- 1 Die Woche im Überblick
1.1 Chart der Woche
Rohstoffpreisverfall setzt Lateinamerika unter Druck
Wie sich die Zeiten ändern! Die vergangene Dekade war am Devisenmarkt vor allem von der Dollar- Schwäche geprägt. Neben einigen Industrieländerwährungen werteten insbesondere die Devisen aus Lateinamerika auf. Südamerika profitierte dabei von dem Boom an den Rohstoffmärkten.
Dagegen legten die asiatischen Schwellenländerwährungen, allen voran der Chinesische Yuan, auch wegen des Einschreitens der Politik nur leicht zu. Das Dollar-Bild hat sich gedreht, Asiens Währungen geben dennoch nur wenig nach. Völlig anders sieht es in Lateinamerika aus: Der gerade zuletzt beschleunigte Preisverfall an den Rohstoffmärkten drückt auf die Währungen. Der Kursrutsch bei den Devisen scheint noch kein Ende gefunden zu haben. Allerdings hat diese Abwertung durchaus eine positive Seite. Denn mit der Korrektur der z.T. sehr deutlichen Überbewertung der Währungen verbessert sich endlich die Wettbewerbsfähigkeit dieser Länder.
1.2 Wochen-Quartals-Tangente
"Die Tage des billigen Öls sind gezählt". Es ist noch nicht allzu lange her, dass dieser Satz als Allgemeingut galt. Die Märkte belehrten uns einmal mehr eines Besseren, zuletzt fiel der Brent- Preis sogar wieder unter 50 US-Dollar pro Barrel. Auch andere Rohstoffe verbilligten sich weiter. Vom "Super-Zyklus" ist nicht mehr viel übrig geblieben. Erste Ertragsindizes haben sogar den gesamten Gewinn seit 2002 verloren. Was den Verbraucher erfreuen mag, hat aber auch negative Aspekte. Denn neben einem höheren Angebot belasten die Sorgen um den Großverbraucher China. Dort sind zumindest die Aktienkurse nicht weiter gefallen. Der Einkaufsmanagerindex für die Industrie hingegen ging erneut zurück. Ob die Ängste nicht vielleicht doch deutlich überzogen sind, könnte der in den nächsten Tagen anstehende Kranz an Konjunkturdaten beantworten. Die stark auf dem Rohstoffexport spezialisierten Volkswirtschaften würden sich über eine Entwarnung freuen.
Das Thema Griechenland ist dagegen an den Finanzmärkten in der Versenkung verschwunden. Die Verhandlungen zwischen der Regierung und den Gläubigerinstitutionen laufen. Ob rechtzeitig vor dem 20. August - dem Zeitpunkt der nächsten Anleihefälligkeit - eine Einigung erreicht wird, ist noch nicht gesichert. Derzeit liegt der Marktfokus vornehmlich auf US-Konjunkturindikatoren bzw. wie sie die Aussichten auf eine Zinswende der Fed beeinflussen. Klarheit gaben die Daten zuletzt nicht. Der US-Rentenmarkt bewegte sich ähnlich wie der Euro-Dollar-Kurs per saldo kaum. US-Aktien notierten im Gegensatz zu den sich verteuernden europäischen Titeln merklich tiefer. In der Berichtswoche könnten die Einzelhandelsumsätze sowie die Industrieproduktion neue Erkenntnisse liefern. In Europa werden BIP-Daten für das zweite Quartal veröffentlicht (S. 5). Fraglich ist, ob die Zahlen den Optimismus an den hiesigen Aktienmärkten rechtfertigen, an dem ohnehin die Chancen ausgereizt sind (S. 4). Der deutsche Rentenmarkt führt eher ein Eigenleben. Ohne US-Unterstützung sind dem jüngsten Renditeanstieg aber vermutlich Grenzen gesetzt. An den Rohstoffmärkten sollte angesichts des vorherigen Preisverfalls eine zumindest temporäre Stabilisierung nicht überraschen. Die alten Weisheiten finden dennoch nicht so schnell nicht wieder Gültigkeit. Aber womöglich werden in den nächsten Wochen und Monaten an den Finanzmärkten noch manche vermeintlichen Gewissheiten über den Haufen geworfen.
2 Im Fokus
2.1 Aktien: Chance-Risiko-Verhältnis nicht attraktiv
Während bei den US-Leitindizes klare Ermüdungserscheinungen erkennbar sind, scheint bei Euro-Aktien auf den ersten Blick alles im grünen Bereich zu sein. Dabei sind Dividendentitel diesund jenseits des Atlantiks hoch bewertet und die notwendige Verbesserung der Unternehmensgewinnperspektiven ist bislang ausgeblieben.
