Den Auftakt am 16. Oktober im Konzertfoyer des Mecklenburgischen Staatstheaters bildet "Rummelplatz" von Werner Bräunig. Obwohl der Roman bereits vor mehr als 40 Jahren geschrieben wurde, war sein erstmaliges Erscheinen in diesem Jahr einer der Höhepunkte der Leipziger Buchmesse. Der Autor hatte darin die Nachkriegsjahre im Osten Deutschlands, insbesondere im Raum Zwickau und der Wismut AG, so mitreißend geschildert, wie vor ihm kein anderer und auch nach ihm nur wenige. Für die Hüter des "sozialistischen Realismus" war er aber zu weit gegangen: Zu ungeschönt wurde vom Leben der Kumpel in dem von den "sowjetischen Brüdern" geführten Uranbergbau berichtet, zu viele Abenteurer suchten das Glück und nutzten den Schwarzmarkt in Ost wie West. Das Manuskript verschwand im Tresor.
Die Herausgeberin des Buches, Dr. Angela Drescher, hat gemeinsam mit den Söhnen Werner Bräunigs die Rekonstruktion des "berühmtesten ungedruckten Romans der Nachkriegszeit" übernommen und wird darüber berichten. Jörg Gudzuhn, Mitglied im Schauspielerensemble des Deutschen Theaters Berlin und durch zahlreiche Rollen in Film und Fernsehen bekannt und beliebt, wird Passagen aus dem Buch vortragen. Es wird ein beeindruckender Start der Literaturtage werden!
Die Lesung wird als "NDR-Literaturcafé" moderiert und von NDR 1 Radio M-V ausgestrahlt.
Auf ebenfalls einmalige Weise befasst sich Harald Martenstein mit der deutschen Nachkriegsgeschichte in seinem Roman "Heimweg", den er am 14. November vorstellt. Wer seine Kolumnen in der ZEIT liebt, wird auch den Roman mit Freude lesen. Hauptfigur ist Josef, der Anfang der 50er Jahre aus russischer Kriegsgefangenschaft ins zerbombte Mainz zurückkehrt. Vom Wirtschaftswunder ist in seinem Leben wenig zu spüren. Bevor er Soldat wurde, hat er die Schönheitstänzerin Katharina geheiratet, und er hat den Krieg überlebt, das sind seine wichtigsten Leistungen. Er ist kein Held, sondern ein Davongekommener.
Der Roman erzählt von Menschen, die selbst in Zeiten eines stürmischen sozialen oder wirtschaftlichen Aufschwungs den Anschluss verpassen.
Von besonderem Interesse für die Liebhaber der Mann-Dynastie dürfte die Veranstaltung mit Jindrich Mann, einem Enkel Heinrich Manns, am 26.
Oktober sein. Gemeinsam mit dem "Familie-Mann-Spezialisten", Dr. Uwe Naumann vom Rowohlt Verlag, wird er eine bisher unbekannte Seite der Familienchronik aufblättern. Die siebzehnjährige Leonie, einzige Tochter Heinrich Manns, flieht 1933 mit ihrer jüdischen Mutter Maria Kanova in deren Heimatstadt Prag. Doch die Gewalt der Nazi-Herrschaft wird sie einholen: Maria "Mimi" Kanova stirbt 1947 an den Folgen der Haft im KZ Theresienstadt. Im selben Jahr heiratet Leonie den beliebten tschechoslowakischen Geschichtenerzähler und überzeugten Rotarmisten Ludvik Ashkenazy. Dies sind die Eckdaten einer Spurensuche, die ein ganzes Jahrhundert umspannt. Dabei erzählt Jindrich Mann von der eigenen privilegierten Kindheit in einem kommunistischen Regime der fünfziger Jahre, von Nachbarn, die verschwinden, und der Mutter, die "in keine Kategorie passt" und geheimnisvolle Reisen nach Ostberlin unternimmt.
Bis der "Prager Frühling" 1968 die Familie in den Westen zurücktreibt und der zwanzigjährige Jindrich, nun selbst Emigrant in dritter Generation, im studentenbewegten Berlin Fuß zu fassen versucht.
Außerordentlich spannend verspricht der Abend mit Iris Radisch am 6. November zu werden. Dann geht es um das Buch "Die Schule der Frauen. Wie wir die Familie neu erfinden", um mögliche Perspektiven der Vereinbarkeit von Kindern und Familie, von Familie und Arbeit, von Alt und Jung. Männchen, Weibchen, Nest und Nachwuchs " das ist der Gang der Welt seit Anbeginn. An den evolutionären Grundgesetzen kommt man ohne Folgen nicht vorbei. Den hemmungslosen Einsatz der Pille in den Jugendjahren bestraft sie mit Engpässen in der Versorgung und Betreuung der Alten. In den panischen Gebärkampagnen der letzten Monate werden Frauen einem enormen Druck ausgesetzt. Die emanzipierte, arbeitende Frau gerät in Misskredit. Aber die Gleichberechtigung von Frau und Mann ist eine Sache, die wir verteidigen müssen, die nicht mehr zurückgenommen werden kann, auch wenn sie oft nicht funktioniert. Für Iris Radisch liegt der Knackpunkt nicht bei den Frauen, sondern bei den Männern. Sie müssen sich jetzt bewegen. Wenn Familie Zukunft haben soll, dann müssen neue Arbeitsmodelle geschaffen werden, Frauen und Männer in Gleitzeit arbeiten, Jobs teilen, Arbeitszeitkonten anlegen, muss es mehr und bessere Betreuungseinrichtungen geben und vor allem viel mehr Familienzeit. Genügend Stoff also für heiße Diskussionen!
Aber dazwischen gibt es immer auch Gelegenheiten zum Schmunzeln oder herzhaftem Lachen, ganz besonders am 23. Oktober mit dem Chef der Satirezeitung "Titanic" im "SPEICHER" und mit Ursula Karrusseit und Günter Junghans am 16. November im "Capitol".
Programmhefte sind vom 9. Oktober an in den städtischen Kultureinrichtungen, im BürgerBüro im Stadthaus, in Buchhandlungen sowie der Tourist-Information am Markt erhältlich.
Der Kartenvorverkauf für die Veranstaltungen der Landeshauptstadt Schwerin startet ebenfalls am 9. Oktober in der Tourist-Information am Markt.
Für die Eröffnungsveranstaltung am 16. Oktober gibt es die Karten nur im Mecklenburgischen Staatstheater, für die Jazz-Lyrik-Prosa-Veranstaltung am 16. November im Kino "Capitol".
Die Karten für die Veranstaltungen des Buchhauses WEILAND sind ausschließlich in der Buchhandlung selbst am Marienplatz 3 bzw. im Sieben-Seen-Center erhältlich.
Weitere Informationen zu den Veranstaltungen erhalten Interessierte von Brigitte Wils, Tel.: (0385) 555524.
Das Programm der 12. Schweriner Literaturtage unterstützen:
- das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Mecklenburg-Vorpommern
- das Landesfunkhaus des NDR und NDR 1 Radio MV
- die Buchhandlung WEILAND Schwerin
- die Friedrich-Ebert-Stiftung M-V
- die Heinrich-Böll-Stiftung M-V
- das Kino "Capitol"
- das NDR Fernsehen und sein Projekt "Der Norden liest"
- das Mecklenburgische Staatstheater Schwerin