- Mit dem Beginn des neuen Haushaltsjahres ist um Mitternacht am 30. September die Ausgabenermächtigung der amerikanischen Bundesregierung ausgelaufen.
- Sie ist daher gezwungen, ihre Ausgaben auf das Notwendige zu begrenzen. Dies wird, abhängig davon, wie lange eine Lösung auf sich warten lässt, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage belasten.
- Wann eine politische Einigung erzielt wird, ist derzeit unklar. Die Fronten scheinen verhärtet. Mitte Oktober droht aber die Schuldenobergrenze bindend zu werden. Dieser Handlungsdruck könnte einen Kompromiss beschleunigen.
Anfang März diesen Jahres machte Washington D.C. in Erwartung eines Schneesturms praktisch einen Tag dicht: Museen und Geschäfte waren geschlossen, die Mitarbeiter der Bundesbehörden wurden aufgefordert, zu Hause zu bleiben. Da der Schneesturm, der so genannte "Snowquester", die Stadt dann aber verfehlte, war nach einem regnerischen Tag der Stille alles beim Alten. Nun droht in der US-Hauptstadt ein ähnliches Bild, ohne Zutun des Wetters und mit möglicherweise längerer Dauer. Zum ersten Mal seit 1995/96 haben sich Demokraten und Republikaner nicht darauf einigen können, die Bundesregierung mit der notwendigen Ausgabenermächtigung auszu-statten - seit Mitternacht Washingtoner Ortszeit gibt es weder einen regulären Haushalt, noch eine so genannte "continuing resolution", ein temporäres Überbrückungsgesetz. Die US-Administration ist daher gezwungen, ihre "nicht essenziellen" Aktivitäten bis auf Weiteres einzustellen. Damit verbunden ist eine (zunächst unbezahlte) Beurlaubung von rund 800.000 Staatsangestellten - insgesamt beschäftigt die Bundesregierung einschließlich der Post etwa 2,8 Millionen Personen.
Zwar wird es zu Ausfällen und Verzögerungen bei manchen öffentlichen Leistungen kommen, ein Zusammenbruch von Recht und Ordnung ist aber nicht zu befürchten, da die untergeordneten Gebietskörperschaften nicht betroffen sind und selbst auf Bundesebene die wichtigsten Regierungsfunktionen durch entsprechende Anordnungen aufrechterhalten werden. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der Zahlungsstopp nur "discretionary spending" betrifft, also jenen Teil der Staatsausgaben, den der Kongress jedes Jahr neu bewilligen muss. Der größere Posten, das aus Leistungsgesetzen resultierende "mandatory spending" wie Rentenzahlungen u.ä., läuft wie gewohnt weiter.
Das Ausmaß der ökonomischen Auswirkungen hängt in erster Linie davon ab, wie lange der aktuelle Zustand andauert. Klar ist jedenfalls, dass die Effekte negativ sein werden. Verglichen mit den ähnlichen Situationen "fiscal cliff" und dem Erreichen der Schuldenobergrenze ist das Fehlen eines Haushalts jedoch noch das geringste Übel. Wäre die Finanzpolitik Anfang 2013 durch das volle "fiscal cliff" gestrafft worden, wäre eine Rezession wohl unvermeidlich gewesen. Ein Zahlungsausfall der US-Regierung (durch eine verzögerte Zahlung von Zinsen oder die Unfähigkeit, eine anstehende Tilgung zu leisten) hätte unabsehbare Folgen für das globale Finanzsystem.
Da die Schuldengrenze nach Schätzungen des Finanzministeriums Mitte Oktober bindend werden wird - ein Termin, der sich allerdings durch die nun erzwungenen Ausgabenkürzungen noch etwas nach hinten verschieben könnte - muss binnen der kommenden zwei bis zweieinhalb Wochen ein politischer Kompromiss gefunden werden. Damit wäre der aktuelle "government shutdown" im Rahmen dessen, was sich im Winter 1995/96 abspielte, als die Bundesregierung vom 16. Dezember bis 6. Januar teilweise geschlossen war.
