Gern gesehener Dauergast in Stuttgart ist der Allgemeine Schnauferl-Club (ASC). Wie in jedem Jahr präsentiert der engagierte Oldtimer-Verein an seinem Stand wieder Fahrzeuge zu einem bestimmten Thema. Diesmal widmet man sich Exponaten, die einst für radikale technische und konzeptionelle Veränderungen standen und die Automobilbranche nachhaltig veränderten. So sind auf der Retro Classics nicht nur skurril anmutende Wagen mit Dampf- oder Elektromotor zu bestaunen, sondern auch Autos, die eine Epoche prägten, wie der VW Brezelkäfer.
Zu den vergessenen Meilensteinen der Automobilgeschichte gehört der US-amerikanische Stanley Steamer. 1887 bauten die Zwillingsbrüder Francis Edgar und Freelan O. Stanley ihr erstes dampfgetriebenes Fahrzeug. Der erste Stanley Steamer verfügte über einen mit Petroleum beheizten Kessel, zwei Zylinder und einen Kettenantrieb, der die Bewegung auf die Hinterachse übertrug. Im Jahre 1902 gründeten die Stanleys die Firma Stanley Motor Carriage Company, wo die Dampfautos kontinuierlich weiterentwickelt wurden. So versetzten die Konstrukteure den Kessel nach vorn und erhöhten durch eine ausgeklügelte Technologie zur Dampfrückgewinnung die Reichweite. 1906 gelang dem Fahrer Fred Marriott mit einer "Stanley Rocket" in Daytona Beach der bis heute gültige Geschwindigkeitsweltrekord für dampfgetriebene Automobile - beachtliche 205,5 Stundenkilometer! Als die Konkurrenz durch den Verbrennungsmotor wuchs, verkauften die Gebrüder Stanley 1917 ihre Firma. Bis zur Produktionseinstellung im Jahre 1927 wurden insgesamt rund 500 Steamer gebaut. Einen davon stellt der ASC auf der Retro Classics aus.
Manche Fahrzeuge sind noch gut im Gedächtnis: Der deutsche NSU RO 80 war prägend für das Erscheinungsbild einer ganzen Automobilgeneration. Die 1967 erstmals vorgestellte Limousine griff mit ihrer aerodynamischen Karosserie (ein Entwurf von Claus Luthe) bereits dem modernen Automobildesign der Achtziger Jahre vor. Der ebenfalls revolutionäre, 115 PS starke Wankelmotor jedoch wies anfangs häufige Defekte auf. Zwar reagierte der Hersteller mit großer Kulanz und tauschte die betroffenen Motoren anstandslos aus, doch der Ruf des neuen Modells litt erheblich unter den Ausfällen. Obwohl technisch durchaus verbesserungsfähig, liefen daher bis 1977 nur 37 398 Exemplare des RO 80 vom Band, danach kam das Aus für den Wankelmotor.
Unter den weiteren Schaustücken befinden sich ein Adler mit Wechselkarosserie aus dem Jahr 1908, ein Mercedes Diesel 260 D, ein Austin Mini und ein Trabi. Die rund 130 Mitglieder des ASC wollen das Vergangene nicht als etwas abtun, das vom Besseren verdrängt wurde, sondern betrachten es als Grundlage einer Weiterentwicklung. Der 1900 gegründete Verein hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, den "Fortschritt der Vergangenheit" zu bewahren. Daneben pflegt man bei Ausfahrten und Veranstaltungen auch "humorvolle Geselligkeit, echte Kameradschaft und bleibende Freundschaft". Tradition bedeutet für die "Schnauferlbrüder" immer Bewegung: Nach mehr als 100 Jahren wurde mit großer Mehrheit beschlossen, künftig Frauen in den Club aufzunehmen.
Weitere Infos und Download-Bilder zur Retro Classics 2008 unter http://www.messe-stuttgart.de/...