Die Woche im Überblick
Seit Jahresanfang gilt der bundesweite Mindestlohn. In der Berichtswoche gibt nun erstmals die Beschäftigungsstatistik für den Januar Auskunft darüber, ob kurzfristig negative Effekte aufgetreten sind. In den letzten Monaten wurden in Deutschland gut 400.000 Beschäftigte oder 1 % mehr als im Vorjahr gezählt. Zumindest der Stellenindex der Bundesagentur für Arbeit (BA-X) deutet nichts Negatives an, denn die Arbeitskräftenachfrage am ersten Arbeitsmarkt ist im Januar weiter gestiegen. Dies lässt allerdings keinen endgültigen Schluss zu: Negative Effekte des Mindestlohnes dürften über einen längeren Zeitraum auftreten. Zwar passt die weiter steigende Beschäftigung zur günstigen Konjunktur. Sie hätte aber ohne Mindestlohn noch stärker zulegen können. Eine endgültige Aussage wird wohl noch auf sich warten lassen. Zumindest der Bürokratie- und Kostenaufwand für die Unternehmen ist größer geworden. Die Arbeitslosigkeit, die 2013 bei Quasi- Stagnation sogar leicht gestiegen war, ist zuletzt mit rund 100.000 im Vorjahresvergleich wieder deutlicher zurückgekommen. Erfreulicherweise sinken auch die Arbeitslosenzahlen im Grundsicherungsbereich SGB II, in dem fast die Hälfte der Personen von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen ist.
Wochen-Quartals-Tangente
Papier ist geduldig. Die vergangene Handelswoche hat gezeigt, dass politische Verträge in diesen Zeiten brüchig sind, einzig die Beliebigkeit in der Auslegung bleibt eine Konstante. In der Ukraine wird der vereinbarte Waffenstillstand von den Separatisten nicht eingehalten. Deshalb erbittet der ukrainische Präsident weiterhin Unterstützung in Form von Waffenlieferungen sowie einer von der UNO beauftragten Polizeimission der Europäischen Union. Für die deutsche Regierung wird es ein Drahtseilakt bleiben, eine Lösung unter Einbindung Russlands zu finden. Dieser Krisenherd schwelt ebenso weiter wie der in Griechenland, wo die Hängepartie jedoch schon Ende des Monats ein Ende finden könnte. Die Situation scheint festgefahren: Zwar wurde nun doch ein Antrag auf Verlängerung der Hilfskredite eingereicht. Allerdings hat man ein Bekenntnis zu den vereinbarten Reformen aus dem Hilfspaket vermieden. Die Finanzminister der Eurozone wollen darüber beraten, in jedem Fall wird die Kompromissbereitschaft beider Seiten am Wochenende einer harten Prüfung unterzogen - zumal der Antrag von deutscher Seite bereits als "trojanisches Pferd" deklariert worden ist. Ob eine gesichtswahrende Lösung möglich ist, nachdem sich die Fronten so verhärtet haben, darf bezweifelt werden. Der Grexit scheint ein Stückchen näher zu rücken, was aber nicht mehr als eine Momentaufnahme ist.
Trotz der schwelenden Krisenherde zeigen sich die Anleger entspannt. Von steigenden Risikoprämien an den Kapitalmärkten kann keine Rede sein. An den Aktienmärkten (S. 4) setzt man scheinbar auf die endlos fließende Liquidität der Notenbanken. So legte der deutsche Leitindex DAX auf Wochensicht 0,8 % zu und schaffte den Sprung über die Marke von 11.000. Die Rentenmärkte hingegen waren nicht gesucht, was die Kursverluste der Bundesanleihen und vor allem der US-Treasuries belegen. In der Berichtswoche ist mit keinen negativen Überraschungen seitens der Indikatoren zu rechnen. Der ifo-Geschäftsklimaindex dürfte einen leichten Anstieg verzeichnen. Die deutsche Konjunktur zieht an, was sich auch am Arbeitsmarkt zeigt (S. 1). Dies gilt ebenfalls für die US-Indikatoren (S. 5). Gleichwohl sollte sich die Politik als Spielverderber erweisen. Fed- Präsidentin Yellen erscheint vor dem Kongress und könnte auf die nahende Zinswende hinweisen. Griechenland bleibt ohnehin ein Thema.