Die US-Börsenbarometer S&P 500 und Dow Jones Industrials treten wohl auch angesichts der näher rückenden Leitzinswende nur noch auf der Stelle. Auffällig ist die nachlassende Marktbreite. Fast die Hälfte der jeweiligen Indexmitglieder ist bereits unter die 200-Tage-Linie gefallen. Damit ist die Nachhaltigkeit des gegenwärtigen Kursniveaus in Frage gestellt. Dagegen konnten die Euro-Indizes DAX und EURO STOXX 50 in den vergangenen Wochen sichtbar zulegen. Anders als bei ihren US-Pendants ist der Kursanstieg breit getragen. Rund 80 % der Indexmitglieder notieren über der 200-Tage-Linie. Auf den ersten Blick scheint hier alles in Ordnung zu sein, wäre da nicht das leidige Thema Bewertung.
Auf Basis der gängigsten Bewertungsmaßstäbe sind Dividendentitel dies- und jenseits des Atlantiks hoch bewertet. Die Hoffnung vieler Marktteilnehmer, Aktien würden durch einen dynamischen Anstieg der Unternehmensgewinne in diese hohen Bewertungen hineinwachsen, scheinen sich bislang nicht zu erfüllen. Das Gros der Zwischenberichte liegt inzwischen vor. Zwar fielen die Nettoergebnisse sowohl in den USA als auch in Europa im Durchschnitt etwas höher aus als erwartet. Eine für weiter steigende Notierungen notwendige Verbesserung der Gewinnaussichten zeichnet sich jedoch nicht ab. Vielmehr wurden die Konsens-Gewinnschätzungen für die kommenden 12 Monate für S&P 500, DAX und EURO STOXX 50 in den vergangenen Wochen gleichermaßen mehrheitlich nach unten revidiert.
Durch den jüngsten, überraschend deutlichen Anstieg der deutschen Auftragseingänge hat sich die Erwartungslücke zwischen Fundamentaldaten und hiesiger Aktienkursentwicklung zwar etwas entschärft. Nachdem der DAX inzwischen jedoch schon rund die Hälfte des Kursrückgangs seit dem Hoch im April wieder wettgemacht hat, wird die Luft extrem dünn. Dies belegt die verhaltene Kursreaktion auf die Veröffentlichung dieses wichtigen Indikators. Ähnlich könnte es sich bei den anstehenden ZEW-Konjunkturerwartungen verhalten. Auch hier ist nach vier Rückgängen in Folge mit einer Verbesserung zu rechnen, die Aktien vermutlich aber schon größtenteils vorweggenommen haben. Immerhin hat die jüngste Erholung zu einer erneuten Bewertungsexpansion beim deutschen Leitindex geführt. Mit einem KGV von 13,8 liegt der DAX wieder außerhalb des Normalbereichs der vergangenen Dekade und ist damit teuer. Gleichzeitig signalisieren die offensive Positionierung der Anleger und die niedrige implizite Aktienvolatilität eine hohe Gelassenheit. Im Sinne der Kontraindikation spricht dies eher dafür, dass die Korrekturphase noch nicht beendet ist.
2.2 Deutschland: Q2 nicht überbordend
Die deutsche Wirtschaft hat im zweiten Quartal keinen Turbo angeworfen. Nach 0,3 % dürfte das Wachstum bei nur 0,4 % gegenüber den ersten drei Monaten 2015 gelegen haben.
Das zweite Quartal dürfte in Deutschland mit einem realen Wachstum von 0,4 % gegenüber den drei Monaten zuvor nur wenig dynamischer ausgefallen sein als Q1 (0,3 %). Niedrige Ölpreise und ein schwacher Euro haben hierzu beigetragen. Allerdings ist die Entwicklung nicht einheitlich. Die Monatsindikatoren zeigen, dass auch hierzulande die Bäume nicht in den Himmel wachsen. So sind die Einzelhandelsumsätze nach dem starken Zuwachs zu Jahresbeginn (1,8 % gg. Vq.) sogar gesunken (Q2: -0,3 % gg. Vq.) Zwar ist der Einzelhandel mit einem Anteil von unter 30 % zu gering, um die privaten Verbrauchsausgaben zu determinieren. Wichtiger ist hier die Entwicklung der konsumtiven Dienstleistungen. Doch dürfte sich der starke Konsumanstieg vom ersten Quartal (0,6 % gg. Vq.) deutlich abgeschwächt haben. Auch die Industrieproduktion mahnt zur Vorsicht. Sie ist in Q2 kaum vorangekommen, die Bauproduktion ist sogar gesunken. Einem leichten Zuwachs der Ausrüstungen dürfte deswegen ein Rückgang der Bauinvestitionen gegenüberstehen. Deutliche Impulse sind in Q2 dagegen vom Außenhandel ausgegangen. Die Exporte - auch in die Eurozone - sind erheblich stärker angestiegen als die Importe. Unsere BIP-Prognose für das Gesamtjahr 2015 von kalenderbereinigt 1,6 % und unbereinigt 1,8 % hat weiter Bestand. Die zuletzt positive Entwicklung der Auftragseingänge signalisiert eine Belebung für Q3.
