„Das Bayerische Jagdgesetzt verpflichtet nach Art. 43, Abs. 3 jeden Revierinhaber, sprich, den Pächter eines Jagdreviers, „in der Notzeit für eine angemessene Wildfütterung zu sorgen“. Diese Bestimmung gilt für alle Wildarten.“, so BJV-Präsident Prof. Dr. Jürgen Vocke.
Wann herrscht Notzeit?
Früher sprach man von einer Notzeitsituation, wenn die Gefahr des Verhungerns bestand. Diese Definition berücksichtigt allerdings keinerlei wildbiologischen Zusammenhänge und ist aus tierschutzrechtlichen Gründen auch nicht hinnehmbar.
Heutzutage muss man viel mehr von einer von Menschen gemachten Notzeit sprechen: Das heimische Wild ist unseren winterlichen Verhältnissen relativ gut angepasst. Den Nahrungsengpass, der mit einbrechender Kälte und starkem Schneefall entsteht, sowie die winterlichen Gegebenheiten, können diese durch eigene Überwinterungsstrategien bewältigen: Sie senken ihre Körpertemperatur, lassen sich einschneien, beschränken ihre Bewegungen auf das Mindeste, zehren von ihren Fett- und Energiereserven. Durch Störfaktoren jeglicher Art, hierzu zählt in erster Linie der Wintersporttourismus, aktiviert sich der Fluchtinstinkt des Wildes. Dies zehrt unnötig an ihren Energiereserven, Fettreserven werden schnell aufgebraucht und eine vom Menschen bedingte Notzeit entsteht.
Hinzu kommt, dass sich Wildtiere wie das Schalenwild nach aufgebrauchten Fett- und Energiereserven bei fehlendem Nahrungsangebot bereits nach wenigen Tagen an der jungen Waldvegetation bedienen, es „verbeißt“, wie es in der Jägersprache heißt. Das kann selbst bei einem geringen Wildbestand für den Waldumbau schwere Folgen haben.
Daher spricht man heute bereits bei Ernährungsengpässen von einer „Notzeit“, so BJV-Präsident Prof. Dr. Jürgen Vocke.
Pauschales Ausrufen oder Verneinen einer Notzeit allerdings, wie es derzeit in den Landkreises Rosenheim und Weilheim der Fall ist, ist dabei nicht zielführend. Thomas Schreder, Regierungsbezirksvorsitzender von Oberbayern: „Wann und in welchen Revieren eine Notzeit für das Wild gegeben ist, muss eine sachkundige Einzelfallentscheidung der zuständigen Revierinhaber vor Ort bleiben.“
Füttern ja, aber richtig!
Um den Verbiss an Forstpflanzen zu verringern, muss mit geeigneter Nahrung zugefüttert werden. Bei den notwendigen Fütterungen sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass die Wildtiere „keine Müllschlucker“ sind. Das heißt, das Nahrungsangebot muss unbedingt artgerecht und ausgewogen sein. Für die Fütterung von Schalenwild sind als Futtermittel Heu, Silage, Hackfrüchte, Kastanien und Eicheln empfehlenswert. Besonders wichtig ist es, Rau- und Saftfutter in einem sachgerechten Mengenverhältnis vorzulegen und auf Kraftfutter zu verzichten.
Prof. Dr. Jürgen Vocke: „Überlassen Sie das Füttern von Wildtieren den Jägern. Eine nicht an die physiologischen Gegebenheiten der jeweiligen Tierart angepasste Fütterung kann mehr schaden als nutzen. Und hier noch ein Appell an Skifahrer und Waldspaziergänger: Das wichtigste, was die Bevölkerung für die Wildtiere jetzt tun kann, ist, ihnen genügend Ruhe zu lassen. Denn nur wenn sie ungestört sind, schonen sie ihre Energiereserven und kommen gut über den Winter.“
Geteilter Artenschutz? – Wild im Winter nicht hungern lassen
Während das Vogelfutterangebot die Verkaufsregale zum Überlaufen bringen lassen, wird von verschiedenen Stellen gefordert, dass der Tisch für Reh- und Rotwild im Winter leer bleiben soll. Eine natürliche Selektion – durch Verhungern – ist oftmals die Begründung. BJV-Präsident Prof. Dr. Jürgen Vocke aber fordert: „ Wir dürfen das Wild im Winter nicht hungern lassen. Mit zunehmender Schneedecke finden Wildtiere immer schwieriger Nahrung. Wer ihnen eine Notzeitfütterung verweigert, begeht einen massiven Straftatbestand. Zudem muss er sich über zunehmende Schäl- und Verbissschäden nicht wundern.“
Weitere Informationen finden Sie unter www.jagd-bayern.de