven und insgesamt hoher Bewertung ist das fundamentale Kurspotenzial weitgehend ausgeschöpft.
Dies gilt auch für US-Aktien. So hat der S&P 500 auf Basis der Konsensgewinnschätzungen für das kommende Jahr inzwischen ein KGV von mehr als 16 erreicht und das Bewertungsband der vergangenen zehn Jahre verlassen. Längerfristige Maßstäbe deuten ebenfalls auf eine Überbewertung hin. Das zyklusbereinigte KGV (Shiller-KGV) hat mit zuletzt 27 einen Wert erreicht, der nur im Zuge der Kursblasen Ende der 20er und Ende der 90er Jahre überschritten wurde.
Somit ist die Luft inzwischen extrem dünn. Jenseits der Blue-Chip Indizes zeigen sich bereits Ermüdungserscheinungen. An der New York Stock Exchange notieren derzeit weniger als die Hälfte der Aktien noch über ihrem 200-Tage Durchschnitt. Das insgesamt ungünstige Chance/Risiko- Verhältnis spricht dafür, erst einmal Gewinne mitzunehmen.