1.1 Chart der Woche
In vielen Euro-Ländern ist der rückläufige Trend bei der Kreditvergabe bislang nicht gestoppt. In Griechenland und Irland ist noch nicht einmal eine Bodenbildung erkennbar. Spanien und Portugal konnten ihr Niveau immerhin halten. Einen Einbruch verzeichnete zuletzt Frankreich, das allerdings in den letzten Jahren gegen den allgemeinen Trend einen Anstieg des Kreditwachstums verzeichnet hatte - und nicht etwa Deutschland. Bei uns ist die Indexentwicklung trotz besserer Konjunktur vergleichbar mit der in Italien. Im Euroraum hat sich zur Jahresmitte die Abwärtsdynamik abgeschwächt. Diese positive Tendenz könnte sich fortsetzen. Die jüngste EZB-Umfrage bei den Geschäftsbanken zeigt, dass diese ihre Bedingungen zur Kreditvergabe gelockert haben und insbesondere Hypotheken- und Konsumkredite verstärkt nachgefragt werden.
1.2 Wochen-Quartals-Tangente
Schlägt die Geldpolitik doch die Geopolitik? In den letzten Wochen herrschte der Eindruck vor, die politischen Krisen von der Ukraine bis in den Nahen Osten seien die Taktgeber an den Finanzmärkten. Noch zum Ausklang der vergangenen Woche hatten Meldungen aus der Ukraine kurzzeitige Kursturbulenzen zur Folge. In dieser Woche spielten die zahlreichen Krisenherde jedoch nur eine geringere Rolle an den Finanzmärkten. Womöglich zeigen sich schon gewisse Abstumpfungseffekte bei den Marktteilnehmern. Stärker im Interesse stand dagegen die Geldpolitik. Im neuesten Sitzungsprotokoll der US-Notenbank wurde der Ton etwas verschärft, auch wenn eine Zinsanhebung in der nahen Zukunft noch kein Thema ist. Die Bank of England scheint dagegen schon etwas weiter zu sein, denn zwei der neun Mitglieder im geldpolitischen Ausschuss stimmten zuletzt für eine Zinsanhebung. Die jüngsten Konjunkturdaten aus den USA überzeugten überwiegend. Der US-Dollar profitierte davon, der Goldpreis gab deutlich nach. Die Rentenmärkte zeigten sich dagegen kaum berührt. Die Aktienmärkte rund um den Globus legten spürbar zu.
Auf der anstehenden Notenbankkonferenz in Jackson Hole könnten neue Impulse von der Geldpolitik kommen. In der Berichtswoche stehen ebenfalls einige Daten an, die die Märkte bewegen können. So dürfte das ifo-Geschäftsklima erneut nachgeben, das wäre der vierte Rückgang in Folge. Damit sieht selbst die konjunkturelle Lage im Euro-Musterland Deutschland schwierig aus(S. 5). Für die EZB ist derzeit wohl die Inflationsentwicklung noch relevanter. So wird die Frühschätzung für den August die niedrige Teuerung der Eurozone voraussichtlich bestätigen. In den USA stehen zwar nicht die ganz wichtigen Daten auf der Agenda. Jedoch können sehr kräftig steigenden Auftragseingänge für Überraschung sorgen. Zumindest sollten die Daten die divergente Entwicklung der Geldpolitik zwischen den USA und der Eurozone betonen. Fundamental betrachtet dürfte der Euro-Dollar-Kurs seinen Sinkflug fortsetzen. Kurzfristig ist der Wechselkurs aber etwas überverkauft, so dass eine Atempause möglich erscheint. An den Aktienmärkten wird die Erholungsphase wohl ins Stocken geraten. Schließlich mahnt die Unsicherheit über die Konjunktur in der Eurozone sowie über die US-Geldpolitik zur Vorsicht (S. 4). Die Rentenmärkte beachten derzeit scheinbar nur die negativen Entwicklungen. Aber vielleicht werden die fundamentalen Trends ja doch durch die Geopolitik über den Haufen geworfen, in die eine oder andere Richtung.
2. Im Fokus
2.1 Aktien: Trügerische Ruhe
Die jüngsten Kursavancen an den Aktienmärkten wiegen die Anleger in Sicherheit. Die implizite Aktienvolatilität bewegt sich in den USA fast schon wieder auf dem historischen Tief. Gleichzeitig sind gerade US-Aktien teuer. Hierzulande trübt sich zudem das fundamentale Umfeld weiter ein.
Gerade einmal 4 % hatte der S&P 500 nachgegeben, bevor er zuletzt wieder neue Höchststände markierte. Die letzte 10-Prozent-Korrektur liegt damit schon 27 Monate zurück. Dies ist ungewöhnlich lange. Und wenn es nach der Meinung der Mehrheit der Marktteilnehmer geht, wird sich dies so fortsetzten. In den Bullenmärkten seit 1928 erfolgte im Median übrigens nach 9 Monaten eine entsprechende Zwischenkorrektur. Zuletzt waren sogar enorme Zuflüsse in Produkte zu verzeichnen, die eine Wette auf eine weiter fallende Aktienvolatilität ermöglichen. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Erwartung der Investoren, dass die US-Notenbank auch nach dem Ende des Anleihekaufprogramms noch lange Zeit einen sehr aktienfreundlichen Kurs fahren wird. Bei US-Aktien wird damit die beste aller Welten vorweggenommen. Dabei stört scheinbar die hohe Bewertung nicht. Insgesamt weisen sie damit u.E. ein ausgesprochen ungünstiges Chance-Risiko-Verhältnis auf. Im Übrigen zeigen US-Small Caps bereits seit Monaten relative Schwäche.
