Vor Eintritt in die Grundschule werden alle Kinder durch Ärzte des Gesundheitsamtes untersucht, das sind Jahr für Jahr rund 2.800 Kinder. Die Untersuchungen dienen in erster Linie der Feststellung der Schulfähigkeit der einzelnen Kinder, sie bieten darüber hinaus aber auch eine einzigartige Gelegenheit, den Gesundheitszustand einer ganzen Altersgruppe zu dokumentieren.
Stichwort Vorsorge: An den freiwilligen Untersuchungen U2 bis U9 nahmen in den letzten sechs Jahren durchschnittlich rund 70 Prozent der von der Schuleingangsuntersuchung erfassten Kinder vollständig teil - mit gleichbleibender Tendenz. Über einen nach den Richtlinien der Ständigen Impfkommission vollständigen Impfschutz verfügen ebenfalls rund zwei Drittel aller Kinder, wobei die Immunisierung gegen Tetanus und Diphterie bei 97 bis 98 Prozent, die gegen Kinderlähmung bei etwa 96 Prozent und die gegen Keuchhusten bei etwa 92 Prozent liegt. Gegen den gefährlichen Krankheitserreger Haemophilus Influenzae B sind mittlerweile 95 Prozent der Wiesbadener Kinder geimpft - gegenüber 2001 mit 90 Prozent eine erfreuliche Steigerung. Zur Abwehr der klassischen Kinderkrankheiten Masern, Mumps und Röteln sind ebenfalls rund 90 Prozent der Kinder zumindest einmal geimpft - mehr als in Hessen und im übrigen Bundesgebiet. Allerdings liegen bei der Zweitimpfung die Raten wesentlich niedriger. Bundesweit ist das ähnlich.
Daten zu Körpergröße und Gewicht der Wiesbadener Schulanfänger liegen nunmehr für einen Zeitraum von vier Jahren vor. Anhand alters- und geschlechtsspezifischer Referenzwerte kann festgestellt werden, ob Übergewicht vorliegt; diese Diagnose traf im Durchschnitt der Jahre 2003 bis 2006 auf knapp 12 Prozent aller untersuchten Kinder zu. Rund fünf Prozent können sogar als fettleibig („adipös“) bezeichnet werden. Dabei sind Kinder ausländischer Herkunft besonders häufig von Übergewicht oder Adipositas betroffen. Buchstäblich schwer ins Gewicht fallen Kinder türkischer und italienischer Herkunft. Hier ist jedes fünfte Kind zu dick, während ihre Altersgenossen mit osteuropäischen Wurzeln eher unauffällig sind.
Über ein systematisches Testverfahren des Entwicklungsstandes („S-ENS“) steht dem Wiesbadener Gesundheitsamt seit dem letzten Jahr ein neues Instrument zur Verfügung, mit dessen Hilfe Entwicklungsauffälligkeiten objektiv diagnostiziert werden können. Untersucht werden dabei die Körperkoordination, die Visuomotorik und die Sprachkenntnis. Mit sechs einzelnen Tests, die beispielsweise aus dem Zuordnen von Bildkarten, dem Abmalen und Ergänzen vorgegebener Diagramme und dem Nachsprechen von Sätzen bestehen, können die Leistungen der Kinder anhand von Punkten beurteilt werden. Ergebnis in der Gesamtschau für das Jahr 2006: 39 Prozent aller untersuchten Kinder haben alle sechs Tests fehlerlos bestanden. 41 Prozent der Kinder haben bei einem oder zwei Tests Auffälligkeiten gezeigt, und 20 Prozent hatten bei drei und noch mehr Tests größere Probleme.
Während 44 Prozent der Mädchen alle sechs Tests anstandslos absolvierten, gelang dies den Jungen nur zu 34 Prozent. Noch gravierender sind die Unterschiede zwischen den Nationalitäten: Immerhin jedes zehnte Kind türkischer Herkunft schafft von den sechs „Prüfungen“ maximal eine einzige und nur jedes fünfte türkische Kind hatte keinerlei Probleme mit den gestellten Aufgaben. - Der Kindergartenbesuch wirkt sich auch hier wieder in positiver Weise aus: Kinder mit mehrjähriger Kita-Erfahrung schneiden in ihren Prüfungsergebnissen überdurchschnittlich gut ab.
Im Schnitt empfehlen die Ärzte bei knapp über 40 Prozent der Kinder eine Fördermaßnahme, die festgestellte Defizite kompensieren soll: An der Spitze liegen die Schulberatung (Tendenz: fallend) und die Sprachberatung (Tendenz: steigend), auch eine Förderung der Motorik oder eine Ernährungsberatung werden öfters angeraten.
Nach Abschluss der Untersuchung geben die Schulärzte eine Empfehlung ab, die zwar nicht bindend ist, jedoch meist von den Eltern und der zuständigen Schule übernommen wird. Insgesamt erhielten in den letzten Jahren zwischen 85 und 88 Prozent aller Kinder eine Regelschulempfehlung - Tendenz stabil. Für die übrigen Kinder wurden Regel abweichende Vorschläge gemacht, wobei die Zurückstellung in eine Vorklasse die häufigste Variante war. Regel abweichende Empfehlungen betreffen Jungen eher als Mädchen und Kinder mit kurzer Kindergartenzeit eher als Kita-Erfahrene. Auch Kinder mit Migrationshintergrund erhalten überdurchschnittlich oft eine „besondere Schulempfehlung“, vor allem türkische Kinder, von denen jedes fünfte nicht „normal“ eingeschult werden kann.
Die Statistiker weisen auch auf den Stellenwert hin, den die Schuleingangsuntersuchungen des Gesundheitsamtes für die individualmedizinische Diagnostik der Kinder haben: Werden Krankheiten oder andere Gesundheitsstörungen festgestellt, so ist in 38 Prozent der Fälle der Befund bislang entweder nicht bekannt oder nicht ausreichend behandelt. Die Schulärzte geben dann per Arztbrief den Anstoß zu einer weiteren Abklärung beim niedergelassenen Kinderarzt. Besonders häufig sind solche Überweisungen bei Kindern nichtdeutscher Herkunft.
Der Statistische Bericht 1/2007 kann für 15 Euro (zuzüglich Versandkosten) beim Amt für Wahlen, Statistik und Stadtforschung bezogen werden. Es besteht die Möglichkeit der Online-Bestellung unter http://www.wiesbaden.de/....