Der ZEW-Indikator für August sollte zeigen, dass sich die Erwartungen der Finanzmarktteilnehmer nicht weiter verschlechtert haben. Die vorläufige Einigung im Griechenland-Poker und nochmals deutlich gesunkene Ölpreise haben die konjunkturellen Perspektiven eher verbessert. Die Analysten dürften auch die in der Summe leicht aufwärts gerichteten Aktiennotierungen als positiv wahrgenommen haben. Ähnliche Entwicklungen wie in Deutschland sind auch in Frankreich festzustellen. Nach einem starken Quartal sind die monatlichen Konsumausgaben zwischen April und Juni sogar minimal gesunken. Zudem ist auch die französische Industrieproduktion deutlich zurückgegangen. Das Wirtschaftswachstum ist voraussichtlich nur moderat ausgefallen. Spanien hingegen hat bereits ein sehr starkes Quartalswachstum von 1 % gemeldet. Impulse kamen vor allem vom Außenhandel und dem Konsum. Das Ausgabeverhalten der Verbraucher wird neben der sich bessernden Lage am Arbeitsmarkt auch positiv von der Senkung der direkten Steuern und der Erwartung weiterer Entlastungen beeinflusst. Der markante Anstieg der Kapazitätsauslastung sollte darüber hinaus zu mehr neuen Ausrüstungen geführt haben. Italien hat im ersten Vierteljahr mit einem moderaten Quartalswachstum von 0,3 % die Rezession hinter sich gelassen. In Q2 dürfte die dortige Wirtschaft ebenfalls gewachsen sein. Der Konsum hat hierzu beigetragen. Zudem legte die Industrieproduktion ähnlich stark zu wie zu Jahresbeginn. Die gleichzeitig gestiegene Kapazitätsauslastung dürfte zu mehr Investitionen geführt haben.
3 Charttechnik
Bund-Future: Kursrisiken nehmen zu
Der Future hat sich im Wochenverlauf abgeschwächt, dabei aber die Unterstützungslinie des seit Juni bestehenden Aufwärtstrendkanals unterschritten. Heute verläuft die Trendlinie bei 154,01 und sie stellt den ersten Widerstand dar. Skeptisch stimmen neben dem Trendbruch die nach unten drehenden Indikatoren. Der MACD steht unmittelbar davor, ein Verkaufssignal zu generieren. Zudem lässt der weiter sinkende ADX darauf schließen, dass der Auf-wärtsimpuls ausgelaufen ist. Vor diesem Hintergrund sind die Kursrisiken gestiegen.
Euro: Abwärtstrendkanal intakt
Dem Euro ist es nicht gelungen, sich dauerhaft oberhalb des Juni-Abwärtstrends zu halten. Seit Tagen notiert er unterhalb der Marke von 1,10 und damit auch unterhalb der 100-Tagelinie. Die Indikatoren liefern ein uneinheitliches Bild, lassen aber nicht mehr auf eine größere Kurserholung schließen. Die entscheidenden Unterstützungen sind im Bereich 1,0800/20 zu finden, denn dort verläuft die untere Begrenzung einer seit Monaten zu beobachtenden Han-delsspanne. Kurse darunter würden das Bild deutlich ein-trüben und Potenzial bis 1,05 eröffnen.
DAX: Test der 100-Tage-Linie
Das aktuelle Chartbild des DAX weist derzeit einige sehr interessante Konstellationen auf. Beispielweise sei auf die lange weiße Kerze verwiesen, die auf das Aufwärts-Gap folgte, sowie auf den im Anschluss ausgebildeten soge-nannten "Shooting Star". Diese Konstellation, verbunden mit dem sich abzeichnenden Rutsch unter die 100-Tage-Durchschnittslinie hat das Potenzial, eine nennenswerte Wendeformation zu begründen. Für eine höhere Prognose-güte sollte der DAX den heutigen Handelstag idealerweise unter der Marke von 11.504 Zählern beenden.