Die Hochstimmung am Aktienmarkt scheint erst einmal verflogen zu sein. Insbesondere der Kursrutsch des Nikkei 225 hat die Bullen aus ihren Träumen gerissen. Immerhin hat das japanische Aktienbarometer seit seinem Jahreshoch in der Spitze gut 20 % verloren. Damit befindet es sich eigentlich nach klassischer Lesart an der Schwelle zum Bärenmarkt. Angesichts des raketenhaften Anstiegs seit November letzten Jahres um zeitweilig rund 80 % relativieren sich allerdings die jüngsten Verluste. Der Nikkei 225 taugt somit nicht unbedingt als Vorbild für die Aktienindizes in anderen Industrieländern, für die sich gegenwärtig lediglich eine moderate Korrektur abzeichnet.
Die einfache Phase ist bei Aktien jedoch vorbei. Spätestens seit der Bernanke-Anhörung vor dem Kongress am 22. Mai wird verstärkt über einen Ausstieg aus den unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen diskutiert. Hinsichtlich der Wirkung auf die Aktienmärkte herrscht merkliche Verunsicherung unter den Marktteilnehmern. Schließlich ist die ultralockere Geldpolitik bislang ein wichtiger Kurstreiber gewesen. So war während der seit März 2009 laufenden Hausse ein enger Zusammenhang zwischen den verschiedenen Kaufprogrammen der Fed und dem Kursverlauf des US-Aktienmarktes zu beobachten. Mit dem Ende früherer Programme setzten bei Aktien sichtbare Kurskorrekturen ein.
Daher ist es wichtig, dass die schwindende geldpolitische Fantasie durch eine Verbesserung der Wachstumsperspektiven ausgeglichen wird. Bislang fallen die Konjunkturindikatoren aber eher durchwachsen aus. In den Schwellenländern blieben die Daten in diesem Jahr hinter den Erwartungen zurück. Selbst in den USA konnten die Zahlen zuletzt nicht wirklich überzeugen. Dagegen scheint im Euroraum inzwischen der Boden gefunden zu sein. Der Anteil negativer Konjunkturüberraschungen hat in den vergangenen Wochen deutlich abgenommen. Auch die Stimmung bei Unternehmen und Verbrauchern hat sich zuletzt aufgehellt und spricht somit für eine konjunkturelle Belebung im weiteren Jahresverlauf.
Einen Großteil der zyklischen Erholung haben Aktien aber bereits vorweggenommen. Ob die Wachstumsdynamik für eine sichtbare Verbesserung der Gewinnperspektiven ausreicht, ist gegenwärtig noch fraglich. Da die Unterbewertung von Aktien inzwischen abgebaut ist, fällt sie als Kaufargument aus. Ein weiterer, nachhaltiger Kursanstieg muss daher in erster Linie durch anziehende Unternehmensgewinne getragen werden. Derzeit überwiegen aber bei den Schätzungen der Nettoergebnisse für die kommenden 12 Monate weltweit noch immer die Herabstufungen, auch wenn sich das Verhältnis zwischen Auf- und Abwärtsrevisionen zuletzt verbessert hat. Insgesamt bleiben Aktien somit vorerst anfällig. Die Konsolidierung könnte sich - wie in den Sommermonaten nicht unüblich - durchaus noch fortsetzen und günstigere Einstiegsgelegenheiten eröffnen.