Im Fokus
Aktien: Akute Überhitzung
Aktien sind der fundamentalen Realität inzwischen weit enteilt. Ob die anstehenden Konjunkturdaten für zusätzliche Kursfantasie sorgen, ist daher fraglich. Angesichts der Überhitzung überwiegen vielmehr die Korrekturrisiken.
Trotz Beginn der Fastenzeit dürften bei Aktienanlegern zuletzt die Sektkorken geknallt haben. Schließlich hat der DAX erstmals über der psychologisch wichtigen Marke von 11.000 Punkten geschlossen. Allein in den ersten sechs Handelswochen konnten deutsche Standardwerte ein Plus von rund 12 % erzielen. Gegenüber dem Tief von Oktober 2014 sind es sogar fast 30 %. Man muss kein Pessimist sein, um die Nachhaltigkeit dieses rasanten Anstiegs in Frage zu stellen. Sicherlich waren die Wachstumsängste, die zu den Kursrückgängen im letzten Herbst geführt hatten, überzogen. Aber so wie Aktien damals nach unten übertrieben haben, scheinen sie jetzt nach oben zu überschießen.
Zwar erhielten die Notierungen in den letzten Wochen Rückenwind durch mehrheitlich positive Konjunkturüberraschungen aus dem Euroraum. Dies ist jedoch in erster Linie der zuvor deutlich reduzierten Erwartungshaltung geschuldet. Mittlerweile haben konjunkturelle Stimmungsindikatoren wie die sentix- oder die ZEW-Erwartungsindizes deutlich zugelegt und fast wieder zyklische Hochs erreicht. Dass der anstehende ifo-Geschäftsklimaindex nachlegt, ist fast schon Pflicht. Schließlich haben Aktien bereits eine spürbare Wachstumsbeschleunigung vorweggenommen. Immerhin hat der Abstand des DAX zur 200-Tage-Linie mit rund 13 % wieder Spitzenwerte in der seit 2011 laufenden Hausse erreicht. Auch der ausgeprägte Optimismus der Anleger deutet darauf hin, dass Aktien überhitzt sind. Die Gewinnperspektiven der Unternehmen haben sich in den vergangenen Monaten nicht verbessert. Vielmehr wurden die Schätzungen für die Nettoergebnisse der DAX-Unternehmen für die kommenden 12 Monate und somit die erwartete Gewinndynamik weiter nach unten korrigiert.
In den USA haben die Gewinnerwartungen bereits ihren Zenit überschritten. Für die kommenden Quartale rechnen die Analysten im Schnitt mit rückläufigen Nettoergebnissen. Angesichts recht hoher Bewertungen und gleichzeitig überhitzter Stimmung überwiegen die Korrekturrisiken. Schließlich ist nach dem Ende des Ankaufprogramms der Fed nicht nur ein wichtiger Kurstreiber weggefallen. Voraussichtlich zur Jahresmitte wird die US-Notenbank sogar damit beginnen, die Leitzinsen zu erhöhen. Das Ausmaß der Zinserhöhungen wird von den Anlegern bislang unterschätzt. Vielleicht müssen die Marktteilnehmer daher bereits im Zuge des anstehenden geldpolitischen Berichts von Fed-Chefin Yellen vor dem US-Kongress ihre Zinsmeinung korrigieren und damit auch bei Aktien vorsichtiger werden. Dass sich die ohnehin überhitzten Euro-Titel von schwächeren US-Vorgaben völlig abkoppeln können, ist wenig wahrscheinlich.