Auch deutsche und europäische Dividendentitel haben sich in den vergangenen Wochen sichtbar von den US-Blue Chips abgekoppelt. DAX und EURO STOXX 50 hatten gegenüber ihren Höchstständen zeitweilig rund 10 % korrigiert und damit die akute Überhitzung teilweise abgebaut. Ein Teil der Kursverluste wurde inzwischen wieder wettgemacht. Vermutlich haben viele Anleger mit der 10.000-Punkte-Marke als mentalen Anker die Korrektur als willkommenen Anlass gesehen, um bei Aktien zuzugreifen. Solche Zwischenerholungen sind nicht ungewöhnlich im Rahmen einer Gipfelbildung. Nach sichtbarem Unterschreiten der 200-Tage-Linie überwiegen allerdings auch technisch die Abwärtsrisiken. Dies belegen Vergleiche mit früheren Haussezyklen.
Schließlich hat sich das fundamentale Umfeld zuletzt weiter eingetrübt. So deuten wichtige Frühindikatoren auf eine Wachstumsschwäche hin. Nach den deutlichen Rückgängen der ZEWKonjunkturerwartungen wird wohl auch der zur Veröffentlichung anstehende ifo-Geschäftsklimaindex zum vierten Mal in Folge fallen und eine Bodenbildung ist vorerst noch nicht in Sicht. Die Phase "abnehmender Expansion" hat sich in der Vergangenheit als die für Aktien ungünstigste im Konjunkturzyklus erwiesen. Da sich gleichzeitig das Kurs-Gewinn-Verhältnis auf Basis der vermutlich noch immer zu hohen Konsensgewinnschätzungen eher am oberen Rand des Bewertungsbandes der vergangenen zehn Jahre befindet, überwiegen aus fundamentaler Sicht die Kursrisiken. Die jüngste Erholung dürfte sich somit schon bald als Intermezzo erweisen.
2.2 Deutschland: Konjunkturdelle
Die Russland-Sanktionen, schwache Schwellenländer und eine sich langsamer als erhofft erholende Eurozone dürften das ifo-Geschäftsklima erneut belasten. Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einer konjunkturellen Delle. Frühestens gegen Jahresende sollte sich eine Besserung einstellen.
Die Indikatoren der Berichtswoche dürften erneut den momentanen Verlust an Dynamik bestätigen. Die wichtigste Zahl, der ifo-Geschäftsklimaindex, wird voraussichtlich zum vierten Mal in Folge sinken. Die Erhebung des Mannheimer ZEW sowie die Einkaufsmanagerbefragungen lassen dies erwarten. Für 2014 haben wir unsere BIP-Prognose bereits auf 1,5 % gesenkt. Entscheidend ist aber die Frage, wann die jetzige Schwächephase beendet ist. Wann dreht die Konjunktur wieder nach oben? Weniger zyklisch sind die privaten Konsumausgaben. Sie profitieren weiterhin von steigenden Realeinkommen und dem anhaltenden Beschäftigungszuwachs in Deutschland. Dieses mit einem Anteil von fast 58 % wichtigste Aggregat des BIP dürfte dieses und nächstes Jahr mit 1,3 % bzw. 1,5 % moderat zulegen. Der Zyklus geht im Wesentlichen vom Außenhandel und den Ausrüstungsinvestitionen aus. Die Exporte steigen zurzeit nur verhalten und die Unternehmen haben trotz günstiger Finanzierungsbedingungen im zweiten Quartal eine Investitionspause eingelegt. Zuvor hatte es allerdings keinen Boom gegeben. Damit dürfte zumindest ein klassischer konjunktureller Einbruch, der in eine Rezession mündet, unwahrscheinlich sein. Die Kapazitätsauslastung in der Industrie lag zuletzt nur geringfügig über dem langjährigen Durchschnitt. Die Ausrüstungsinvestitionen überschritten im ersten Quartal 2014 das Vorjahresniveau um nur rund 5 %. Von einem ausgeprägten Investitionsboom, der zu Überkapazitäten geführt hat, kann also keine Rede sein. Investitionszyklen gehen auch in Deutschland normalerweise mit mehreren zweistelligen Zuwächsen einher. Plausibler erscheint damit, dass die zögerliche Erholung einiger Staaten der Eurozone und die Schwäche in einzelnen Schwellenländern zu einem temporären Investitionsattentismus geführt haben. Sollten sich die negativen Einflussfaktoren abschwächen, wird sich die Kapitalbildung in Deutschland erholen. Die niedrigeren Euro-Notierungen helfen dabei, die Exportwirtschaft des Währungsverbundes anzukurbeln. Zu dieser Interpretation passt, dass sich die konjunkturelle Abschwächung zurzeit auf die Eurozone konzentriert. Die USA und China sind hiervon weitgehend verschont geblieben. Voraussetzung dieser optimistischen Prognose ist, dass es zu keiner weiteren massiven Eskalation mit Russland kommt. Aus diesem Grund halten wir unsere Prognose eines Wirtschaftswachstums von 1,7 % für Deutschland im Jahr 2015 derzeit aufrecht.
Die deutschen Verbraucherpreise dürften auch im August nur um 0,8 % angestiegen sein. Weiterhin entlasten Energie und Nahrungsmittel. So ist Benzin zuletzt nochmals günstiger geworden. Die deutschen Landwirte haben eine Spitzenernte eingefahren und durch die Russland-Sanktionen dürfte vor allem mehr Obst und Gemüse auf den deutschen Markt drängen. Der Preisdruck in diesem Bereich wird damit sogar noch zunehmen. Immerhin hilft dies den deutschen Verbrauchern, deren Realeinkommen steigen.