Die Woche im Überblick
Die Aktienkursentwicklung von Zeitarbeitsfirmen gilt als konjunktureller Frühindikator. Schließlich trennen sich die Unternehmen als erstes von den Leiharbeitern, wenn die Geschäfte nicht mehr so gut laufen. Seit dem Hoch im Januar dieses Jahres hat der Index, bestehend aus den drei größten international tätigen Zeitarbeitsfirmen, um fast 30 % an Wert verloren. Auch wenn die Wachstumsängste zuletzt offensichtlich wieder etwas in den Hintergrund gerückt sind und die US-Leitindizes sogar neue Höchststände erreicht haben, ist es für eine Entwarnung bei Aktien zu früh. Gerade in den letzten Zyklen haben Kursrückgänge bei Zeitarbeitsfirmen frühzeitig eine bevorstehende deutlichere Korrektur am Aktienmarkt vorweggenommen. Die Chancen auf eine Jahresendrally stehen zumindest demnach nicht besonders gut.
Wochen-Quartals-Tangente
Zuletzt ging es wieder aufwärts an den Aktienmärkten. Günstige US-Konjunkturdaten sowie die Hoffnung auf weitere expansive Maßnahmen durch die europäische Notenbank sorgten für kräftige Kursgewinne. Der deutsche Leitindex DAX konnte trotz schwacher Konjunktur immerhin rund 3 % dazugewinnen, während sich der S&P 500 wohl in Nähe seines jüngsten Allzeithochs aus der Handelswoche verabschieden wird. Das Thema geldpolitische Liquidität befördert - neben dem US-Dollar (S. 4) - auch die Rentenmärkte. So hielten sich die Kursverluste auf der US-Seite, gemessen an der Option einer nahenden Zinswende, in Grenzen. Zur Erinnerung: Als das erste Mal eine Leitzinswende in den USA eingepreist worden war, rentierten 10-jährige US-Treasuries um 3 %, allerdings bei zu dem Zeitpunkt höheren Inflationserwartungen. Der Ölpreisrückgang von fast 26 % in diesem Jahr trägt zwar erheblich zu den verminderten Preiserwartungen bei, ist aber zugleich ein Konjunkturprogramm für den US-Konsumenten. Die US-Einzelhandelsumsätze dürften in der Berichtswoche diese Effekte spiegeln: Der seit Juli anhaltende Benzinpreisrückgang vermindert einerseits die Tankstellenumsätze, schafft aber andererseits bei gegebenen Einkommen Spielraum für mehr Konsum im beginnenden Vorweihnachtsgeschäft. Aufgrund des hohen Steueranteils sind die Benzinpreisvorteile beim deutschen und europäischen Konsumenten viel weniger spürbar.
In der Berichtswoche werden die Daten zum BIP im Euroraum für das 3. Quartal veröffentlicht. Sie dürften belegen, dass die Wirtschaft weiter auf der Stelle tritt und das Konjunkturgefälle groß bleibt: Spanien hat bereits ein Quartalsplus von 0,5 % gemeldet und die Daten aus Frankreich lassen auf einen Zuwachs um 0,2 % hoffen. Schlusslichter bilden wohl die Schwergewichte Italien und Deutschland (S. 5). Kein Wunder also, dass sich die Investoren auf die EZB stürzen. Präsident Draghi hat jüngst bestätigt, dass die Geldpolitik eine Ausweitung ihrer Bilanzsumme auf etwa 1 Billion Euro anstrebt. Sie wird damit expansiver werden müssen, auch wenn im Dezember zunächst der zweite TLTRO durchgeführt wird. Auf die bereits bestehenden Anleihekaufprogramme (CBPP3 und ABSPP) könnte demnach recht schnell ein Kaufprogramm für Unternehmensanleihen folgen. Wenn die Bilanz dann nicht im angestrebten Umfang reagiert und die Inflationserwartungen weiter fallen, sind selbst breit angelegte Staatsanleihekäufe nicht mehr auszuschließen. Ob dies konjunkturell die erwünschten Impulse bringt, bleibt offen. Aber es bringt zumindest viel Liquidität.
Im Fokus
Rückenwind für den Dollar von überall
Die Dollar-Hausse beschleunigte sich zuletzt wieder. In den kommenden Monaten dürfte der Euro-Dollar-Kurs noch weiter fallen, wenngleich der Rückgang an Dynamik verlieren sollte.
Der US-Dollar schreitet voran. Seit Jahresmitte wertet der Greenback nicht nur gegenüber dem Euro, sondern auch vielen anderen Währungen spürbar auf. Der Aufwertungstrend gönnte sich im Oktober eine Atempause, nahm zuletzt aber wieder an Fahrt auf. So fiel der Euro-Dollar-Kurs unter 1,24. Gegenüber dem Japanischen Yen kletterte die US-Währung auf ein Sieben-Jahres-Hoch.