Damals war im Q4 tatsächlich eine deutliche Delle bei den Staatsausgaben zu erkennen, die auch im Q1 noch nicht wieder voll wettgemacht wurde. Die unmittelbar im Bruttoinlandsprodukt (BIP) verbuchten Ausgaben des Bundes fielen im Q4 1995 nominal mit einer Jahresrate von 6,5 %. Das BIP insgesamt wies damals allerdings keine nennenswerten Bremsspuren auf. Zum damaligen Zeitpunkt befand sich die US-Wirtschaft in einer ähnlichen Situation wie derzeit: 1995 war das Jahr des "mid-cycle slowdown", seit Jahrzehnten fast die einzige Phase, in der sich das US-Wachstum spürbar und nachhaltig verlangsamte, ohne dass die Wirtschaft in die Rezession abrutschte.
Schon im Vorfeld hat die Diskussion um den drohenden "shutdown" die Stimmung belastet und zu erhöhter Unsicherheit geführt. Allerdings haben die Finanzmärkte zunächst recht verhalten reagiert. Auch die Indikatoren zur Unternehmens- und Verbraucherstimmung signalisierten bis jetzt keine stärkere Eintrübung. Vielleicht lag das aber daran, dass man allgemein mit einer Einigung in letzter Minute gerechnet hat. Nun kommen zur politischen Unsicherheit ("Wie lange dauert es?") noch die direkten Effekte hinzu: Der resultierende Nachfrageausfall wird umso problematischer sein, je länger die Situation andauert.
Die Gehälter der Staatsangestellten werden wohl wie 1995/96 auch diesmal nachträglich ausgezahlt werden, so dass den Beschäftigten keine Einkommenssondern nur vorübergehende Einnahmeverluste drohen. Die vorgenommenen "furloughs" sind keine wirklichen Entlassungen, sie werden sich in den Konjunkturdaten nur abgefedert niederschlagen - 1995 war eine leichte Delle bei den Bundesbeschäftigten auszumachen, die allerdings relativ zur damaligen Beschäftigtenzahl von knapp 120 Millionen kaum ins Gewicht fiel. Das Haushaltsdefizit der Bundesebene wird im laufenden Kalenderjahr tendenziell noch geringer ausfallen als aktuell geschätzt (2013: 4 % am BIP, 2014: rund 3 %). Auch könnten Zahlungen vom laufenden ins kommende Kalenderjahr verschoben werden, so dass sich die Zahlen für 2013 verbessern, aber die für 2014 verschlechtern könnten. Ob sich ein möglicher Anpassungsbedarf für unsere Wachstumsprognose für das Q4 ergibt, hängt von der Dauer des "shutdown" ab. Eine Lösung binnen der kommenden zwei Wochen dürfte mit einem überschaubaren Nachfrageausfall verbunden sein.
Politisch peinlich ist die aktuelle Situation allemal. Die Politiker der größten Volkswirtschaft der Welt sehen sich nicht imstande, eine ordnungsgemäße Finanzierung ihrer Regierung sicherzustellen, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte. Demokraten und Republikaner schieben sich naturgemäß gegenseitig die Schuld für die Misere zu. Tatsächlich teilen sich aber beide Seiten die Verantwortung dafür, dass Kongress und Regierung nicht in der Lage sind, die laufende Verwaltungs- und Regierungsarbeit sicherzustellen. Inflexibilität und fehlende Bereitschaft, einen gemeinsamen Nenner zu finden, sind auf beiden Seiten gleich ausgeprägt. Fehlendes Vertrauen verhindert Zugeständnisse. In diesem Umfeld ist nicht auszuschließen, dass eine Lösung auf sich warten lässt. Der Handlungsdruck durch die Schuldenobergrenze ist daher möglicherweise sogar hilfreich, denn er dürfte alle außer den absoluten "Extremisten" unter den Abgeordneten bewegen, bis Mitte des Monats zumindest einer kurzfristigen Lösung zuzustimmen. Eine Zahlungsunfähigkeit der US-Regierung ist weder im Interesse der Republikaner noch der Demokraten.
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