USA: Startschuss für die Zinswende?
In der Berichtswoche steht neben diversen Konjunkturdaten (zweite Schätzung des Bruttoinlandsproduktes im Q4, Auftragseingänge langlebiger Güter, Verbraucherpreise) auch die Präsentation des halbjährlichen geldpolitischen Berichts an den Kongress auf der Agenda. Traditionell tritt der Fed-Chair (aktuell die Vorsitzende Yellen) dabei vor Ausschüssen beider Kammern des Kongresses auf. Diese Anhörungen wären gute Gelegenheiten, bestehende Unklarheiten im geldpolitischen Ausblick zu beseitigen.
Die seit Ende Januar veröffentlichten Monatsdaten, vor allem zum Außenhandel und zum Lager, deuten darauf hin, dass das BIP im Q4 nach unten revidiert wird. Wir rechnen mit einem annualisierten Anstieg um 1,8 % gegenüber Vorperiode (erste Schätzung: 2,6 %). Dieser niedrigere Wert ändert aber nichts an der zugrundeliegenden Dynamik der US-Wirtschaft und der nachhaltigen Erholung am Arbeitsmarkt. Trotz des geringeren Plus beim Output legte die Beschäftigtenzahl im Q4 um fast eine Million zu. Wie erwartet, hat sich auch der überraschende Rückgang der Stundenlöhne im Dezember als statistischer Ausreißer erwiesen, der im Januar wettgemacht wurde.
Ebenfalls auf dem Programm stehen die Verbraucherpreisdaten zum Januar. Hier ist ein neuerlicher Rückgang der Vorjahresrate absehbar - bedingt vor allem durch den Ölpreisverfall. Wir rechnen mit einem merklichen Minus im Vormonatsvergleich und einer Vorjahresrate von -0,1 %. Angesichts der bereits zu beobachtenden Trendwende beim Rohölpreis dürfte die negative Teuerung aber nur sehr kurzlebig sein. Bereits im Q2 sollte sie wieder ins Positive drehen und bis Ende des Jahres, durch einen Basiseffekt getrieben, merklich anziehen. Die Kernrate dürfte bei rund 1¾ % weitgehend stabil bleiben. Damit ist von Deflation weit und breit nichts auszumachen. Auch die aus Marktpreisen abgeleiteten "Inflationserwartungen" dürften dem üblichen Muster folgen und parallel zum Ölpreis wieder nach oben drehen.
Ob die Fed nun endlich das lange erwartete klare Signal für die Zinswende geben wird, bleibt allerdings offen. Die im geldpolitischen Bericht veröffentlichten Prognosen der FOMC-Mitglieder sind bereits seit Mitte Dezember bekannt und somit ein alter Hut. Selbst auf der FOMC-Sitzung Ende Januar waren keinerlei Anzeichen für aufkommende Hektik zu erkennen, auch wenn sich das Kommuniqué hinsichtlich der niedrigen Teuerung sehr zurückhaltend äußerte und die positive konjunkturelle Wirkung fallender Energiepreise betonte. Das Protokoll der Sitzung bot in dieser Hinsicht keine zusätzlichen Einblicke. Die Anleger erscheinen vor diesem Hintergrund aktuell noch immer zu zögerlich, was die zu erwartenden Zinserhöhungen im laufenden Jahr angeht. Per Dezember 2015 ist am Markt für die Federal Funds Futures nur ein Leitzins von leicht über 0,5 % eingepreist. Der Median der FOMC-Mitglieder hingegen erwartet - wie wir auch - einen Wert über 1 %. Janet Yellens Auftritt wäre daher eine gute Gelegenheit, den Märkten mitzuteilen, dass die Fed eindeutig auf Kurs für eine Zinswende zur Jahresmitte ist und dass die temporär niedrige Teuerung sie davon ebenso wenig abhalten wird wie der stärkere Dollar.