Auch gegenüber dem Australischen und dem Kanadischen Dollar erreichte der Greenback mehrjährige Höchststände. Fallende Rohstoffpreise setzten die Währungen aus Kanada, Australien und Norwegen unter Druck. Beim größten Verlierer, dem Russischen Rubel, kommt noch die politische Komponente hinzu.
US-Zinswende rückt langsam näher
Die US-Konjunktur läuft insgesamt rund. Das Bruttoinlandsprodukt wuchs im dritten Quartal annualisiert um 3,5 %. Die Indikationen für das laufende Vierteljahr deuten auf einen ähnlichen Zuwachs.
Die US-Notenbank hat nun tatsächlich - manch einer konnte sich das nicht vorstellen - ihr Wertpapierkaufprogramm beendet. Die aufgrund globaler Wachstumssorgen aufgekommenen Zweifel an einer Zinswende 2015 haben sich reduziert. Die zweijährigen Treasuries rentieren fast wieder auf dem Niveau vom September. Der genaue Zeitpunkt der ersten Leitzinserhöhung ist offen, aber die Chancen auf einen solchen Schritt noch im ersten Halbjahr 2015 wachsen. Dass die Republikaner bei den Kongresswahlen auch im Senat die Mehrheit bekommen haben, ist zumindest kein Argument gegen eine Zinswende.
Abwertung des Euro, aber kein Absturz
Deutschland: Konjunkturpessimismus übertrieben
Die deutsche Wirtschaftsleistung dürfte im dritten Quartal stagniert haben. 2015 wird die Dynamik aber wieder zulegen, so dass in diesem und im nächsten Jahr ein Wachstum von jeweils 1,3 % erreicht wird.
Konsum trägt zum Wachstum bei
Unter Konjunkturbeobachtern geht ein Gespenst um: Das Gespenst des Pessimismus. Ist das gerechtfertigt? Eher nein. Sicherlich, das Geschäftsklima in Deutschland hat sich verschlechtert.
Aber die Geschäftserwartungen hatten zuvor auch eine Blase ausgebildet. Der starke Anstieg bis Anfang 2014 hatte sich nicht in realen Wachstumsraten niedergeschlagen. Waren die Unternehmen der Annahme, dass mit den "Hilfsaktionen" der EZB auch die Strukturprobleme wichtiger Länder wie Frankreich und Italien gelöst seien? Dies ist nicht der Fall. Der Blick auf die Einkaufsmanager verrät, dass der Dienstleistungssektor in der Summe lebhaft wächst. Der Index für die Industrie war mit zuletzt 51,4 Punkten ebenfalls im Wachstumsbereich. Impulse für die deutsche Wirtschaft gehen weiterhin von den privaten Konsumausgaben aus. Die Beschäftigungsschwelle ist zurzeit niedrig. Auch bei relativ geringem Wachstum steigt die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland. Zugleich nehmen die Einkommen zu, da die Tariflöhne mit 3 % deutlich erhöht werden und die Inflationsrate mit 1 % in diesem Jahr niedrig ausfällt.
Importe wachsen 2015 weniger stark als Exporte
Deutschland leidet zurzeit unter der schwachen Exportentwicklung in wichtigen Absatzmärkten.
Dies gilt insbesondere für die Eurozone, aber auch für Schwellenländer wie Russland oder die Türkei. Trotzdem konnten die Warenausfuhren im dritten Quartal um nominal 2,9 % gegenüber den drei Monaten zuvor gesteigert werden, während die Einfuhren um nur 1 % zulegten. Letztere stiegen auch aufgrund des gesunkenen Ölpreises nur moderat. In realer Rechnung dürfte der Abstand geringer ausfallen. Der Außenhandel sollte im dritten Quartal das Wachstum aber zumindest nicht belastet haben. Eine Reihe von Prognostikern erwartet für das Gesamtjahr 2015 nur ein Wachstum von unter 1 %, vor allem weil davon ausgegangen wird, dass die Importzuwächse stärker ausfallen als die Exportzuwächse. Wir halten dies nicht für plausibel. Deutschlands Einfuhren bestehen im Wesentlichen aus Vorleistungs- und Investitionsgütern. Nur ein Fünftel der Waren sind Konsumgüter. Auch der Import wird also von der Industrie geprägt. Eine schwächere Produktionsentwicklung hierzulande zieht folglich weniger stark steigende Importe nach sich. Die deutliche Abwertung des Euro verbessert zudem die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie.
Im dritten Quartal dürfte die Wirtschaftsleistung in etwa stagniert haben. Auch wenn zurzeit keine große Dynamik zu verzeichnen ist, sollte das deutsche BIP 2014 und 2015 um jeweils 1,3 % zulegen.
Trotz gleicher Raten impliziert dies, dass die Dynamik im Jahresverlauf 2015 wieder zunimmt.
Die expansive Geldpolitik, eine europaweit nicht mehr bremsende Fiskalpolitik und der schwächere Euro verbessern das Wachstumsumfeld. Während die USA und China weiterhin lebhaft expandieren, sollten die Schwellenländer ihren Wachstumstiefpunkt in diesem Jahr erreichen.